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Ökonom über Bundeshaushalt„Nicht was wir bräuchten“

Die Haushaltseinigung der Ampel könnte der Wirtschaft schaden, kritisiert Ökonom Jens Südekum. Sogar die Bahnpreise könnten deshalb steigen.

Könnten durch die Haushaltstricks der Ampel noch teurer werden: Fahrten mit der Deutschen Bahn Foto: Arnulf Hettrich/imago
Hannes Koch
Interview von Hannes Koch

taz: Herr Südekum, mit Mühe hat sich die Regierung auf den Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Allerdings fehlen immer noch zwölf Milliarden Euro. Werden die Haushaltspolitiker der Koalition im Bundestag dieses Loch schließen können?

Jens Südekum: Dort stößt der Haushaltsplan des Kabinetts verständlicherweise auf Unzufriedenheit. Denn der Fehlbetrag liegt mit 2,5 Prozent des Etatvolumens höher als normal. Andererseits soll man das nicht überdramatisieren. Einige Bundesländer arbeiten mit höheren Fehlbeträgen. Außerdem gibt es das Kontrollkonto. Aus den guten Jahren schlummern dort 49 Milliarden Euro.

taz: Welches Kontrollkonto meinen Sie?

Südekum: In den Jahren der Haushaltsüberschüsse vor der Coronapandemie hat der Bund die Schuldenbremse übererfüllt. Diese Beträge wurden einem Kontrollkonto gutgeschrieben. Mit diesem Guthaben ließen sich einige Milliarden Euro verrechnen, wenn die Haushaltslücke am Jahresende 2025 etwas größer ausfallen sollte als geplant. Allerdings stellte das wieder einen Präzedenzfall mit gewissen juristischen Risiken dar.

taz: Nun läuft eine Diskussion darüber, dass die Regierung dieses und nächstes Jahr kein zusätzliches Geld mehr aufbringen könne, um die Ukraine mit Waffen zu unterstützen. Deutsche Sparsamkeit, ein Vorteil für den russischen Angriffskrieg?

Im Interview: Jens Südekum

Jens Südekum

ist Professor für internationale Wirtschaft an der Universität Düsseldorf und sitzt im Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums. Südekum ist SPD-Mitglied.

Südekum: Diese Debatte hat mit der jüngsten Einigung über den Haushalt nichts zu tun. Finanzminister Christian Lindner (FDP) teilte dem Verteidigungsministerium schon früher mit, dass zunächst keine weiteren Haushaltsmittel vorhanden seien. Allerdings haben sich die Staatengruppe der G7 und die EU verständigt, der Ukraine 50 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, indem sie die Zinserträge des eingefrorenen Auslandsvermögens der russischen Zentralbank nutzen. Das ist ein guter Plan, der auch auf dem Weg zu sein scheint.

taz: Außerdem wird kritisiert, dass die Regierung der Bahn AG statt Baukostenzuschüssen Eigenkapital und Darlehen geben will, weil diese Finanzierung nicht unter die Schuldenbremse falle. Dadurch könnten die Fahrpreise steigen, lautet die Befürchtung. Wie sehen Sie das?

Südekum: Diese Sorge ist berechtigt. Lindner hat sich auf den letzten Metern damit durchgesetzt, der Infrastruktur-Tochter der Bahn AG 4,5 Milliarden Euro in der Form von Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Dafür muss das Unternehmen dem Bund eine Rendite überweisen. Eine Möglichkeit, diese zu erwirtschaften, besteht darin, die Trassenpreise anzuheben, was auch zu höheren Preisen für Fahrkarten und Fracht führen kann.

taz: Der geplante Bundeshaushalt ist an vielen Stellen knapp. Reduziert das die Möglichkeiten, angemessen auf die wirtschaftliche Stagnation zu reagieren?

Südekum: Einerseits handelt es sich nicht um ein echtes Sparbudget. Im Vergleich zu diesem Jahr sollen die Ausgaben nur von 489 auf rund 480 Milliarden Euro sinken. Andererseits ist das auch kein Haushalt, wie wir ihn bräuchten. Alleine um die Inflation auszugleichen müssten die Ausgaben um die 500 Milliarden Euro betragen. Der Etat wird also restriktiv wirken, er gibt keinen konjunkturellen Impuls. Und die großen Investitionsbedarfe des Landes – Infrastruktur, Klima, Bildung – sind nicht annähernd abgebildet.

taz: Trägt die Ampel dazu bei, dass die schlechte Laune in der Wirtschaft zunimmt und aus der Stagnation eine Krise wird?

Südekum: In vielen Punkten arbeitet die Ampelregierung geräuschlos und gut zusammen. So beschleunigt sie Genehmigungsverfahren und erleichtert älteren Beschäftigten länger zu arbeiten. Aber die permanenten Streitigkeiten in allen Finanzfragen bleiben niemandem verborgen. Im Ausland fragen sich viele, was mit den Deutschen los ist, die sonst für ihren Pragmatismus bekannt sind. Und das alles nur wegen der Schuldenbremse, einer Regel, die es in der heutigen Form nach der nächsten Bundestagswahl wohl nicht mehr geben wird. Diese Finanzdebatte beschädigt auch die Wirtschaft. Unternehmen können zum Beispiel nicht sicher sein, ob Förderprogramme kurzfristig wieder gestoppt werden, weil plötzlich kein Geld mehr da ist.

