Soldat wegen Vierfachmord vor Gericht: Ein brutaler privater Feldzug

Vier Menschen soll der ehemalige Elitesoldat Florian G. getötet haben – aus Rache an seiner Frau, die ihn verlassen wollte. Nun steht er vor Gericht.

Mehrfachmord in der Idylle: einer der Tatorte Foto: dpa/Sina Schuldt

VERDEN taz | Der Mann, der vier Menschen in einer Art privaten Militäraktion getötet haben soll, schlurft – erzwungen durch die Fußfessel – in den Gerichtssaal und gibt sich keine Mühe, sein Gesicht vor den Kameras zu verbergen. In betont gerader, militärischer Haltung nimmt er zwischen seinen beiden Pflichtverteidigern Platz, beantwortet die üblichen Fragen nach seinen persönlichen Daten mit einem zackigen „richtig“ und schweigt ansonsten.

Aber vor dem Landgericht Verden soll an diesem Mittwoch ohnehin erst einmal nur die Anklage verlesen werden. Die zeichnet noch einmal nach, was in weiten Teilen schon nach den Taten an die Öffentlichkeit gelangte. Wie der Bundeswehrsoldat Florian G. in der Nacht des 1. März sein privates Waffenarsenal sammelte, seine Ausrüstung anlegte und aus der Kaserne in Seedorf zunächst in Richtung Scheeßel fuhr.

Zu dem Haus, in dem sich der neue Lebensgefährte seiner Noch-Ehefrau aufhielt, mit seinen Eltern und seinem sechsjährigen Sohn aus einer vorherigen Beziehung. Wochenlang soll sich Florian G. in seinen Hass auf den Nebenbuhler hineingesteigert haben, nachdem ihm seine Frau mitgeteilt hatte, sich von ihm trennen zu wollen. Dessen Eltern gab er eine Mitschuld, weil sie die neue Beziehung gefördert und unterstützt haben sollen.

Wie eine militärische Aktion

Das Ganze soll geplant gewesen sein wie eine militärische Aktion, sagt die Staatsanwaltschaft. Er soll die Häuser ausgekundschaftet, die Objekte seines Hasses in „primäre“ und „sekundäre“ Ziele unterteilt haben. In dieser Nacht schlug er zu, zuvor hatte er sich in einem Baumarkt in Zeeven eine Spaltaxt besorgt und in einem Getränkemarkt „Freixenet“-Flaschen gekauft, aus denen er vier Molotow-Cocktails bastelte.

Die Frau, die er als erstes erwischte, war in seinen Augen wohl ein „sekundäres“ Ziel. Die 55-jährige Mutter seines Nebenbuhlers lag auf dem Bauch in ihrem Bett und sah ihn nicht kommen. Er tötete sie mit zwei Schüssen in den Hinterkopf, bevor er sich ins Obergeschoss aufmachte, um den neuen Freund seiner Frau zu attackieren. Den verfolgte er durch den Flur und tötete ihn mit zehn Schüssen, während sich der sechsjährige Sohn im Kinderzimmer direkt nebenan befand.

Dann fuhr er weiter. Zum Haus der besten Freundin seiner Frau. Hier – so haben es die Ermittlungsbehörden rekonstruiert – schlug er ein Badezimmerfenster ein, ballerte blind hinein, wie er es in der Häuserkampfausbildung gelernt hatte, stieg dann ein und traf auf die 33-jährige Stephanie K.

Auch Bundeswehr-Material verwendet

Sie war beim Geräusch der Schüsse panisch ins Kinderzimmer direkt neben dem Bad gelaufen, hatte ihre dreijährige Tochter mitsamt der Decke aus dem Bett gerissen und hielt sie im Arm, als der 32-Jährige sich ins Zimmer drängte. Sie soll noch versucht haben auf ihn einzureden, er schoss trotzdem.

Weil das Kind und die Mutter von der gleichen Kugel getötet wurden, gilt dies juristisch nur als eine Tat. Das Kind, so soll er später den Ermittlungsbehörden gesagt haben, war ein Versehen, er habe es nicht wahrgenommen. Die Staatsanwaltschaft glaubt das nicht. Auf dem Weg nach draußen schubst er im Flur die 11-jährige Tochter beiseite, die neben ihrer Mutter im Schlafzimmer geschlafen hatte. Dann wirft er einen „von der Bundeswehr entwendeten Nebeltopf“, wie es in der Anklageschrift heißt, unter das Auto der Familie unter dem Carport und verschwindet.

Er fährt zu einem nahe gelegenen See, an dem er auch seine Frau kennenlernte, trinkt mehrere Biere und telefoniert mit einem Freund. Erst am frühen Morgen stellt er sich, in der Von-Düring-Kaserne in Rotenburg an der Wümme, die gar nicht seine ist.

Warum durfte er die Waffen behalten?

Das Waffenarsenal, dass er bei sich hatte, eine Sig-Sauer-Pistole und ein Schnellfeuergewehr von Heckler & Koch soll nicht aus Bundeswehrbeständen stammen. Und trotzdem entzünden sich an diesen Waffen gleich eine ganze Reihe von Fragen, wie auch die Vertreter der Nebenkläger beim Prozessauftakt noch einmal betonen.

Denn immerhin gab es ja eine Anzeige wegen Bedrohung vor der Tat, sogar eine Gefährderansprache durch die Polizei. Warum durfte der Mann seine Waffen behalten? Warum hat bei der Bundeswehr niemand gemerkt, was sich hier anbahnte? Die Frage, ob sich diese Taten hätten verhindern lassen, beschäftigen die Nebenkläger sehr, sagen die erfahrenen Opferanwälte Steffen Hörning und Helen Wienands. Sie befürchten allerdings auch, dass sie sich wohl nie beantworten werden lässt.

Neun Nebenkläger vertreten die beiden Anwälte. Es sind die unmittelbaren Angehörigen der Getöteten, der Mann, der seine Frau und seinen Sohn verloren hat, die Ex-Partner des getöteten Geliebten und der Freundin, die Kinder, die diesen Wahnsinn miterleben mussten. Die Frau, auf die Florian G.s Rachefeldzug eigentlich zielte, gehört nicht dazu. Sie ist ja kein unmittelbares Opfer und damit als Nebenklägerin nicht zugelassen.

Das Kind, so soll er später den Ermittlungsbehördden gesagt haben, war ein Versehen, er habe es nicht wahrgenommen

Nicht alle Hinterbliebenen sind psychisch in der Lage, sich diesem Prozess auszusetzen, sagen die Anwälte. Sie haben auch die Anklageschrift lieber nicht gelesen, um sich all diesen grausamen Details nicht aussetzen zu müssen. Aber eines wünschen sie sich eigentlich alle: die Höchststrafe. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Eine anschließende Sicherungsverwahrung. Damit der mutmaßliche Täter nie wieder in die Nähe dieser Kinder kommt.

Einige hätten sich auch gewünscht, dass er sich äußert. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hat Florian G. das noch getan. Auch mit einem Gutachter hat er schon gesprochen. Nun verkündet er vor Gericht überraschend, sich vorläufig nicht einlassen zu wollen. „Feige“ fänden ihre Mandanten das, sagt Wienands, die vor allem die Familie des Geliebten vertritt. Das Gericht muss nun andere Teile der Beweisaufnahme vorziehen. Es hat für diesen Prozess 35 Verhandlungstage angesetzt, die sich bis in den nächsten März ziehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.