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Georgiens queerfeindliche GesetzgebungTiflis auf Abwegen

Kommentar von Barbara Oertel

Wenn Georgiens Regierungspartei Kurs hält, dürfte es mit dem EU-Beitritt schwierig werden. Den Preis zahlen dann die, die für Demokratie kämpfen.

Tiflis in Georgien am internationalen Tag gegen Homophobie 2017, das wird es in Zukunft nicht mehr geben Foto: Shakh Aivazov/dpa

G eorgiens Regierung als beratungsresistent zu bezeichnen, wäre nur allzu wohlwollend. Jetzt hat das Parlament in finaler Lesung ein Anti-LGBTQ+-Gesetz verabschiedet, das der Kreml nicht besser hätte formulieren können. Im Kern und vorgeblich geht es um den Schutz „familiärer Werte“ und Minderjähriger. Dafür wird der ganze sattsam bekannte homophobe Katalog abgearbeitet: Die Familie wird als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert, queere Menschen haben kein Adoptionsrecht.

Die Verbreitung von Informationen über Gender-Identitäten ist verboten, genauso sind öffentliche Veranstaltungen unzulässig, wo beispielsweise LGBTQ+-Personen für ihre Rechte auf die Straße gehen. Dadurch werden sie nicht nur zu Menschen zweiter Klasse gemacht, sondern ihre Versammlungs-, Meinungs- und Medienfreiheit werden empfindlich eingeschränkt. Dabei könnte es durchaus noch schlimmer kommen. Ende Oktober finden in der Südkaukasusrepublik Parlamentswahlen statt.

Dass die Regierungspartei „Georgischer Traum“ (KO), die seit zwölf Jahren regiert und beständig weiter Richtung Moskau abgleitet, dann sogar auf eine verfassungsändernde Mehrheit kommen könnte, ist keineswegs unrealistisch. Aus ihrem Plan macht die KO keinerlei Hehl: dieses, wie viele weitere Gesetze, die in dieselbe Richtung gehen, in der Verfassung festzuschreiben. Demokratie sieht anders aus. Doch genau da liegt das Problem. Georgien ist Beitrittkandidat der Europäischen Union.

Dies ist nicht zuletzt das Verdienst vieler junger Leute, die für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf die Straße gegangen sind. Als die Regierung das „Gesetz über ausländische Agenten“, das dem russischen Pendant zum Verwechseln ähnelt, durchdrückte, sah sich Brüssel berechtigterweise, gezwungen, Sanktionen zu verhängen. Sollte die KO Ende Oktober die Mehrheit schaffen, wird die EU erneut reagieren müssen.

Schon jetzt ist klar, was dann droht: Die Visafreiheit für die Ge­or­gie­r*in­nen könnte fallen. Das jedoch wäre ein schmerzhafter Rückschlag für alle, die auf eine Zukunft in Europa hoffen und die jetzt machtlos zusehen müssen, wie ihnen dieser Weg verbaut wird.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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3 Kommentare

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  • Gerade kam auf queer.de die Meldung das eine trans Frau in ihrer Wohnung mit x Messerstichen umgebracht wurde.



    Das ist was solche Gesetze machen. Hierzulande wird es auch nicht besser. Man kann sich vor den guten Christen und ihresgleichen als queerer Mensch nur fürchten.

  • Das Ziel ist doch ganz offenkundig, im Dienste Russlands einen EU-Beitritt unmöglich zu machen.

  • Es wird doch sowieso nicht zur Aufnahme Georgiens in die EU kommen, Teile des Landes sind von Russland besetzt. Wenn das Thema Ukraine irgendwann durch ist wird sich Russland seinen beiden Satelliten in Georgien widmen und es wird dort zu einem massiven Konflikt kommen. Den Schuh zieht sich die EU nicht an.