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Migrationsabkommen mit UsbekistanFachkräfte von der Seidenstraße

Ein neues Migrationsabkommen soll Visa für usbekische Fachkräfte erleichtern. Usbekistan soll dafür Ausreisepflichtige aus Deutschland zurücknehmen.

Vor den Verhandlungen die Kultur: Kanzler Olaf Scholz auf dem ­historischen Registan-Platz in Samarkand Foto: Michael Kappeler/dpa

So wird man als Bundeskanzler derzeit selten begrüßt: „Wir freuen uns auf den Besuch seiner Exzellenz Olaf Scholz“, heißt es auf einer riesigen Leinwand, daneben der Kanzler vor wehender deutscher Fahne. In Usbekistan ist Olaf Scholz anders als in der Uckermark ein sehr willkommener Gast. Zum ersten Mal seit 22 Jahren ist ein deutscher Bundeskanzler auf Staatsbesuch in Usbekistan. Und bringt nicht nur seine Innen­ministerin und den Bevollmächtigten für Mi­gra­tion mit, sondern auch eine ganze Delegation von Un­ter­neh­mens­ver­tre­te­r:in­nen aus dem Bergbau, der Logistik und von der Bahn. Am Sonntag landete er in Samarkand, der Weltkulturerbestadt an der historischen Seidenstraße.

Doch im Zentrum des Kanzlerbesuchs steht nicht der Tourismus, sondern stehen die Themen Rohstoffgewinnung, Handel und Migration. Die Erwartungen auf usbekischer Seite sind hoch. „Vor allem Jobs und Handel“, fasst eine Journalistin des unabhängigen Privatsenders UzReport zusammen. Im vergangenen Jahr war der usbekische Präsident Schawkat Mirsijojew zu Gast in Berlin. Laut UzReport soll Deutschland Usbekistan Arbeitsplätze für 50.000 Us­be­k:in­nen versprochen haben.

Eine Zahl, die sich im Migrationsabkommen, das Scholz und Mirsijojew am Sonntagabend unterzeichnen wollten, so nicht wiederfindet. Vielmehr heißt es aus dem Kanzleramt und dem Innenministerium: Quoten oder Kontingente seien nicht vorgesehen. Das Migrationsabkommen ist nach dem gleichen Muster gestrickt, wie das bereits am Freitag unterzeichnet Abkommen mit Kenia: Visa für Fachkräfte gegen die Rücknahme von Ausreisepflichtigen. Beide Seiten sollen profitieren.

Wie Kenia hat auch Usbekistan eine junge Bevölkerung, die zum Teil gut ausgebildet ist, der es aber im Land an Perspektiven mangelt. Für Us­be­k:in­nen mit einem Berufsabschluss, aber auch für Studierende will das alternde Deutschland nun die Einreise in den Arbeitsmarkt erleichtern. Dabei geht es sowohl um zeitlich befristete Aufenthalte, etwa zum Studium oder für Sai­son­ar­bei­te­r:in­nen, als auch um unbefristete. Sofern sie die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, das heißt: in erster Linie wirtschaftlich unabhängig sind, sollen sie dann auch Ehe­part­ne­r:in­nen und ihre minderjährigen Kinder nachholen dürfen. Auch die Part­ne­r:in­nen sollen ein Arbeitsvisum erhalten.

Ähnliche Abkommen hat die Ampel-Regierung bereits mit Georgien und Marokko geschlossen, Kirgistan und Ghana sollen ebenfalls Interesse angemeldet haben. Oft läuft die Umsetzung aber schleppend. Sei es, weil Visa nur schleppend ausgestellt werden, sei es, weil Länder ihre Zusagen wieder zurückziehen. Wie im Falle der Repu­blik Moldau, die ihre Menschen selbst im Land braucht und einen Braindrain befürchtet.

