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Deutsche BahnGeschätzte Fahrpläne

Die Kun­d:in­nen der Bahn leiden darunter, dass in den vergangenen Jahren zu wenig investiert wurde. Jetzt könnten sogar die Ticketpreise steigen.

Die Deutsche Bahn arbeitet weiter hart daran, ihrem Ruf gerecht zu werden Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Berlin taz | Die Pünktlichkeit der Deutschen Bahn lässt zu wünschen übrig. So viel ist bekannt. Im ersten Halbjahr dieses Jahres kamen nur 62,7 Prozent der Züge pünktlich. Ein Jahr zuvor waren es noch 69 Prozent. Das liegt an den zahlreichen Streckensanierungen, die momentan das deutsche Schienennetz überlasten.

Das sind erschreckend schlechte Zahlen. Das erkennen nun auch die obersten Verantwortlichen der Bahn an. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass die Fahrpläne dieses Jahr zwei bis drei Millionen Mal geändert werden müssen, und zitieren einen Aufsichtsrat der Bahn: „Fahrpläne werden nicht mehr gerechnet, sondern nur noch geschätzt“, sagt er.

Die Bahn leidet unter der maroden Infrastruktur, es fehlte jahrelang an Investitionen. Der Investitionsstau beträgt inzwischen 92 Milliarden Euro. „Defekte Weichen, museumreife Stellwerke und eine schleppende Digitalisierung: Unsere Schieneninfrastruktur muss dringend modernisiert und ausgebaut werden“, sagt der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Dazu brauche es eine langfristige und planbare Finanzierung über mehrere Jahre.

1,2 Milliarden Euro Verlust machte der Konzern im ersten Halbjahr 2024. Insgesamt rechnet die Bahn trotzdem mit einem Gewinn für das Jahr 2024. Aus dem neu beschlossenen Bundeshaushalt soll die Bahn 4,5 Milliarden als zusätzliches Eigenkapital bekommen. Außerdem wird sie ein Darlehen erhalten. Die Mittel sollen dazu dienen, das Schienennetz zu sanieren.

Ticketpreise könnten steigen

Jedoch beträgt der Investitionsbedarf laut Verkehrsverbänden jährlich rund 20 Milliarden Euro. Außerdem sagte der Ökonom Jens Südekum der taz vor wenigen Tagen in einem Interview, dass die Lösung unter Umständen dazu führe, dass die Ticketpreise weiter steigen könnten.

Das liege daran, dass die Bahn dem Bund eine Rendite für den Kredit überweisen müsse. Eine Möglichkeit, diese zu erwirtschaften, sei, die Trassenpreise zu erhöhen und damit wahrscheinlich auch die Ticketpreise. Die Bahn wird also nicht nur unpünktlicher, sondern möglicherweise auch noch teurer.

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10 Kommentare

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  • Da zeigt sich wieder die Absurdität der Sparpolitik, denn wenn nicht in die grundlegende Funktionsfähigkeit eines Staates investiert werden kann, geht es zwangsläufig bergab. Die funktionierende Infrastruktur ist ja die Voraussetzung für Wachstum.

  • Ich glaube nicht mehr, dass die DB nachhaltig und auf Dauer zu sanieren oder zu betreiben ist.



    Da müsste als erstes beim Eigentümer (Bund) die Erkenntnis reifen, dass ein Verkehrssystem auf Schienen nicht als renditeträchtiges Unternehmen machbar ist. Eisenbahnfahren gehört zur Daseinsvorsorge d.h. jeder Mensch soll es sich leisten können, in für moderne Verhältnisse annehmbarer Zeit und Weise von A nach B zu kommen:



    >>Hier müsste zunächst das Management ausgewechselt und mit Bahnfachleuten besetzt werden.



    Die DB besteht angeblich aus rund 600 Tochterunternehmen:



    >>Viel Arbeit für die neuen Chefs, das aufzudröseln und in eine handhabbare Form zu bringen.



    Fahrplantechnisch das Reelle und Nötige machen, heißt:



    >>Vmax 200 km/h. Etwas längere Fahrzeiten, dafür pünktlich.



    >>Züge in Werkstätten nicht nach einer Art Triage behandeln, sondern an allen "Gruppen" gleichzeitig arbeiten: Technik, Service, Sauberkeit.



    Ob das Streckennetz soweit ruiniert ist, dass es nur noch durch Sperrungen wieder aufgebaut werden kann, weiß ich nicht. "Bauen unter dem rollenden Rad" ist eigentlich überall üblich.



    Eine neue oder grundsanierte Strecke muss 30-35 Jahre - bei guter Pflege - halten.

  • Geschätzte Fahrpläne - und die DB Chefs kassieren dafür noch dicke Boni. Ist das Dummheit, Unvermögen, Raffgier, Ahnungslosigkeit, ... ? Keine Ahnung, aber wer Ehre hat, sollte zurücktreten und das Geld zurückgeben. Aber wer hat das schon in Politik und in den Chefetagen?

    • @Frank Burghart:

      "Geschätzte Fahrpläne - und die DB Chefs kassieren dafür noch dicke Boni."

