piwik no script img

Einschränkungen für GeflüchtetePro Asyl rügt Leistungskürzungen

Die Ampel will das „Sicherheitspaket“ zur Fluchtmigration schnell in den Bundestag einbringen. Verschlechterungen für Dublin-Flüchtlinge geplant.

Verschärfungen treffen immer auch Kinder. Asylbewerberheim in Thüringen Foto: Christoph Twickel

Berlin taz | Vor weiteren Migrationsberatungen von Regierung, Opposition und Ländern zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz Kompromissbereitschaft. „An uns wird es nicht liegen, wenn es nicht klappt“, betonte er am Samstag bei einem Bürgergespräch im brandenburgischen Teltow. Die Ampelkoalition legte vor der für Dienstag anvisierten neuen Gesprächsrunde bereits einen Gesetzentwurf zur Umsetzung ihres Sicherheitspaketes vor.

Die Ampel will unter anderem die Leistungen für Asyl­be­wer­be­r:in­nen streichen, für deren Verfahren ein anderer europäischer Staat nach der Dublin-Regelung zuständig ist und der einer Rücknahme der Betroffenen zugestimmt hat. Sie will Flüchtlinge, die eine Straftat mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Werkzeug begangen haben, einfacher ausweisen. Migrant:innen, die Straftaten begehen, sollen leichter vom Schutz in Deutschland ausgeschlossen werden können. Seinen Schutzstatus soll auch verlieren, wer ohne einen triftigen Grund in sein Heimatland zurückkehrt, etwa für einen Urlaub. Zur Erhöhung der Sicherheit ist vorgesehen, den Umgang mit Messern im öffentlichen Raum weiter einzuschränken.

„Wir haben geliefert“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Wochenende in Berlin mit Blick auf den Gesetzentwurf, der nur gut eine Woche nach der Ankündigung des Sicherheitspakets fertig wurde. Die Ampelkoalition will das Gesetz schnell durch den Bundestag bringen und damit noch vor der Landtagswahl am 22. September in Brandenburg Handlungsfähigkeit signalisieren.

Die Art des Verfahrens beschleunigt die Neuregelungen: Der Gesetzentwurf aus dem Innenministerium ging als Formulierungshilfe an die drei Ampelfraktionen. Diese übernehmen solche Formulierungshilfen üblicherweise und bringen sie dann als eigenen Gesetzentwurf in den Bundestag. Nach dem Grundgesetz müssen Vorlagen der Bundesregierung zunächst dem Bundesrat zugeleitet werden. Dieser Schritt entfällt aber bei Vorlagen von Fraktionen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hält eine erste Beratung der Neuregelungen im Bundestag schon in dieser Woche für möglich.

„Perfide Abschreckungspolitik“

Die Lobbyorganisation für Geflüchtete, Pro Asyl, zeigte sich unterdessen „entsetzt“ über die rasche Konkretisierung des Sicherheitspakets. Pro Asyl ging in einer Erklärung vor allem auf die geplanten Leistungskürzungen für Asyl­be­wer­be­r:in­nen ein, die über einen anderen EU-Staat eingereist sind und deren Rücknahme dieser Staat zugestimmt hat.

Eine Leistungskürzung auf null für diese Gruppe sei „der Versuch einer perfiden Abschreckungspolitik“, kommentierte Wiebke Judith von Pro Asyl. „Landen Asylsuchende nach der Dublin-Ablehnung nun auf der Straße?“ Mit einem kompletten Leistungsausschluss für Dublin-Fälle verstoße die Bundesregierung sehenden Auges gegen das Grundgesetz, hieß es in dem Pro-Asyl-Papier. Zudem scheiterten die meisten Dublin-Überstellungen an den anderen Mitgliedstaaten oder den deutschen Behörden, auch nach der Zustimmung des entsprechenden Mitgliedstaates, erklärte Pro Asyl.

Die Organisation verwies auf Zahlen aus einer kleinen Anfrage der Linken, nach der es im Jahre 2022 rund 69.000 Übernahmeersuchen Deutschlands gab und rund 36.000 Zustimmungen anderer Staaten zur Rücknahme dieser Geflüchteten. Aber nur rund 4.160 Geflüchtete wurden tatsächlich in das EU-Land, in das sie eingereist waren, wieder zurückgebracht. Mehrfach verhinderten Gerichte die Überstellungen wegen erheblicher Mängel in Asyl- oder Aufnahmesystemen anderer Länder oder individueller Gründe.

Die Union will es noch härter

Die CDU/CSU-Opposition hat indessen bereits bei der Präsentation des Sicherheitspaketes Ende August deutlich gemacht, dass sie die darin vorgeschlagenen Maßnahmen für nicht ausreichend hält. CDU-Chef Friedrich Merz verlangt als Voraussetzung für eine Teilnahme der Union an einem weiteren Migrationsgespräch, dass die Ampel der Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze zustimmt (siehe Text rechte Seite).

