Klimawandel im Klassenzimmer: Hitzefrei komplizierter als gedacht

In Niedersachsen ist nicht verbindlich festgelegt, wann es zu heiß ist. Es wäre aber Zeit, sich Gedanken über Hitzeschutz im Klassenzimmer zu machen.

Für Lehrer und Eltern ein organisatorischer Alptraum: Hitzefrei in der Grundschule Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Eine landesweit einheitliche Regelung fürs Hitzefrei hat Matteo Feind vom Landesschülerrat Niedersachsen gerade gefordert. Irgendwie logisch, dass die damit jetzt um die Ecke kommen, immerhin müssen die armen Schü­le­r:in­nen hier dank des frühen Ferientermins den gesamten August in der Schule verbringen. Und tatsächlich gibt es in Niedersachsen – wie in den meisten anderen Bundesländern – keine verbindliche Festlegung, ab wann Schulleitungen ein Hitzefrei ausrufen müssen. Es gibt nur ein paar grundsätzliche Regelungen per Erlass, was dabei zu berücksichtigen ist.

Aus Schülerperspektive ist das natürlich unfair: Denn wenn der Rektor oder die Rektorin das allein entscheidet, sind ja der Willkür Tür und Tor eröffnet. Möglicherweise wird ein übergewichtiger älterer Herr, dem die Hitze selbst auf die Pumpe drückt, ja ein ganz anderes Empfinden haben, ab wann der Unterricht „erheblich beeinträchtigt“ ist, als die drahtige Triathletin, die sich gerade für den Ironman angemeldet hat.

Aber in Wirklichkeit gibt es an den meisten Schulen natürlich irgendeinen Gesamtkonferenzbeschluss, der festlegt, wann und wo die Temperatur gemessen wird und wann die zu hoch ist.

Ich erinnere mich, dass es das an meiner Schule auch gab. An bestimmten Tagen umkreisten die Schülervertreter das Thermometer nach der ersten großen Pause mit wachsamem Blick – wenn es mehr als 27 Grad anzeigte, stürmten sie schon einmal los und trompeten triumphierend „Hitzefrei“, lange bevor der Gong kam und die Stimme des Schulleiters aus den Lautsprechern dasselbe verkündete.

Für Schulen und Eltern organisatorischer Albtraum

Uns erschien das damals alles ganz easy, aber für Schulen und Eltern ist das ein organisatorischer Albtraum. Da müssen die Erziehungsberechtigten informiert werden, der Schulbusverkehr umorganisiert, Aufsichten und Notbetreuung gewährleistet sein.

Man fragt sich, was eigentlich mit den Lehrern ist: Greift denn da keine Arbeitsstättenverordnung?

Und ausgerechnet bei den Schülern, die man problemlos nach Hause schicken könnte, weil sie keine Daueraufsicht mehr brauchen und in der Lage sein sollten, eigenständig zu lernen, auch wenn sie dabei die Füße in den Baggersee halten – ausgerechnet bei den Oberstufenschülern also gibt es gar kein Hitzefrei. Als ob 17-jährige Gehirne bei 30 Grad nicht auch weichgekocht würden. Auch das findet der Landesschülerrat nicht ganz zu Unrecht unlogisch.

Und man fragt sich natürlich auch, was eigentlich mit den Lehrern ist. Greift denn da keine Arbeitsstättenverordnung? Egal, wie man zu dieser Berufsgruppe steht: Man möchte die doch nicht vor der ganzen Klasse kollabieren sehen.

Aber auch hier steckt der Teufel im Detail: Denn die entsprechenden Verordnungen formulieren ja erst einmal Empfehlungen und keine strikten Richtlinien. Da ist der Arbeitgeber gefordert, Abhilfe zu schaffen: für Schatten, Belüftung und Wasser zu sorgen, Arbeitszeiten zu verlegen, Dinge dieser Art. Da wären natürlich auch wieder die chronisch klammen Kommunen gefragt, die als Schulträger für die Gebäude zuständig sind. Wer sich an die endlosen Debatten um nicht zu öffnende Fenster und Luftfilter in der Corona-Pandemie erinnert, freut sich schon jetzt auf das, was da noch kommt.

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