piwik no script img

Linke nach LandtagswahlenAn Bodo lag es nicht

Die Linke schafft den Einzug in die Landtage in Sachsen und Thüringen. Hoffnung machen nur zwei Wahlkreise in Leipzig.

War nicht nach Tanzen zumute: Landesvorsitzende der Linken, Susanne Schaper Foto: Jan Woitas/dpa

Dresden/Berlin taz | Die Randlage des an sich sehr einladenden „Hauses der Begegnung“ HdB im Norden Dresdens schien am Wahlabend mit den Hochrechnungen auf den Bildschirmen zu korrespondieren. Medienvertreter verirrten sich nur wenige in das Domizil der Linken. Wie vorhergesagt, lag sie nach Zweitstimmen aussichtslos unter der Fünf-Prozent-Schranke. Das Endergebnis sah mit 4,5 Prozent dann etwas versöhnlicher aus.

Die Stimmung besserte sich erst im Lauf des Abends, als klar wurde, dass das Wunder von Leipzig der nach dem Abgang des Wagenknecht-Flügels verbliebenen Original-Linken in Sachsen doch den Landtagseinzug beschert. Die Grundmandatsklausel macht es durch den Gewinn zweier Direktmandate möglich.

Das scheint „Jule“ Nagel im linken Leipzig-Connewitz seit langem schon abonniert zu haben. Dass auch der erst 28-jährige Nam Duy Nguyen, Sohn vietnamesischer Vertragsarbeiter der DDR, im Wahlkreis Leipzig 1 mit 39,8 Stimmenprozenten überdeutlich vor der Konkurrenz liegen würde, hat denn auch jene überrascht, die ihm viel zutrauten.

Euphorie kam im Garten und an der Theke im HdB dennoch nicht auf. Landesvorsitzende Susanne Schaper war nicht gerade nach Tanzen zumute. Selbstkritisch, ja schon fast selbstanklagend wie keine andere Parteienvertreterin, trat sie am Montagvormittag vor die Landespressekonferenz. „Das Ergebnis sagt viel über die Lage der Gesamtpartei!“

Es brauche einen inhaltlichen, programmatischen und personellen Neustart. Überzeugungen aber stünden nicht zu Disposition. Den Erhalt von Kitas und Krankenhausstandorten werde man schon in der Septembersitzung offensiv verfechten. Soziales überhaupt, da könne man sich auch in der Krise nicht anpassen. „Wenn ich untergehe, dann mit geradem Rücken“, setzte Susanne Schaper die Pointe.

Etwas Erleichterung

Immerhin habe es bereits am Tag nach der Wahl 40 Neueintritte in die 6 500 Mitglieder zählende Landespartei gegeben. Mit sechs Abgeordneten wird die Linke wahrscheinlich sogar den Fraktionsstatus im Sächsischen Landtag behalten. Am Wahlabend traf man im HdB aber auch auf BSW-Sympathisanten, die das Mitgliedsbuch nicht gewechselt hatten. Von ihnen wurde das meist unbekannte BSW- Personal als „integer“ und von linken Gerechtigkeitsidealen erfüllt verteidigt. „Noch nie war man mit diesen Zielen so dicht an der Macht wie jetzt“, meinte ein Stadtrat.

Am Montag treten im Berliner Karl-Liebknecht-Haus Janine Wissler und Martin Schirdewan, die Bundesvorsitzenden der Linken, vor die Presse. Mit dabei sind die Landesvorsitzenden aus Sachsen und Thüringen, Stefan Hartmann und Ulrike Grosse-Röthig. Wissler und Schirdewan überreichen Blumensträuße an die Landesvorsitzenden. Grosse-Röthig hat in ihrem Wahlkreis in Weimar gewonnen. Die Erleichterung darüber, erneut in beide Landtage einzuziehen, ist unter den Vorsitzenden zu spüren.

