piwik no script img

Einigung im HaushaltsstreitDer Bundestag soll stopfen

Die Regierung hat lange debattiert und jetzt eine vermeintliche Lösung präsentiert. Doch im Etatplan 2025 gähnt eine Lücke von zwölf Milliarden Euro.

Rechenfuchs hat ausnahmsweise Grün im Rücken: Christian Lindner Foto: Christoph Reichwein/dpa

Die Regierung aus SPD, Grünen und FDP hat ihren Haushaltsstreit teilweise ungelöst an den Bundestag weitergereicht. Der entsprechende Beschluss wurde am Freitagnachmittag veröffentlicht. Immerhin können der Bundestag und der Bundesrat nun beginnen, über das Budget für 2025 zu beraten. Allerdings gähnt im Etatentwurf des Bundeskabinetts ein außergewöhnlich großes Loch: Es ist zwölf Milliarden Euro groß.

In den kommenden Verhandlungen zwischen September und Dezember werden die Haus­halts­po­li­ti­ke­r:in­nen des Bundestages versuchen, die Lücke zu schließen. Da sie knapp drei Prozent des insgesamt 477 Milliarden Euro umfassenden Entwurfs ausmacht, dürfte das allerdings kein leichtes Unterfangen werden. Die Erfahrung zeigt zwar, dass jedes Jahr ein paar Milliarden Euro übrig bleiben, eine gewisse Lücke zwischen zu niedrigen Einnahmen und zu hohen Ausgaben sich also von selbst schließt. Aber ein Loch in der Größe von zwölf Milliarden Euro verschwindet nicht von alleine.

Immerhin können sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) zugutehalten, dass die Lücke in ihrem ursprünglichen Entwurf Mitte Juli noch 17 Milliarden Euro betrug. Man hatte allerdings verabredet, den Fehlbetrag auf rund neun Milliarden Euro zu verringern, bevor das Zahlenwerk dem Bundestag zugeleitet würde. Dazu sollte juristisch geprüft werden, ob die Regierung ein paar Milliarden Euro von der öffentlichen KfW-Bank zurückholen und geplante Zuschüsse an die Bahn AG und die Autobahngesellschaft anders verbuchen könne.

Die Gutachten lagen Anfang August vor. Vor dem KfW-Geschäft warnten die Experten, bei der Autobahngesellschaft waren sie unterschiedlicher Ansicht. Es folgte ein öffentliches Hickhack zwischen Lindner und Scholz. Der Finanzminister meinte, das Autobahn-Geschäft sei zu risikoreich. Scholz hielt es für machbar. Trotzdem scheint Lindner sich jetzt durchgesetzt zu haben.

Das bekommt die Bahn:

So fand sich nur bei der Bahn AG eine Lösung, deren Details die Regierung am Freitag veröffentlichte. Statt eines Zuschusses aus dem Bundeshaushalt 2025 soll die Bahn zusätzliches Eigenkapital von 4,5 Milliarden Euro bekommen. Außerdem wird sie ein Darlehen erhalten. Beides soll unter anderem dazu dienen, Investitionen in die Sanierung der Schienenstränge zu bezahlen. Sowohl das Eigenkapital als auch das Darlehen soll der Bund durch neue Schulden finanzieren, die nach Überzeugung der Regierung aber nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Grund: Den Krediten steht ein Gegenwert in Form zusätzlicher Bundesanteile an der Bahn AG gegenüber.

Mit dieser Umdefinition des ursprünglich geplanten Zuschusses in Eigenkapital kann die Regierung das Haushaltsloch von 17 auf 12,5 Milliarden Euro verringern. Hinzu kommen zwei weitere kleinere Maßnahmen, die rund 500 Millionen Euro erbringen. So konnte man die Lücke auf zwölf Milliarden Euro senken, aber nicht auf neun Milliarden, wie Mitte Juli angepeilt.

„Zu politischer Einigung fehlt der Ampel die Kraft“, kommentierte der Unions-Vize-Fraktionschef Mathias Middelberg. Der Fehlbetrag sei doppelt so hoch wie jener unter der Vorgängerregierung. Christian Görke, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Bundestag, merkte an: „Die Ampel rettet sich mit Tricks in das letzte Jahr der Legislatur.“ Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), kritisierte vor allem Finanzminister Lindner: „Bei diesem Vorgehen kommen erneut Zweifel auf, ob wirklich alle drei Ampelparteien einen erfolgreichen Abschluss des Bundeshaushalts 2025 wünschen oder ob sie die Arbeit der Bundesregierung unterminieren wollen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Also: ich bin janicht allzu oft mit dem DiW einig. Aber diesmal...

  • Es ist, wie bereits mehrfach erwähnt, interessant, wie viele selbsternannte Experten beim Thema Haushalt aus dem Boden sprießen.



    Das entspricht so gar nicht den Pisa Studien.



    Der Autor des Artikels ist hier in keinster Weise gemeint, war er doch der Einzige unter den KommentatorInnen der taz, der die Neuordnung des letzten Bundeshaushalts treffend voraussagte.



    Ich habe mich bisher ja nur mit öffentlichen Haushalten unter 100 Mio. beschäftigt, der gemeine kommunarde ist hier höchstwahrscheinlich deutlich erfahrener.



    Die Situation erinnert mich allerdings an CDU in der Opposition, im kleinen Rahmen aber schwierigen Mehrheitsverhältnissen.



    Die CDU blockierte 6 Jahre lang moderate Steuererhöhungen und forderte Einsparungen, ganz ohne eigene Einsparvorschläge.



    "Den schwarzen Peter" behielten dann die "Entscheider."