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12 Kommentare

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  • Deutschland hat bei Schulden sicherlich noch Luft. Allerdings ist das auch kein Allheilmittel, denn für 100 Mrd. aufgenommene Schulden werden über 20 Jahre jedes Jahr so 6 Mrd. € für Zinsen und Tilgung fällig. Ohne großes Wachstum werden schnell weitere Finanzbedarfe entstehen, die dann wieder über Schulden, Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen erbracht werden müssen. Insofern ist yLindners Abbremsen nachvollziehbar.

    • @Eckhard Hanseat52:

      Lindner bremst nicht Schulden ab (dagegen wäre nichts zu sagen!), sondern verhindert eine solide Einnahmeseite des Staates um seine Lobbys zu bedienen. Ich fordere noch nicht einmal Steuererhöhungen, sondern einfach die Durchsetzung der jetzt geltenden Steuergesetze. Heisst Eintreiben aller ausstehenden Steuern.



      Das passiert mitnichten.



      Sondern wird (durch absichtliche Unterfinanzierung der Steuerbehörden) auf Bundes und Landesebene sogar forciert.



      Warum schnallt das keiner. Warum schlucken das Grüne und spd einfach seit Jahren.



      Warum wird bereits das als Steuererhöhung geframed?



      Ich rede seit Jahren gegen den Wind.



      Und habe sehr wenig Hoffnung.

  • Echt schade. Da war die Ära Merkel endlich vorbei, die ganzen verschleppten Investitionen, die verschleppte Energiewende etc.

    Und dann hatten die Millionen der Industrie doch noch die FDP stimmstärker gemacht, als es für Deutschland gut war. Spätere Generationen werden Lindners seltsame Volten erst recht nicht verstehen.

  • Im Konjunktiv?



    Jeder weiß doch das zu viel nicht im nötigen Maß finanziert wird dank der aus der Zeit gefallenen Schuldenbremse. Insbesondere die Stabilität der Demokratie wird nicht finanziert. Fragt bitte mal Herrn Lindner was wirkungsorientiertes Regieren ist.



    newforum.org/die-b...rei-monate-danach/

    • @Thorsten Sippel:

      Man darf sich da gern mal festlesen. Ich vermisse Flassbeck, bin aber sehr oft d'accort.

      Irgendjemand muss dem Wahlvolk mal erklären, dass "Staatsschulden" zunächst nichts schlimmes sind.

    • @Thorsten Sippel:

      Die Schuldenbremse ist nicht aus der Zeit gefallen. Sie wurde eingeführt damit Populisten nicht alle Anliegen mit immer noch mehr Schulden finanzieren können. Allerdings hatten wir die Bremse nur geplant um unsere südeuropäischen Freunde an die Kandarre zu nehmen. Jetzt wo es uns selbst in viel geringeren Ausmaß betreffen könnte, soll sie aber sofort zur Disposition stehen. Die Außenwirkung wäre verheerend.

      • @Šarru-kīnu:

        So einfach geht es aber nicht, Populisten zu zähmen, sozusagen nach Rezept.



        Die werden schon Wege drum herum finden und die Demokraten werden sich daran halten. Das wirkt dann kontraproduktiv.

        • @Grauton:

          Die Griechen denen ja durchaus eine gewisse Neigung zur kreativen Buchführung nachgesagt wird, haben keinen Weg daran vorbei gefunden. Was haben wir unseren Partnern für krasse Sparprogramme aufgezwungen, aber bei uns selbst steht schon bei der kleinsten Unannehmlichkeit alles zur Disposition? In Griechenland hatten binnen eines Jahres alle Haushalte im Schnitt 30% Einkommen verloren und von Schäuble kam nur ein Njet. Machen wir doch erstmal Rentenkürzungen etc. so wie wir es den Griechen abverlangt haben. Wäre nur gerecht.

          • @Šarru-kīnu:

            Ich verstehe Ihr Sentiment, da ich auch die Kürzungen in Griechenland so nicht unterstützt habe.



            Daraus aber die Schlussfolgerung zu ziehen, es ab jetzt und überall so zu machen finde ich falsch.



            Allgemeine Rentenkürzungen ist hier doch auch nur ein Whatsaboutism.



            Dann schon eher über Vermögensverteilung sprechen, einschließlich Rentnern und Pensionären.

          • @Šarru-kīnu:

            Rentenkürzungen?



            Sie verwechseln das was.



            Sie müssen Pensionskürzungen gemeint haben.

  • Das die Bahnpreise vielleicht steigen ist doch nicht schlimm. Das stört unseren verehrten Verkehrsminister Wirsing nicht. Hauptsache die Benzinpreise steigen nicht, gelle.

  • Schuldenbremse weg - jetzt!