Solche Bedenken gebe es im Falle Usbekistans aber nicht, heißt es aus dem deutschen Innenministerium. Vielmehr freue sich das Land, wenn junge Menschen in Deutschland eine Arbeit fänden – und natürlich auf deren Rücküberweisungen. Usbekistan sei deshalb sogar daran interessiert, das Abkommen auf Deutschlands Bedürfnisse zuzuschneiden, etwa Pflegekräfte gezielt zu qualifizieren. Eine usbekisch-deutsche Hochschule für Gesundheitswissenschaften wurde in diesem Jahr eingeweiht.

Was die Rückführungen anbelangt, gibt es bislang kaum Pro­ble­me in Deutschland, weder mit rückkehrunwilligen Ke­nia­ne­r:in­nen noch mit Us­be­k:in­nen. Nur ein Bruchteil, nämlich rund 800 der 15.000 in Deutschland lebenden Ke­nia­ne­r:in­nen sind ausreisepflichtig. Bei Us­be­k:in­nen ist es ähnlich, rund 200 von rund 13.700 halten sich unerlaubt in Deutschland auf.

Bei Rückführungen nach Usbekistan geht es wohl in erster Linie um ein anderes Land: Usbekistan grenzt direkt an Afghanistan. Anfang September, kurz nachdem das erste Mal seit vier Jahren ein Abschiebeflug in das von den radikalislamischen Taliban regierte Land gestartet war, kündigte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in der Bundespressekonferenz an, man werde mit strategisch wichtigen Schlüsselländern Gespräche führen, um weitere Abschiebungen vorzubereiten. Mit den Taliban selbst wolle man nicht sprechen. Usbekistan, das traditionell gute Kontakte zum Nachbarland unterhält, ist so ein Schlüsselland. So könnte Deutschland Af­gha­n:in­nen nach Usbekistan abschieben, von wo sie weiter nach Afghanistan verbracht werden.

Offiziell steht dazu nichts im Migrationsabkommen. Aus Kreisen des Innenministeriums bestätigte man lediglich, dass weitere Abschiebungen nach Afghanistan in Vorbereitung seien. Aus Kanzleramtskreisen heißt es, in Usbekistan würde auch über Abschiebungen nach Afghanistan gesprochen. Diese Gespräche stünden aber nicht im Zentrum. Wobei: Eine weitere Zusammenarbeit in diesem Bereich fördere natürlich Vertrauen und Zusammenarbeit in anderen Bereichen.

Scholz und sein usbekischer Kollege unterzeichneten am Sonntag zudem eine gemeinsame Erklärung über die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Man will künftig in Sicherheitsfragen – etwa im Kampf gegen das organisierte Verbrechen und Terrorismus – kooperieren. Auf wirtschaftlicher Ebene geht es unter anderem um Energie.

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14 Kommentare

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  • Recht interessanter Artikel, die Unterzeile bzw. der Vorspann sind jedoch ein wenig irreführend - suggerieren sie doch, dass Usbekistan offenbar ein wesentlich größeres Interesse als Deutschland daran hätte, dass Fachkräfte aus dem zentralasiatischen Staat nach Mitteleuropa kämen (leichtere Visaerteilung an Usbeken, im Gegenzug leichtere Abschiebung von 'unerwünschten' Bürgern desselben Landes?). Im Artikel selbst wird das dann differenziert und nicht so tendenziös dargestellt.

  • den Politikern sei empfohlen:



    www.bpb.de/kurz-kn...718/kolonialismus/

  • Gebt uns eure Eliten und nehmt uns unsere Probleme?!

    • @Littleneo:

      Kolonialismus 2.0, same same mit Ruanda und Rheinland-Pfalz: Billige Azubis für die Gastronomie und andere Bereiche, die über Agenturen kommen, statt Leute auszubilden und anständig zu bezahlen, die (bereits) hier leben

      Das ganze dann mit Weltoffenheit und Interkulturalität zugedeckt, während man die afghanischen und syrischen und ukrainischen Nachbarn vor Ort bestenfalls ignoriert.

