Greenpeace-Aktivistin vor Borkum: „Ich habe Hoffnung“

Uli Beck sitzt mit Unterbrechungen seit Montag auf einer Rettungsinsel in der Nordsee um Gasbohrungen vor Borkum zu verhindern. Wie fühlt sich das an?

Offenes Meer. Im Vordergrund eine orangefarbene Rettungsinsel, die ein bisschen aussieht wie ein schwimmendes Zelt. Darin sitzen zwei Menschen in rot-schwarzen Anzügen. Eine von beiden hat ein klobiges Mobiltelefon in der Hand. Im Hintergrund ein riesiges Kranschiff.

Uli Beck (links) im Gespräch mit der taz. Im Hintergrund das Kranschiff von One-Dyas Foto: Chris Grodotzki/Greenpeace

Hamburg/Borkum taz Uli Beck ist 52 Jahre alt und schon seit 20 Jahren ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv. Für den Protest vor Borkum ist sie extra aus Tübingen angereist. Der taz hat sie am Telefon berichtet, wie der Alltag im schwimmenden Protestcamp aussieht. Trotz Satellitentelefon bricht sie Verbindung auf hoher See während des Gesprächs immer wieder ab. Ein Protokoll.

Es ist Donnerstag, neun Uhr morgens. Vor zwei Stunden bin ich mit der neuen Schicht auf das schwimmende Protestcamp gekommen. Am Montag war ich bei der ersten Schicht dabei, als wir das Camp aufgebaut haben.

Momentan ist hier schönes Wetter. Sonne und ein bisschen Wolken. Von hier aus sehe ich eine weitere Rettungsinsel und auch eins unserer Sicherheitsboote. Vor mir sehe ich den Windpark und im Rücken habe ich das Kranschiff. Ich finde die Symbolik sehr schön: Das Kranfahrzeug im Rücken, steht für mich für die Vergangenheit und die fossilen Energien. Der Windpark vor mir ist ein Symbol für die Zukunft und die erneuerbaren Energien.

Wir haben momentan ganz schön Wellengang, aber es ist noch ein angenehmes Schaukeln. Teilweise sind die Wellen aber auch so groß, dass die Sicht auf die anderen zwei Rettungsinseln verdeckt wird.

Schwimmende Zelte auf der Nordsee

Die Rettungsinseln, auf denen wir sitzen, sehen ein bisschen aus wie schwimmende Zelte. Die sind normalerweise für die Seenotrettung gedacht. Jede der Rettungsinseln ist mit zwei Ak­ti­vis­t*in­nen besetzt, um hier unseren Protest zu zeigen. Das Zelt kann man bei starkem Seegang auch zumachen, damit kein Wasser reinkommt.

Die Rettungsinseln stehen auch symbolisch für die Rettung des Klimas. Wir sind klar dafür, dass diese Bohrungen nicht stattfinden können. Zu Zeiten der Klimakrise können wir uns das überhaupt nicht leisten.

Wir nehmen uns immer Brote, Obst und Snacks mit. Damit können wir uns ganz gut den Tag über versorgen. Wasser ist natürlich ganz wichtig, wenn wir hier so lange auf See sind. Wir versuchen, viel zu trinken. Man muss einfach spüren, was man gerade braucht. Pinkeln ist hier eine Herausforderung, aber wir kriegen das hin. Wir haben da Wege gefunden, das zu tun – zum Beispiel über Windeln.

Wir haben zwei Safety-Boote, die immer da sind und auch gucken, ob es den Ak­ti­vis­t*in­nen gut geht. Den Kontakt zum Festland und untereinander halten wir über Funk.

Die Schichten sind zehn Stunden lang. Wir unterhalten uns viel, tauschen uns aus, erzählen uns ein bisschen aus unserem Leben. Manchmal spielen wir auch Spiele. „Ich sehe was, was du nicht siehst“ ist ein bisschen schwierig hier, zumindest was die Farbe Blau betrifft. Aber gestern haben wir das mal versucht. Zwischendurch schlafen wir auch. Die Fläche ist schon begrenzt, ungefähr so groß wie ein Einzelbett für zwei Aktivist*innen. Aber die Wellenbewegung macht einen müde. Man kommt hier ganz gut durch den Tag.

Überlebensanzüge für alle

Solange wir hier sind kann das Kranfahrzeug nicht diese Produktionsplattform einrichten.

Wir haben alle Überlebensanzüge und eine Rettungsweste an. Falls wir ins Wasser fallen, haben die Anzüge einen gewissen Auftrieb und halten auch trocken. Die Rettungsweste würde, wenn wir direkten Wasserkontakt haben, einfach aufploppen, damit der Kopf über Wasser bleibt.

Die Überlebensanzüge sind warm, eng und groß. Es sind große Gummistiefel dran. Man ist sehr unbeweglich und steif. Ich bewege mich wie ein Walross. Aber natürlich haben die Anzüge einen Sinn, und wenn es zu warm wird, kann man sie auch öffnen und Luft reinlassen.

Je nach Strömung wechselt unsere Sicht. Wir haben in dem Zelt eine offene Seite. Nach einer gewissen Zeit dreht sich die Insel und wir haben dann immer wieder einen neuen Blick. Diese Aussicht ist einfach wunderschön. Wir sehen hier auch Seevögel. Der schönste Moment war, als am Mittwoch ein Seehund aufgetaucht ist. Sein kleiner Kopf kam immer mal hier zwischen den Rettungsinseln hoch. Das war wirklich schön. Es hat mir aber auch die Verletzlichkeit dieses Gebiets gezeigt.

Zum einen ist es hier oft sehr meditativ, weil es hier draußen so schön ist. Auf der anderen Seite wird es jetzt gerade spannend, weil nachher die Gerichtsverhandlung stattfindet. One-Dyas, der Betreiber der geplanten Gasbohrplattform, geht gerade gerichtlich gegen unseren Protest vor.

Es hat mich sehr berührt, hier herzukommen, weil ich es extrem wichtig finde, dass das Vorhaben hier gestoppt wird. Es kann nicht sein, dass die das jetzt hier doch machen. Wir sehen und spüren die Auswirkungen der Klimakrise ja schon jetzt in Deutschland – etwa durch die ganzen Wetterextreme.

Protest gegen geplante Gasbohrplattform

Ich komme aus Süddeutschland. Hier sind auch Menschen, die aus Dänemark, Holland und Schweden kommen, um den Protest und das Protestcamp zu unterstützen, sodass wir auch lange vor Ort bleiben und ein Zeichen setzen können. Solange wir hier sind, kann das Kranfahrzeug nicht diese Produktionsplattform einrichten.

Hätten diese Proteste in den letzten Wochen und Monaten – auch durch die Bevölkerung auf Borkum – nicht stattgefunden, dann wäre das ganz einfach gebaut worden. Dadurch, dass das immer wieder gestoppt wurde und immer wieder Gerichte darüber entscheiden mussten, hat sich gezeigt, dass das nicht einfach so durchgeht. Deswegen habe ich auf jeden Fall Hoffnung, dass wir das hier noch stoppen können.

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