    Nach einem Wahlkampf, in dem die CDU Steuererhöhungen kategorisch ausschloß, erhöhte die CDU nach Erlangen der Mehrheit die Grundsteuer, im ersten Corona Jahr, um 40%!



    Das zeigte mir in der ersten Reihe, wie "glaubwürdig und kompetent", die CDU ist.



    Nun kann die CDU im Bundestag ja mal zeigen, wo sie kürzen will. Das könnte interessant werden.

    • @Philippo1000:

      Damit hat sie doch schon angefangen:



      Siehe u.a. "Bürgergelderhöhung zurückdrehen", soll lt. CDU ... Milliarden bringen ! (Urteil Verfassungsgericht spielt dabai keine Rolle !)

      • @Thüringer:

        Das Verfassungsgericht lässt das doch ausdrücklich zu?



        Wenn man Personen die einen Job ablehnen als „Nicht-Bedürftig“ einsortiert, dann kann die komplette Leistung gestrichen werden.



        Diese Möglichkeit hat das Verfassungsgericht ausdrücklich genannt.

  • Jede Famielie muste in Zeiten von steigender Energiepreise und Inflation mehr als 3 % der Ausgaben durch Verzicht einsparen.



    Und so ein Theater vor den 3 Landtagswahlen - da muß sich keiner mehr wundern das die Ampel von den Wählern nicht mehr Ernst genommen wird.

  • Was für ein Blender!

    • @Horst Schlichter:

      Dass die FDP hier wenig leistet, hat niemand anders erwartet, aber zumindest nennt sich Lindnern nicht Kanzlerkandidat. So weit sind die Grünen und die FDP auch nicht mehr von den 5% entfernt, und mit der lächerlichen Nummer, ja man kann ja wirklich schon Arbeitsverweigerung sagen, hätten sie das auch verdient. Jeder Steuerzahler im Land, der so unprofessionell arbeiten würde (und lieber auf Wärmepumpen-Marketing-Tour geht als am Haushalt zu arbeiten), hätte keine Job mehr.

  • So ein Bundeshaushalt bietet viel Raum für demokratisches Diskurstheater, dass durch die, in ihrer heutigen Form jeden Sinn raubende, Schuldenbremse, noch einmal einen Spannungsmoment hinzu bekommen hat. Es geht beim Bundeshaushalt darum, Spekulationen über die zukünftigen Einnahmen mit einer ebenso spekulativen Ausgabenplanung irgendwie zur Deckung zu bringen. Wenn es dann in einem laufenden Haushaltsjahr Abweichungen gibt, dann kann oder muss nachgebessert werden. Das ist die übliche Praxis. Aber es lässt sich so wunderschön skandalisieren, wenn Regierung, Bund oder Staat nicht wie die schwäbische Hausfrau alles auf Heller und Pfennig im Griff haben. Da heißt es dann, der Staat schröpfe den Bürger, weil er unlauterer Gewinne mache oder der Staat werde die (zukünftigen) Bürger schröpfen, weil Steuererhöhungen drohen. Oder kürzer: Die können es nicht!

    Was darüber vergessen wird, ist, dass sich bei Haushaltsdebatten die elitäre Wahldemokratie selber vorführt und dass Wohl und Wille der BürgerInnen nur am Rande eine Rolle spielen und zwar als jeweils zu Recht empörte Interessensgruppen, derer aller Interessen von allen Parteien vertreten werden.

  • Es war doch von Anfang an klar, dass die FDP ein Störfaktor sein würde (auch wenn Herr Scholz ihr näher zu stehen scheint als seiner eigenen Partei). Ich hoffe, dass diese Partei bei den zukünftigen Wahlen die Quittung für ihre unsolidarische Politik bekommt und überall rausfliegt.

  • Würde man mich fragen, ob das Land im Widerspruch zum Amtseid kaputt gelindnert wird, bin ich der Meinung, ja so ist es. Es muss ja nicht fie Koalition zerbrechen, aber ein anderer Finanzminister muss her. Und überall wo diese Partei, zurecht wegen Arbeitsverweigerung und nachhaltiger Schädigung des Landes, den jetzt unvermeidlichen Laufpass vom Souverän bekommen wird, werden wahre Freudenfeste gefeiert werden. Die erhaltenen und zukünftigen zustehenden Bezüge werden priorisiert mitgenommen, aber bei 97% der Bevölkerung kann man dich nicht mehr blicken lassen. Das ist ein Raubzug dieser FDP der Geschichte schreibt.

    • @Thorsten Sippel:

      Fragt sich, wer hier konsequent die Arbeit verweigert. In der Woche, in der der Haushaltsentwurf fertig sein muss, geht Herr Habeck 3 Tage lang auf Selbstvermarktungstour, um seine gescheiterte Wärmepumpenstrategie zu rechtfertigen. Normale Menschen werden zumindest abgemahnt, wenn sie ihr egoistischen Ziele über das Gesamtziel stellen.

      Und was macht Habeck?

      Der Mann sagt diese Woche, er steht bereit als grüner Kanzlerkandidat, und ignoriert seine Pflichten noch schlimmer als der offensichtlich unsichtbare Scholz, dessen Führungsqualitäten noch schlechter zu sein scheinen als sein Gedächtnis.

    • @Thorsten Sippel:

      Das Traurige ist, dass es Menschen in diesem Land gibt, die die Legende des Staats als schwäbischenHausfrau so verinnerlicht haben, dass sie Lindner gut finden.

      • @TOM1976:

        Glauben sie wir hätten die Schuldenbremse nicht, das dann die zusätzlichen Schulden und Wirtschaftsförderung und Infrastruktur gehen würden oder doch eher Konsumausgaben im Sozialstaat und wählergeschenke?