  • "So könnte Deutschland Af­gha­n:in­nen nach Usbekistan abschieben, von wo sie weiter nach Afghanistan verbracht werden." Das wäre dann eine organisierte Kettenabschiebung in ein Land ,in das nach dem "war on terror" die islamistischen Taliban erst Recht erstarkten und erneut die Macht übernahmen und alltäglich schwere Menschenrechtsverletzungen an der eigenen Zivilbevölkerung begehen und Folter und Todesstrafe "normal" sind. Ein Land also, in das nicht abgeschoben werden darf, wenn man das internationale Recht von dem man ansonsten ja auch gerne profitiert, nicht vollkommen demontieren will.

    • @Nina Janovich:

      Der Krieg in Afghanistan ist vorbei. Diskriminiert werden in erster Linie Frauen. Es gibt relativ wenige weibliche Menschen aus Afghanistan in Deutschland.

      • @meerwind7:

        Sie verharmlosen. Die Frauen werden nicht nur diskriminiert sondern gewaltsam unterdrückt. Frauen trifft es besonders schwer aber auch Männer die nicht auf Linie mit der Taliban sind.

  • Danke für diesen Bericht.



    Das ist nun das zweite Abkommen innerhalb weniger Tage, nach dem Aufenthalt der Bundesinnenministerin in Kenia.



    Es zeigt deutlich, dass die Regierung eben keine Abschottung möchte, sondern legale Zuwanderung ermöglicht.



    Wie im Artikel treffend erwähnt, gibt es eben viele Länder mit einer jungen Bevölkerung, die keine Angst haben Arbeitsplätze nicht mehr besetzen zu können.



    Im Gegenteil ist das Problem eher ein Arbeitsplatzmangel.



    Im mittlerweile einem Jahr alten Zuwanderungsgesetz ist auch nicht nur Fachkräften, sondern z.B. auch Menschen mit Berufserfahrung möglich, diese neuen Wege nach Deutschland zu nutzen.



    "Wir brauchen Zuwanderung" sagte der Bundeskanzler noch vor wenigen Tagen in einer Bundestagsdebatte.



    Hier zeigt sich, dass das nicht bloße Worte sind.



    Bei den bisherigen, illegalen Wegen, droht unterwegs Veschleppung, Sklaverei, Vergewaltigung oder der Tod.



    Dass mafiöse Strukturen mit dem Elend der Menschen auch noch Profit machen, ist abzulehnen.



    Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt ist legal sehr sinnvoll. ÜberAsyl nicht.



    Das Asylrecht ist genau dafür da, für politisches Asyl und das soll auch so bleiben!

    • @Philippo1000:

      Man könnte als Unternehmen halt auch (parallel) in die Ausbildung bereits hier lebender ehemaliger Asylbewerber investieren, freistellen für die Teilnahme an weiterführenden Sprachkursen auch für Geringqualifizierte, wirklich praktische Berufserfahrung durch kurze Module anerkennen usw.usf.

      • @hierbamala:

        Ja, das ist ja das Konzept, das mit dem "Jobturbo" angestrebt wird.



        Aus persönlicher Erfahrung muss ich sagen, dass es sehr schwierig ist, Menschen ohne Deutschkenntnissen einen Beruf beizubringen.



        Das ist schon ohne Sprachbarriere nicht einfach.



        Daher finde ich den grundsätzlichen deutschen Ansatz, "erst die Sprache, dann die Arbeit", besser, als es in anderen Ländern praktiziert wird.



        Ohne Sprache sind "Umaufstiegschancen" außerdem sehr begrenzt.



        Dass es den Geflüchteten mit dem Spracherwerb keuvhtet fällt sich hier einzugewöhnen, ist genau so wichtig!

    • @Philippo1000:

      Berufserfahrung haben viele eher weniger, weil sie in ihrer Heimat keine Arbeit entsprechend ihrer Qualifikation finden und daher im informellen Sektor tätig waren. Gang und Gäbe in solchen Ländern. Ob ihre Qualifikation den deutschen Anforderungen entspricht steht noch mal auf einen anderen Blatt. Vieles wird nicht anerkannt. Bei Handwerksberufen sieht es nochmal anders aus, da es kaum Ausbildung in unserem Sinne gibt. Das sind keine Leute die kommen und gleich als qualifizierte Fachkräfte im Arbeitsmarkt integriert werden können.