Zugleich nennt Janine Wissler die Ergebnisse „alarmierend“. Sie sagt, die Stimmung, die zu einem Rechtsruck geführt habe, gehe nicht nur auf die AfD zurück, sondern auch auf die Rhetorik der CDU sowie der Ampelparteien: Es sei fatal, dass die Migration als Ursache der Probleme, die wir heute haben, dargestellt werde. „Wir haben als Linke im Wahlkampf gemerkt, dass uns der Wind ins Gesicht bläst“, so Wissler. Man wolle aus den Ergebnissen lernen.

Stefan Hartmann sagt, dass die Linke in Sachsen „mit zwei Blauen Augen“ aus diesem Wahlkampf gekommen sei. Dies habe man zwei Ge­nos­s*in­nen in Leipzig zu verdanken. Er spielt auf die Direktmandate von Nagel und Nguyen an. Durch sie kann die Linke in den Sächsischen Landtag einziehen ohne, dass sie die Fünfprozenthürde erreicht hat. Der Einzug verhindere, so Hartmann, dass die AfD eine Sperrminorität erreiche.

Grosse-Röthig fordert, dass die CDU ihren Unvereinbarkeitsbeschluss hinterfragen müsse. Konkrete Lehren aus der Wahl will am Montag noch niemand ziehen. Klar sei aber, so Grosse-Röthig: „Woran es nicht gelegen hat, ist der Spitzenkandidat.“ Bodo Ramelow habe in Thüringen unglaubliche Beliebheitswerte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Nam Duy Nguyen zeigt, wie Die Linke wieder nach oben kommen kann: ein begeisternder Wahlkampf mit einem motivierten Team, nah an den Leuten dran, glaubwürdig (ähnlich wie die KPÖ-Funktionsträger deckelt er sein Gehalt auf 2.500 Euro). Belohnung: mehr Zweitstimmen als vor 4 Jahren und fast doppelt so viele Erststimmen. Ein echter, solider Hoffnungsschimmer für diese Partei im Umbruch.

    Ein, zwei, viele Nam Duys!

    www.sueddeutsche.d...leipzig-1-e928510/

  • "Überzeugungen aber stünden nicht zur Disposition."

    "Wenn ich untergehe, dann mit geradem Rücken. "

    Das lässt für den " inhaltlichen, programmatischen Neustart " nicht viel Gutes ahnen.

    Klingt eher nach Erstarrung.

  • Der halbe Untergang der Linkspartei in Thüringen beweist doch eines- gesetzt den Fall, dass mit Bodo Ramelow als beliebtestem Politiker in Thüringen ja nicht von extrem schlechter Politik der Linken gesprochen werden kann.



    Unter dieser Voraussetzung ist offensichtlich, dass die WählerInnen -wohl nicht nur in Thüringen- keine konkrete Politik oder Programme wählen, auch nicht erfolgreiche der Vergangenheit in der Hoffnung es möge so weiter gehen.



    Sondern Sie wählen Phantasien, Hoffnungen, die ihnen in den Kopf gesetzt werden. Frage: von wem, wie? Wie empfindlich sind die Wahrnehmungen für die Einflüsterungen von Demagogen, neusprech: InfluencerInnen? Offensichtlich sehr empfindlich - denn Höcke muss vom LKW runter nur Floskeln rufen und Märchen erzählen - 30% "fühlen sich verstanden".



    Es wirkt, wie beim Autokauf: Niemand kauft ein Auto nach detailliertem Vergleich von Kosten, Verbrauch und den tatsächlichen Bedürfnissen, von A nach B zu kommen. Sie kaufen die Phantasien aus den Propagandaspots: Easy Listening im Ohr, ansonsten geräuschloses Gleiten im Cabrio durch Italien. Wahlweise neben Bella Hadid oder Leonardo die Caprio.



    Aber Höcke? Was werfen die Leute ein?

    • @Monomi:

      Ich würde genau zu dem umgekehrten Schluss kommen:

      Der Umstand, dass die Leute Ramelow mögen, aber nicht wählen, bedeutet, sie wollen bei einem bestimmten Thema eine bestimmte Politik, die aber Ramelow nicht liefert.

      Wohl nur zwei Themen waren wahlentscheidend: Ukrainekrieg und Migration.

      Bleibt also nicht viel.

      Was Sie Märchen nennen, liefert die Linke ja auch.



