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Staatsministerin kandidiert nicht mehrBevor die Wahlreform zuschlägt

Sarah Ryglewski (SPD) sitzt seit neun Jahren im Bundestag, seit drei Jahren auch im Kanzleramt. Noch mal kandidieren will die Bremerin nicht.

Will nicht noch einmal für den Bundestag kandidieren: Die Bremer Abgeordnete Sarah Ryglewski (SPD) Foto: Fionn Grosse

Bremen taz | Staatsministerin im Bundeskanzleramt, das ist ein Job, bei dem kaum einer direkt weiß, was das ist – klingt aber ganz gut und ist es auch. Die Bremer SPD-Bundestagsabgeordnete Sarah Ryglewski will ihr Mandat und damit auch den honorigen Posten zu nächster Gelegenheit aufgeben: Bei der Bundestagswahl 2025 wolle sie nicht mehr kandidieren, kündigte sie nun an.

Eine politische Karriere könne man ihrer Erfahrung nach nicht planen, sagte Ryglewski 2021 im taz-Interview. Für sie hing in der Tat vieles daran, zum rechten Zeitpunkt am rechten Ort zu sein. 2015 rückte die SPD-Linke für Carsten Sieling in den Bundestag nach, weil der überraschend in Bremen als Bürgermeister gebraucht wurde.

Seine Mitgliedschaft im Haushaltsausschuss erbte sie mit – das passte gut. Die Politikwissenschaftlerin hatte sich, sagt sie selbst, schon im Studium für Zahlen begeistern können und war schnell in der Materie. 2019 holte Finanzminister Olaf Scholz sie als Parlamentarische Staatssekretärin ins Finanzministerium; der Posten war freigeworden, weil Christine Lambrecht Justizministerin wurde.

Als Scholz 2021 Kanzler wurde, nahm er Ryglewski mit – Staatssekretärin ist Ryglewski im Bundeskanzleramt weiterhin, auch wenn der Posten dort Staatsministerin genannt wird – das klingt besser, wenn sie den Kanzler mal vertreten muss.

Abstimmen mit Fraktionen und Ländern

Repräsentationsaufgaben sind aber nur ein kleiner Teil ihrer Aufgabe. Die Süddeutsche Zeitung sprach von Ryglewski mal als „Maschinistin der Macht“. Weiter erläutert wird das nicht, aber es stimmt schon: Sie muss mit dafür sorgen, dass Zahnräder greifen im Gesetzgebungsprozess.

Viele Gespräche führt Ryglewski mit Fraktionen, um frühzeitig zu sehen, wo es bei Gesetzesinitiativen zwischen ihnen knirscht. Eine ähnliche Rolle hat sie als Bund-Länder-Koordinatorin – schließlich müssen Gesetze auch noch durch den Bundesrat. Außerdem koordiniert sie die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie.

Mit 41 Jahren und nach zehn Jahren im Bundestag sei nun Zeit für etwas Neues, schreibt Ryglewski in ihrem Statement – die Fragen nach dem Warum sind damit nicht wirklich geklärt. Eventuell ist sie einfach vorausschauend: Obwohl sie zweimal souverän ein Direktmandat geholt hat, könnte es bei der nächsten Wahl schwierig werden.

Das Land Bremen hat zwei Wahlkreise, Bremen und Bremerhaven, beide werden gewöhnlich von SPD-Leuten gewonnen. Doch durch die neue Wahlrechtsreform führt ein Sieg in den beiden Wahlkreisen nicht automatisch zu zwei Mandaten. Statt Ryglewski würde dann wohl der Bremerhavener SPD-Kandidat den Vorzug erhalten – sofern die SPD den Bremerhavener Wahlkreis erneut mit mehr Prozent holen würde, als den umkämpfteren Bremer Wahlkreis.

Einer möglichen Abwahl kommt Ryglewski zuvor. In ihrer Ankündigung, nicht mehr zu kandidieren, betont sie zigmal ihre Verbundenheit und ihre Erfolge für Bremen. Sieht sie hier ihre Zukunft? „Buten un binnen“, das Regionalmagazin von Radio Bremen, spekulierte am Dienstag über einen möglichen neuen Posten: Es gebe Gerüchte, dass Ryglewski die Nachfolge von SPD-Innensenator Ulli Mäurer übernehmen könne, der mit heute 73 Jahren nicht mehr lange im Amt bleiben wolle.

Ryglewski wäre wieder mal zur rechten Zeit am rechten Ort.

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2 Kommentare

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  • Ich wollte gerade fragen, warum eine solch hochkarätig eingesetzte Person ziehen gelassen wird, aber da hatte der Artikel auch schon eine mögliche Auflösung.

    Weil es im Artikel nicht steht: Die Parlamentarischen Staatssekretärs sind Abgeordnete, die für die Ministers den Kontakt im und mit dem Parlament sicherstellen - das kann Ryglewski nach einer Abwahl nicht einfach weitermachen.

    (Dass die Wahlrechtsreform so durchkommt, ist noch nicht sicher. Sowohl pro als auch contra gibt es plausible juristische Gründe)

  • Ein Posten bleibt ja