Vorschau auf die nächsten Landtagswahlen: Brandenburg kann es besser
Die Chancen für Ministerpräsident Woidke steigen nun und die AfD hat einen schwereren Stand: 5 Thesen nach den Wahlen für Brandenburg.
Viel spricht für Woidke
Als einzig möglicher Verhinderer eines drohenden Wahlsiegs der AfD der der Brandenburger Landtagswahl am 22. September präsentiert sich SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke. Zwar liegt seine Partei derzeit noch vier Prozent hinter den Rechtsextremen und nur ein Prozent vor der CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Jan Redmann, doch sein Bonus als Amtsinhaber könnte ziehen.
Der seit 2013 amtierende Ministerpräsident ist beliebt, 55 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden, auch setzt er sich geschickt von seiner Partei im Bund ab, etwa indem er sich für eine Verhandlungslösung des Ukraine-Krieges starkmacht und auf Auftritte mit Bundeskanzler Olaf Scholz in seinem Wahlkampf verzichtet. Ob das reicht, sich von der unbeliebten Bundes-SPD abzusetzen, ist jedoch nicht sicher.
Dass seine Strategie trotzdem aufgehen könnte, zeigt ein Blick auf Sachsen, wo sich CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer durchsetzen konnte und dabei vor allem davon profitierte, dass etwa die Hälfte der CDU-Wähler:innen als Motivation angab, einen Sieg der AfD verhindern zu wollen. In Brandenburg setzt Woidke, wie er am Montag noch einmal betonte, ganz auf die Zuspitzung gegen die AfD. „Deutlicher als bislang“ wolle er aufmerksam machen, „wofür diese AfD hier bei uns in Brandenburg steht“. Schon 2019 ging das für Woidke gut. Da lag er in Umfragen vor der Wahl lange hinter der AfD, siegte am Ende aber trotzdem.
Dieses Mal geht Woidke noch mehr ins Risiko: „Wenn ich gegen die AfD verliere, bin ich weg“, sagte er zum Wahlkampfauftakt, auch wenn er dies in den letzten Wochen wieder relativierte. Wähler:innen, die sich eine stabile Regierung wünschen und vielleicht von zähen Verhandlungen, wie sie in Thüringen bevorstehen abgeschreckt sind, könnten ebenfalls zur SPD tendieren. Andererseits: Auch als zweitplatzierte Partei könnte die SPD eine stabile Regierung bilden, womöglich aber mit dem inhaltlich schwer einzuschätzenden Bündnis Sahra Wagenknecht statt wie bisher mit CDU und Grünen. Letztere könnten zur Verliererin des Woidke-AfD-Wahlkampfes werden.
Die Bedingungen für die AfD sind hier schlechter
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Es war schon vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen klar: Die AfD lässt sich nicht bekämpfen, indem Parteien ihre Themen übernehmen. Und indem sie es der rechtsextremen Partei dadurch erlauben, sie in Diskussionen vor sich herzutreiben. Auch in Brandenburg sind die Parteien insgesamt nach rechts gerückt.
Und auch hier liegt die AfD – die der Verfassungsschutz als rechtsextremistischen Verdachtsfall zählt, mit ihrem als rechtsextrem eingestuften Spitzenkandidaten – in Umfragen derzeit vor den anderen Parteien. Allerdings, im Unterschied zu Thüringen und Sachsen: ohne nennenswerte Zugewinne gegenüber ihrem Wahlergebnis von 2019. Momentan dreht sie an der Radikalisierungsschraube, etwa mit ihrem jüngsten haarsträubenden Vorstoß gegen Geflüchtete ein Betretungsverbot für öffentliche Veranstaltungen zu erlassen.
Die Hoffnung liegt in den Details – und darin, dass Brandenburg am Ende doch anders ist. Sachsen oder Thüringen sind beides Bundesländer, die tendenziell Einwohner*innen verlieren. Gerade in den schneller schrumpfenden Landkreisen, in denen die Zahl der Einwohner*innen besonders stark zurückgeht, konnte die AfD viele Stimmen abgreifen. Prognosen zufolge ist Brandenburg dagegen das einzige ostdeutsche Bundesland, das wächst. In fast allen Landkreisen, die direkt an Berlin angrenzen, wird die Bevölkerung zunehmen.
