Hamburger Polizei bei SPD-Mitgliedern: Hausdurchsuchung wegen Wahlplakat

Die Hamburger Polizei dringt frühmorgens in die Wohnungen von SPD-Mitgliedern ein. Sie sollen Wahlplakate parteiinterner Gegner abgerissen haben.

Wahlplakat mit abgerissenen Streifen

Kann mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden: Beschädigung eines Wahlplakats Foto: Hanno Bode/imago

Hamburg taz | Die Hamburger Polizei hat die Wohnungen mehrerer SPD-Parteimitglieder durchsucht, die die Wahlplakate einer Parteigenossin abgerissen haben sollen. Einer der Beschuldigten, K., war laut Staatsanwaltschaft für die Wahl zur Bezirksversammlung angetreten, die zusammen mit der Europawahl am 9. Juni stattfand. K. soll vier jugendliche Parteimitglieder angestiftet haben, Wahlplakate seiner Konkurrentin S. abzureißen, die ebenfalls für die Bezirksversammlung kandidierte. Hintergrund könnte ein schon länger schwelender Streit in der Harburger SPD sein.

Mathias Frommann, der Anwalt eines Beschuldigten, kritisiert das Vorgehen der Polizei. Am Bett eines der jugendlichen Beschuldigten hätten frühmorgens acht Polizisten gestanden, berichtet er. „Die Mutter durfte nicht aufs Klo.“ Im Zuge der Durchsuchung hätten die Ermittler Handys beschlagnahmt.

Frommann sagt, er habe ein derart drastisches Vorgehen „nicht für vorstellbar gehalten“. Schließlich werde den jungen Leuten – von den Beschuldigten sei keiner älter als 30 – nur geringfügige Sachbeschädigung vorgeworfen. Und der Anwalt fragt sich auch, was die Polizei mit der Beschlagnahme der Mobiltelefone bezwecke. Dass Parteimitglieder miteinander telefonierten sei ja nicht gerade ungewöhnlich. „Ob der Grundrechtseingriff vor diesem Hintergrund gerechtfertigt ist, daran habe ich erhebliche Zweifel“, sagt er mit Blick auf die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Zu den Voraussetzungen einer Hausdurchsuchung gehört, dass sie verhältnismäßig ist und dass Beweismittel gefunden werden, die zur Aufklärung der Tat beitragen können. Das Hamburger Amtsgericht jedenfalls hat das so gesehen, so dass es den Durchsuchungsbeschluss erließ.

Möglicherweise interessant sein könnten die Handy-Verbindungsdaten, weil die Staatsanwaltschaft ja dem SPD-Kandidaten K. vorwirft, seine jugendlichen Parteigenossen angeworben zu haben, um mindestens acht Plakate seiner mutmaßlichen Konkurrentin abzureißen und wegzuwerfen.

Nach Darstellung des Anwalts Frommann, handelt es sich bei den insgesamt sechs Beschuldigten um türkischstämmige Parteimitglieder, die von einem deutschstämmigen Parteimitglied angezeigt worden seien. Dieses behaupte, gesehen zu haben, wie die Plakate der deutschstämmigen Genossin entfernt wurden und es wolle auch gehört haben, wie die Jugendlichen mit Hintermännern telefonierten.

Weder die Kreisvorsitzende noch der Fraktionsvorsitzende der Harburger SPD wollten sich gegenüber der taz äußern. Stattdessen wies der Sprecher des SPD-Landesverbandes, Manuel Preuten, „Behauptungen zurück, wonach es innerhalb des Kreisverbandes Harburg Diskriminierung gegenüber einzelnen Mitgliedern mit Migrationshintergrund gäbe“. Das Verfahren zur Vergabe der Listenplätze sei gemäß den SPD-Statuten offen, transparent und fair.

Anwalt Mathias Frommann vermutet, dass der Migrationshintergrund der Beschuldigten sehr wohl eine Rolle in dem Fall spielen könnte. „Hier möchte offenbar jemand verhindern, dass türkischstämmige erfolgreiche Mitglieder der SPD Harburg auf gute Listenplätze kommen“, sagt er.

Die Harburger SPD leistet sich hier einen Machtkampf zwischen ihrem alten Vorstand um den ehemaligen Kreisvorsitzenden und jetzigen Fraktionschef Frank Richter auf der einen Seite und dem seit zwei Jahren amtierenden neuen Kreisvorstand um die Bezirksabgeordnete Oksan Karakus. Dabei geht es offenbar auch darum, welche Ortsverbände im Kreisverband das Sagen haben und welche Möglichkeiten Genossen mit Migrationshintergrund offen stehen.

Vor einem Jahr erklärte der SPD-Bezirksabgeordnete Torsten Fuß laut Hamburger Abendblatt seinen Parteiaustritt, weil Teile des Kreisverbandes die Arbeit des Vorstandes torpedierten. Einige Ortsverbände lehnten Mitgliedsanträge ab, wenn sie vermuteten, dass die Neumitglieder zum neuen Vorstand tendierten, behauptete Fuß damals. Die Aspiranten hätten alle einen Migrationshintergrund gehabt.

Die Polizei hat bis zum 31. Mai, neun Tage vor der Wahl, landesweit 63 Ermittlungsverfahren wegen beschädigter Wahlplakate eingeleitet, wobei jeweils auch mehrere Plakate zerstört worden sein konnten. Bei den meisten Verfahren (20) geht es um Plakate der SPD, dann folgten die Grünen mit 15 und die AfD mit zwölf. „Unsere Kandidierenden sind gehalten, Beschädigungen an Wahlplakaten zur Anzeige zu bringen“, sagt SPD-Sprecher Preuten.

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