      Die Aussage zeigt eher, dass die Aufsichtsräte nicht viel Ahnung haben. Baustellenfahrpläne wurden schon "geschätzt", als die noch mit Tuschestift gezeichnet wurden und der Bundesbahnpräsident als Beamter besoldet war. Da hat man mit dem Lineal eine neue Weg-Zeit-Linie gezeichnet und die abgelesene Zeit etwas nach vorne gezogen, damit der Kunde rechtzeitig am Bahnsteig steht. Das nannte man irgendwann "qualifizierte Schätzung" - und so heißt das auch heute noch.

      Dass jetzt - notwendigerweise - das ganze Netz immer mehr zu einer großen Baustelle wird, während die Mitarbeiter in den Fahrplanabteilungen (unter heimlichem Applaus einer gewissen "Gewerkschaft") seit Jahren verheizt werden, macht die Lage nicht besser. Aber selbst wenn nicht ein Drittel der Mitarbeiter spätestens zum Ende der Probezeit weg wären: in welcher Zeit ein ICE auf einem massiv überlasteten Netz von Hamburg nach Bsel kommt, lässt sich kaum für jeden Tag berechnen - erst recht, wenn er dabei durch 8 bis 9 Baustellen kommt, von denen im Schnitt alle 10 Tage bei mindestens einer die Lage oder das betroffene Gleis ändert.

      • @FriedrichHecker:

        Es war von mir vereinfacht formuliert.



        - Das Problem der Baustellen gibt es seit Beginn der Eisenbahn. Allerdings wurde die Infrastruktur seit der "Privatisierung" der DB vorsätzlich so vernachlässigt, dass heute keine geeigneten Fahrplanprognosen mehr gemacht werden können. Und für diese vorsätzliche Vernachlässigung sind nun einmal die Bahnoberen zuständig, welche das Geld verteilen!



        Und für einen Finanzheini wie Lutz ist es natürlich interessanter eine "Generalsanierung" auf Kosten des Bundes zu machen als die Infrastruktur laufend auf eigene Kosten instand zu halten. Es wurde immer und überall auf das Geld geschaut, nur nicht bei den eigenen Boni und bei den weltweiten Einkäufen von Firmen, welche mit der Eisenbahn in Deutschland nichts zu tun haben. War es Mehdorn oder ein anderen bei Daimler mit der Welt-AG gescheiterter Manager, welcher es dann mit "Staatsgeldern" bei der DB AG erneut versucht hat.



        Und Fakt ist auch, je teurer ein Projekt der DB AG wird, umso mehr bekommt die DB AG als sogenannten Planungskosten (berühmtes S21, ähnlich in München, ...).



        Der normale Eisenbahner muss ausbaden, was die Nichteisenbahner in der Eisenbahnchefetage falsch machen

        • @Frank Burghart:

          Im japanischen Netz gibt es eigentlich nie Fahrplanänderungen aufgrund Baustellen. Die passieren jede Nacht. Die gleisausbesserungsteams sind verteilt über das gesamte Netz und pflegen die Schienen jeden Tag. Hier undenkbar aber warum. Warum kann man nicht laufend die Anlagen prüfen und reparieren.

  • 92 Milliarden!? Das schreit ja nach einer Zeitenwende ;-) Inzwischen leistet die Bahn nicht mehr nur noch nichts, sie verkompliziert einem auch noch den Tag indem sie lügt. Mir wurden 2 Sonntage erfolgreich von der Bahn versaut, weil selbst 30 Minuten nach offizieller Abfahrt in der App angezeigt wurde der Zug sei pünktlich (abgefahren). Am Bahnsteig gab es auch keinen Hinweis auf der Anzeigetafel und nach 35 Minuten kam eine Durchsage, dass der Zug entfällt (wie auch der davor, aber da wurde man immerhin vorher informiert.) Ich bezahle das Deutschlandticket jeden Monat. Wäre fair, wenn ich den Preis auch nur dann entrichten müsste, wenn mit grad danach ist.



    Aber solche Geschichten sind ja keinen Aufreger mehr wert. Was mich aber immer noch maßlos aufregt: warum laufen eigentlich sämtliche Verkehrsminister der vergangenen 30 Jahre noch frei rum? Wie ist denn zu rechtfertigen, dass die Probleme so lange keinem aufgefallen sind? Wie lautet denn die Jobbeschreibung für diesen Posten? Ich glaub auf dem Niveau kriege ich das auch hin, sofern ich meine Katze als Beraterin anstellen darf...

  • Wer hätte von Wissing ernsthaft etwas Anderes erwartet...?!

  • "„Defekte Weichen, museumreife Stellwerke und eine schleppende Digitalisierung"

    Wieso denn Digitalisierung? Um via digitalen Kauf oder Fahrkartenkontrolle eine halbe Stelle pro Bahnhof zu sparen? Damit werden die Züge ganz sicherlich pünktlicher.



    Es scheint, hier wird wieder einmal auf ein bequemes Nebenthema abgelenkt...

    Nebenbei



    "Die Vergütung des Bahnvorstandes, insbesondere die von Lutz, erfuhr 2023 ein großes Medienecho.[26] Lutz erhielt 2022 eine feste Vergütung von 0,968 Millionen Euro und eine variable Vergütung von 1,261 Millionen Euro.[27] Zwar seien die Ziele für „Pünktlichkeit“ und „Kundenzufriedenheit“ verfehlt worden, jedoch diese mit erfüllten und übererfüllten Zielen verrechnet worden.[28]"



    aus Wikipedia

    • @Werner2:

      Dabei dürfte es eher um die Digitalisierung der Stellwerke usw. gehen als um irgendwelche Apps.