Die BSW-Bäume wachsen nicht in den Himmel
Zufrieden gaben sich am Sonntag die Spitzen vom Bündnis Sahra Wagenknecht, dabei hätte man intern auf noch größere Erfolge geschielt. In Thüringen etwa sahen Umfragen vor der Wahl die Partei fast gleichauf mit der CDU, selbst eine Ministerpräsidentin Katja Wolf schien möglich. Mit 15,8 Prozent war der Abstand nach vorne schließlich doch groß, auch in Sachsen blieb die Partei mit knapp 12 Prozent hinter ihrem bereits gemessenen Potenzial zurück.
Anders als in beiden Ländern, zieht das BSW in Brandenburg, dem zuletzt 17 Prozent prognostiziert wurden, zudem mit einem quasi unbekannten Spitzenkandidaten ins Rennen: Robert Crumbach, ein Ex-Richter mit SPD-Vergangenheit, der politisch bislang aber kaum in Erscheinung getreten ist und der noch nicht einmal über einen eigenen Wikipedia-Eintrag verfügt.
Dass der BSW in einen Vierkampf um den Wahlsieg eingreifen könnte, ist unwahrscheinlich; trotzdem könnte die Partei nach der Wahl zum Machtfaktor werden. Wenn es für eine Neuauflage der Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen nicht reicht, wird auch in Brandenburg eine demokratische Regierungsmehrheit nur mit dem BSW möglich sein.
An den – alten und neuen – Kleinen führt kein Weg vorbei
Die Grundmandatsklausel könnte einigen „wackligen“ Parteien den Einzug sichern: Sie besagt, dass auch eine Partei, die unter 5 Prozent der Zweitstimmen bekommt, trotzdem in den Landtag einzieht – wenn sie ein Direktmandat gewinnt. Die Freien Wähler, die nach Umfragen bei etwa 4 Prozent liegen, könnten ihr Direktmandat in Bernau verteidigen. Den Grünen, die in Umfragen ebenfalls an der 5-Prozent-Marke kratzen, könnte ein Direktmandat in Potsdam den Einzug sichern.
Für die Linke, deren Wiedereinzug laut Umfragen ebenfalls gefährdet ist, könnte sich die Ex-Fraktionschefin Kerstin Kaiser als Anker entpuppen. Die Direktkandidatin in Strausberg, die den Wahlkreis bis 2014 bereits drei Mal gewann, ist nicht über die Landesliste abgesichert. Als ehemalige Leiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau macht sie Wahlkampf mit dem Thema Friedensarbeit.
Auch die Listenvereinigung „Plus“ hofft auf den Sprung über die 5-Prozent-Hürde. Bei der Europawahl hatte allein Volt über fünf Prozent, die Piraten und die ÖDP jeweils gut ein Prozent. Für die Brandenburg-Wahl erhofft sich das Bündnis vom derzeitigen Protestwählerpotenzial abzuschöpfen, könnte aber durchaus auch in den Gefilden von Linken und Grünen wildern. Das durchaus regierungskritische, zugleich aber konstruktive Auftreten ist zumindest der Versuch möglichst breit potenzielle Wähler:innen anzusprechen.
Eine hohe Wahlbeteiligung allein hilft nicht
Der viel wiederholte Aufruf: Geht wählen gegen rechts, denn eine niedrige Wahlbeteiligung macht die Rechten stark – der hat sich in Thüringen und Sachsen nicht bewahrheitet. Hinzu kommt, dass auch unter den jungen Wähler*innen wieder überdurchschnittlich viele rechtsextrem gewählt haben. Drei Wochen immerhin bleiben für Überzeugungsarbeit: Brandenburg ist weder Sachsen noch Thüringen.
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