Für Unmut sorgte eine Mitteilung des niedersächsischen Innenministeriums in der Welt am Sonntag, nach der einige Nicht-EU-Länder, darunter Äthiopien, Somalia, Iran, Jordanien und China, Geflüchtete nur dann zurücknehmen wollen, wenn diese unterschrieben haben, dass sie freiwillig zurückkehren. Damit bürdeten diese Staaten ihre Probleme den europäischen Staaten auf, kritisierte CDU-Innenpolitiker Detlef Seif.

In der Debatte über Abschiebungen zeigt sich der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), unterdessen offen für Gespräche mit den in Afghanistan herrschenden Taliban. „Unverbindliche Sondierungsgespräche könnten eine Option sein“, sagte Stamp der Welt am Sonntag. Der FDP-Politiker mahnte zwar, die Möglichkeit eines direkten Austauschs „sorgsam abzuwägen“. Deutschland habe aber „ein ernsthaftes Rückführungsinteresse“. (mit dpa, epd)

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Dänemark macht es vor ,da regt sich kaum einer auf.

    Wir sollten Dänemarks Asly Politik übernehmen.

  • "Mehrfach verhinderten Gerichte die Überstellungen wegen erheblicher Mängel in Asyl- oder Aufnahmesystemen anderer Länder oder individueller Gründe."

    Das wird dann ziemlich eng, wenn da Menschen ohne Leistungen in Erstaufnahmen rumhängen und nicht wisse, was mit ihnen passiert. Mir fehlt momentan die Phantasie, um mir auszumalen, wie das weitergehen soll bzw. was dann gemacht wird. Ganz besonders wenn die EU-Staaten sowieso das Ganze unterlaufen, also Menschen, die der Anweisung folgen weder einen Wohnheimplatz, noch Verpflegung zur Verfügung stellen und die Menschen sprichwörtlich auf der Straße stehen lassen. Und solche Meldungen kamen ja schon aus den Niederlanden und Belgien. Aus Rumänien sowieso - das müsste zu einem Konflikt der Normen fühen, wenn das ergelhaft passiert, wovon ich ausgehe.

  • "Wir haben geliefert“

    Geliefert hätte die Bundesregierung, wenn sie die Länder beim Ausbau der Kapazitäten der Ausländerbehörden unterstützen würden, damit u.a Arbeitsfähige nicht mehr sechs Monate und mehr auf die Bewilligung ihrer Arbeitserlaubnis warten müssen. Geliefert hätte sie auch, wenn sie Städte und Kommunen bei der Unterbringung entlasten würde und die Wartezeiten für Sprachkurse reduzieren würde. Geliefert hätte sie auch, wenn sie endlich ein praktikables Einwanderungssystem präsentiert hätte.

    Und Respekt hätte sie sich verdienen können, indem sie sich nicht, wie der Kanzler im Sommerinterview, als Asylverschärfer darstellt, sondernsich klar gegen Hetze, Fremdenhass und Ausgrenzung positioniert hätte.

    Diese Chance hat sie wiedereinmal verpasst. So bleibt der Eindruck bestehen, dass derzeit AfD und BSW mit Unterstützung der Bild Zeitung den Regierungskurs bestimmen.

    Nicht geliefert hat sie mit ihrer rein auf Schikanen ausgerichteten Politik. Das Straftäter oder Heimaturlaubende ihren Schutzstatus verlieren kann man in ein Gesetz giessen, ändert an der Sache nichts. Die gesellen sich dann halt zu den über 200.000 Ausreisepflichtigen hinzu. Mehr auch nicht!

    • @Sam Spade:

      "Geliefert hätte sie auch, wenn sie endlich ein praktikables Einwanderungssystem präsentiert hätte."



      Ich denke schon, mit der Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vom Juli 2023 ist das erfolgt.

  • Einfach nur noch menschenverachtend und widerlich was die angeblich so zivilisierten, auf Menschenrechte achtenden Politiker:innen da von sich geben. Der Unterschied zur AfD verringert sich in dieser Frage von Tag zu Tag meht. Pfui!!!!

  • "Mehrfach verhinderten Gerichte die Überstellungen wegen erheblicher Mängel in Asyl- oder Aufnahmesystemen anderer Länder oder individueller Gründe."

    Das muss man die Gesetze auf Ebene Deutschland und EU anpassen. Eine zerfallende EU und ein ruiniertes unregierbares Deutschland hilft niemanden.

  • Das ist ein so unwürdiges und trauriges Spektakel.

    Ich wünsche all diesen Menschen (ja, inklusive der Kläffer, die aus den billigen Rängen anfeuern!) ein paar Fluchterfahrungen. Vielleicht reifen sie dann.