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Schwarz-Gelb im Rückwärtsgang

Die neue Koalition hat nur eine Woche gebraucht, um ihre Wahlkampf-Rhetorik über Bord zu werfen: Pendlerpauschale und Eigenheimzulage werden nun doch gestrichen, um Haushaltslöcher zu stopfen

VON ULLA JASPER

Eine Woche nach der Wahl überraschen CDU und FDP Wähler und Nichtwähler mit neuen Ideen zur Steuer- und Förderpolitik. Zur Gegenfinanzierung einer „großen Steuerreform“ sollen staatliche Fördermittel in Zukunft gekürzt und auf wenige Bereiche reduziert werden. „Wir wollen weg von der Gießkannenpolitik“, erklärte der zukünftige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU).

Während der Koalitionsverhandlungen, die am Freitag in Düsseldorf begannen und innerhalb der nächsten drei Wochen abgeschlossen sein sollen, plädierte der Vorsitzende der Landes-CDU erstmals für eine Abschaffung der so genannten Eigenheimzulage. Noch im Herbst 2003 hatte sich die nordrhein-westfälische CDU dafür ausgesprochen, die Eigenheimzulage stark zu erhöhen. Auch die unionsgeführte Mehrheit im Bundesrat hatte sich gegen die von Rot-Grün vorgeschlagene Abschaffung der Zulage ausgesprochen.

Gleiches gilt für die Pendlerpauschale. Noch im Sommer 2003 warf die parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Landtagsfraktion, Marianne Thoman-Stahl, der rot-grünen Koalition eine „unsoziale“ Politik vor. Der Grund: In der damaligen Regierungskoalition war offen über eine Abschaffung der Pauschale diskutiert worden. Thoman-Stahl sagte damals: „Flexibilität fordern, aber gleichzeitig Vergünstigungen wegnehmen, das ist scheinheilig.“ Jetzt erklärte Rüttgers: „Die Pendlerpauschale ist keine Sache, die in Stein gemeißelt ist“ – die Gegenfinanzierung einer großen Steuerreform müsse „ja irgendwo herkommen“.

Auch in Sachen Mehrwertsteuer ist noch nicht so ganz abzusehen, wofür Schwarz-Gelb stehen wird. Zwar sprachen sich FDP und CDU in Düsseldorf gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus. FDP-Generalsekretär Christian Lindner zur taz: „In wirtschaftlichen Krisenzeiten erhöht man keine Steuern.“ Im Bund fordern mehrere Unionspolitiker aber seit Tagen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um bis zu vier Prozent. Die Bild am Sonntag meldet gar, die Erhöhung sei – unabhängig vom Ausgang der Neuwahlen im September – bereits beschlossene Sache.

Auch in der einzigen wirklichen Streitfrage zwischen Schwarz-Gelb – den Subventionen der Steinkohleförderung – sind von der zukünftigen Regierung keine Details zu erfahren. Bekannt ist bisher nur, dass die CDU die Beihilfen bis 2010 halbieren will, die FDP jedoch einen schnellstmöglichen Komplettausstieg fordert. Über Konkretes schweigt man sich aus: Bei einer Verschuldung des Landeshaushalts in Höhe von 110 Milliarden Euro müsse man „im Subventionsabbau die Gegenfinanzierung suchen“, erklärte der zukünftige Ministerpräsident zwar. Zum jetzigen Zeitpunkt halte er es jedoch für falsch, dies zu präzisieren.

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