      • @Andreas J:

        In den Programmen gibt es in den Partnerländern bereits Kurse, die auf Deutschland vorbereiten.



        Das reicht von Deutschkursen über Kennenlernen der Kultur bis zu Ausbildungen.



        Es gibt viele Möglichkeiten zureisen zu können.



        Meiner Erfahrung nach werden Ausländische Abschlüsse mittlerweile schneller anerkannt, abgesehen davon ist das eben nicht mehr Grundvoraussetzung.



        Das wäre auch ziemlich albern, da die Vorqualifikation, für Ausbildungsberufe, auch bei Deutschen, eher "ausbaufähig" ist.



        Hinzu kommt, dass beispielsweise im Bereich regenerativer Energie, also sowohl Windkraft, als auch Photovoltaik und Wärmepumpen, neue Berufsfelder entstehen.



        Hier müssen auch deutsche "FacharbeiterInnen" erstmal weitergebildet werden.



        Klar ist, nach wie vor, dass wir eine Zuwanderung von 200.000 bis 400.000 Menschen pro Jahr benötigen um die offenen werdenen Stellen nachzubesetzen.



        Ich habe, im Übrigen, schon mit vielen Menschen mit Migrationshintergrund gearbeitet.



        Mein Eindruck ist, dass die Deutschen nicht unbedingt "fleißiger" sind...

        • @Philippo1000:

          Es ging mir nicht darum die Fähigkeiten Migranten ab zu werten. Ich arbeite selbst ehrenamtlich in migrantischen Vereinen. Ich war schon oft in Westafrika. Die Menschen dort arbeiten in der Regel um ein vielfaches härter als bei uns üblich. Es geht mir darum, das auf der einen Seite Flüchtlinge im großen Stiel abgeschoben werden sollen und auf der anderen Seite von Einwanderung qualifizierter Fachkräften die es kaum gibt, geredet wird. Letzt endlich müssen genauso Integrationskurse und Ausbildung/Weiterbildung angeboten werden. Die Gelder für Integrationskurse werden im nächsten Haushalt massiv gekürzt. Noch ein Punkt: es gibt in diesen Ländern außerhalb der Universitäten in der Regel keine Abschlüsse. Ein Freund von mir ist ist KFZ-Mechaniker in Abidjan. Er kann alles reparieren und kennt sich auch mit modernen Fahrzeugen aus, hat aber keinerlei Abschluss. Das ist dort normal, hier aber ein Problem weil es kein Papier mit Stempel gibt. Wie soll das vor Ort geklärt werden und durch wem? Die Menschen sind sehr fleißig und für mich schon immer willkommen.

          • @Andreas J:

            Danke für Ihren Einsatz in migrantischen Vereinen und für Ihre Einsichten , der Arbeitsmarkt/Ausbildungssituation in den afrikanischen Ländern, die sie kennen gelernt haben.



            Da haben Sie mir an Erfahrungen Einiges vorraus.



            Ich habe mich bisher nur auf deutscher Seite mit dieser Thematik, auch praktisch, auseinander gesetzt.



            An der "illegalen Migration" stören mich einerseits die vielen Gefahren, bei denen der Tod nur die Spitze der Pyramide ist.



            Das sollte nicht durch "Legalisierung " aufgewertet werden.



            Auch stößt mich ab, dass eine Schleusermafia am Leid der Menschen verdient.



            Das hat, im Übrigen, ja auch zur Folge, dass sich eine solche Flucht nicht JedEr leisten kann.



            Der Schlepper und wer weiß Wer noch will bezahlt werden. Für diese falschen Entwicklungen braucht es ungefährliche Alternativen.



            "Irgendwo arbeiten zu dürfen" darf nicht den Tod als Risiko beinhalten!



            Das, als Statement für Diejenigen, die versuchen, durch Asyl zu einer Zukunftsperspektive zu gelangen.



            Was Menschen mit Flucht- und Asylgründen betrifft, so bin ich, nach wie vor, der Meinung, dass es eine verdammte Pflicht für Europa ist, Leid aus der Vergangenheit zu lindern.



            Das gilt zuerst für uns Deutsche!