      Das ist nicht der Punkt.

      Das Verstandenfühlen klingt bei Ihnen so abwertend.

      Dabei ist das für Politiker ein wichtiger Punkt.

      Krastev meint, die Rechten werden die Politiker werden die Migration normalisieren.

      Er nimmt dazu Meloni als Beispiel, die bei steigenden Migrantenzahlen vermittelt:" Ich verstehe euch ja, aber es geht nicht anders." Die Leute akzeptieren das in Italien.

      Kommt offenbar besser an als "Ihr seid Nazis und Rassisten. "

  • Die Linkspartei verfolgt seit je her - und insbesondere nach Wagenknechts Ausgründung - eine konsequent humanistische, auf soziale Gleichheit ausgerichtete Politik.

    Sie hat keine Grundsätze über Bord geworfen und sie hält daran fest, dass es nicht auf die Herkunft von Menschen ankommt, sondern auf die demokratische Zukunft, die sie gemeinsam mit anderen gestalten wollen.

    Ich habe mich lange schwer damit getan, Linkspartei zu wählen, aber nach den letzten 2 Jahren bin ich überzeugt. (Der Vollständigkeit halber erwähne ich mal meine tiefe Enttäuschung über SPD und Grüne, was Bürgergeld und Migration anbelangt.)

    Wenn ich in Zukunft eine sich zugegeben in schweren Fahrwassern befindende Linke wähle, fühle ich mich nach der Wahl nicht mehr schlecht.

    • @Stavros:

      Würde die Linke wirklich auch gegen alle vorgehen wollen die eben nicht hier mit uns eine "demokratische Zukunft aufbauen wollen", sondern sich an uns und unserer Weltoffenheit vergehen, dann hätte sie in Sachsen noch 30% oder vielleicht sogar 60% und eine AfD oder ein BSW gäbe es nicht.

      Das Erstarken der AfD im Osten ist auch das Versagen der Partei "Die Linke".



      Und wer das wieder auf den Feind allein abwälzt hat scheinbar wirklich noch immer nichts verstanden von den Lektionen der letzten 15 Jahre.

      Den Einzigen den ich ganz deutlich von meiner Kritik ausnehmen möchte ist Hr. Ramelow, der aus meiner Sicht alles gegeben hat um zu verhindern das die Partei nur noch als Sammelbecken junger Wilder ohne Erfahrung und Weitsicht gesehen wird.



      Ihm dafür mein Dank, der Partei meine Kritik.

      • @Thomas O´Connolly:

        Wer wählte früher links und heute AfD?

        Über die Gründe können wir spekulieren, aber ich würde es als gesichert ansehen, dass es sich NICHT um Menschen mit linken Grundüberzeugungen handelt.

        Was man der Partei also vorwerfen kann, ist, nicht klar genug gemacht zu haben, dass eine möglichst gleiche, solidarische und diskriminierungsfreie Gesellschaft im Interesse ALLER ist.

        Dazu kommt aus meiner Sicht ein gewisses Glaubwürdigkeits- bzw. Repräsentationsdefizit:

        Die Amts- und Mandatsträger der Linken sollten wie die der KPÖ einen Großteil ihrer Bezüge spenden und sich mit einem Durchschnittslohn zufriedengeben.

    • @Stavros:

      Für mich auch die einzige wählbare Partei. Jetzt sogar ohne Bauschmerzen wo Wagenknecht und ihr Gefolge weg sind.

    • @Stavros:

      Die Linke setzt sich endlich wieder für alle ein, die den Rechten ein Dorn im Auge sind. Solange Frau BSW dabei war, wurden deutsche Entrechtete bevorzugt. Das war nicht links. Viele Medien, die der Hufeisentheorie anhängen, erklären das BSW trotzdem zu einer linken Partei. Nö. Es ist eine "Frau-Wagenknecht-will-Macht"-Partei. Nun ist die Linke, klein und mutig, auch wieder für die da, die nicht wählen dürfen oder wollen. Eine:r muss es ja tun.

      • @Patricia Winter:

        Sehe ich genauso wie Sie!