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Demonstration nach „Compact“-VerbotIslamisten stützen Rechtsextreme

Die Solidarität für das verbotene rechte „Compact-Magazin“ ist groß, auch über die Milieugrenzen hinweg. In Bremen gehen Islamisten auf die Straße.

Hinter einem Schild dieser Art könnten auch Islamisten stehen: Demo gegen das Compact-Verbot am 19. Juli in Dresden Foto: Sebastian Kahnert/dpa

D as „Compact-Magazin für Souveränität“ erfreut sich großer Solidarität. Nachdem das Verbot des rechtsex­tremen Netzwerks um den Publizisten Jürgen Elsässer durch das Bundesinnenministerium vor neun Tagen bekannt wurde, fanden viele Aktion statt. In Bremen ging am Freitag eine Gruppe von Muslimen auf die Straße. „Compact Verbot = Zensur“, „Totalitäre Regierung“ und „Muslime gegen Compact-Verbot“ stand auf den selbst gemalten Plakaten der Frauen und Männer.

Der religiöse muslimische Influencer ­Huseyin Özoğuz soll die Solidaritätsbekundung angestoßen haben. Das ist leider keine Überraschung: Rechtsextreme und Islamisten können sich in ihren traditionellen Vorstellungen durchaus nahe stehen – und auch weitere Ideen teilen. So hat Huseyin Özoğuz auf seinem Youtube-Kanal „Actuarium“ bereits vor dem „zerstörerischem Feminismus“ und dem „Homo-Kult“ gewarnt und dem AfD-Hardliner Hans-Thomas Tillschneider eine Plattform gegeben.

Die Aktion von Huseyin Özoğuz in Bremen ist auf der Website „Muslim Markt“ dokumentiert. Betreiber der Seite ist Yavus Özoğuz, der Vater von Huseyin Özoğuz. Das Webangebot leitet der Vater von Delmenhorst aus, das angebunden Forum betreut der Sohn mit.

Hier schreibt Vater Yavus Özoğuz, warum auch er sich „über das Compact-Verbot nicht freuen kann“. Zwar sei das Magazin „eine der islamfeindlichsten Publikationen Deutschlands“, doch kenne er dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer „seit über zwölf Jahren“.

Özoğuz berichtet in dem Beitrag, 2012 mit einer „bunt gemischten Reisegruppe“ von „deutschen Intellektuellen“ in die Islamische Republik Iran gereist zu sein. Mit dabei: Elsässer. Weil Yavus Özoğuz eine Privataudienz beim damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad für die Gruppe organisieren konnte, sei er „mit Jürgen per Du!“.

In diesem Milieu wird nicht erst seit dem Terroranschlag der Hamas die vermeintliche Holocaustindustrie beklagt

Eine Aufnahme zeigt Yavus Özoğuz und Jürgen Elsässer links und rechts an der Seite von Ahmadinedschad, der zuvor die Schoah als „große Lüge“ bezeichnet hatte. In diesem Milieu wird nicht erst seit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres der sogenannte „Schuldkomplex“, die vermeintliche „Holocaustindustrie“ und die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson beklagt. Der Antisemitismus eint hier, was sonst nicht vereint sein muss.

Zwar habe die Verlesung einer Grußbotschaft des radikalen Antiislamisten Geert Wilders bei Pegida 2016 zum Ende des Miteinanders zwischen Özoğuz Senior und Elsässer geführt, die „Umstände des Verbots“ hätten bei ihm jedoch die „Alarmglocken“ schrillen lassen. Denn das Verbot könne „auch jeden anderen treffen, der die zunehmend diktatorisch vertretene Staatsmeinung“ nicht teilt.

Und er führt auch aus, was er damit meint: „Du bist gegen die Staatsräson und willst nicht alle Interessen Deutschlands für das Wohl des Apartheidsstaates Israel opfern? Verbot! Du glaubst nicht an die Klimavorgaben einiger Wissenschaftler? Verbot! Du willst Dich nicht zum Sündenbock abstempeln lassen, weil Du Dich nicht impfen lassen willst? Verbot!“, schreibt Özoğuz.

Schon vor Jahren fiel „Muslim Markt“ wegen der Nähe zu Rechtextremen auf. Die islamistische Website wird vom Verfassungsschutz beobachtet.

Und auch Elsässer scheute die Nähe zum Islam nicht. Vor Gründung der Compact gab er der „Islamischen Zeitung“ ein Interview. Deren Herausgeber, der Konvertit Andreas Abu Bakr Rieger gründete mit dem einst linken Publizisten Elsässer die Compact, erzählte er der taz. Nach 30 Artikeln stiegt er 2014 wegen der „rassistischen und nationalistischen ­Positionen“ aus.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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7 Kommentare

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  • Irgendwie ist überall Querfront, man weiß gar nicht mehr wo Normalfront ist...

    Neulich die Skinheads gegen Antisemitismus, jetzt die Islamisten für Compact.

    Villeicht klappts ja doch noch und am Ende haben sich alle lieb und sind friedlich... Also wenn's so weiter geht...

  • Super, jetzt fehlt nur noch die durchgeknallte Fraktion der Linken, die auch gern mit Islamisten kuschelt und schon haben wir alle Verrückten auf einem Haufen.

    • @Jim Hawkins:

      Ich denke auch, dass da ganz gefährliche, weil hier fundamental antidemokratische Enwicklungen im Gange sind, die von "links her" bzw. "nach links hin" anschlussfähig sind. Wenn der Antisemitismus hier auch nicht (gleich) eint, was sonst auch (erst einmal) nicht zusammen sein will (Artikel), so steigen hier Ideologien "Weltsichten" u. Perspektiven auf, die noch schlimmeres verheißen wie sie jetzt schon gefährlich sind.

    • @Jim Hawkins:

      Das ist doch mal eine richtige Querfront.

      Wenn die dann skandiert "Wir sind mehr!", könnten sie recht haben.

      • @rero:

        Das ist wohl leider wahr.

        Ich war noch nie ein großer Optimist, was linke, oppositionelle, emanzipatorische Bewegungen angeht.

        Aber diese Katastrophe habe ich nicht kommen sehen.

        • @Jim Hawkins:

          Ich glaube, das war auch nicht vorherzusehen.

          Ich habe es jedenfalls auch nicht.

          Ich frage mich mittlerweile, wo diese Gesellschaft in 5 oder 10 Jahre steht.

          Und das macht mir richtig Angst.

          Ich glaube nämlich nicht dass es besser wird.

          Vielleicht erleben wir gerade noch die gute alte Zeit.

  • Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund