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Anbindehaltung für Molkerei EhrmannAlbtraum statt Alpentraum

Tierrechtler werfen der Molkerei vor, Milch von angeketteten Kühen zu beziehen. Die bestätigt das, stellt das Problem aber als nicht so groß dar.

Viele Rinder dürfen nicht wie diese Kälber auf der Weide stehen Foto: Christof Stache/ap

Berlin taz | In Werbefilmen der Molkerei Ehrmann stehen Kühe auf grünen Weiden, mitten in einem Allgäuer Alpenidyll. Sie können sich dort frei bewegen und gucken gutmütig in die Kamera. Wer die Bilder sieht, könnte denken: So wird also die Milch zum Beispiel für Ehrmanns Fruchtjoghurt der Marke „Almighurt“ erzeugt.

Doch ein Video der Tierrechtsorganisation Aninova zeigt ganz andere Zustände: Dort sind Kühe zu sehen, die in Ställen mit Ketten und Bändern am Hals fixiert sind, in der sogenannten Anbindehaltung. Die Ketten sind so kurz, dass sie sich zwar hinlegen, aber nicht umdrehen oder im Stall herumlaufen können.

„Bis zum Tod angebunden, ein Leben an der Kette – ich glaube, es gibt kaum etwas Schlimmeres, was einem Tier angetan werden kann“, sagt Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender von Aninova. Die Aufnahmen stammen dem gemeinnützigen Verein zufolge aus zwei Bauernhöfen, die Ehrmann mit Milch beliefern.

Die Bauern hätten ihm selbst erzählt, dass die Tiere das ganze Jahr über in der Anbindehaltung leben würden und dass die Milch an Ehrmann gehe, berichtet Peifer der taz. Von einer saftigen Alm wie in den Werbevideos könnten die Kühe nur träumen. „Ehrmann, keiner kotzt mich mehr an“, verballhornte Aninova am Ende seines Films den Firmenslogan „Ehrmann, keiner macht mich mehr an“.

Teilverbot der Anbindung soll in 10 Jahren kommen

Besondere Aufmerksamkeit haben die Aninova-Posts zu dem Fall erregt, weil die Ampelkoalition gerade diskutiert, die ganzjährige Anbindehaltung in 10 Jahren zu verbieten. Kleinere Höfe mit höchstens 50 über sechs Monate alten Rindern dürfen die Tiere einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zufolge nur noch fixieren, wenn sie während der Weidesaison auf die Weide und außerhalb dieser Zeit zwei Mal pro Woche Zugang zu einem Freigelände haben.

2020 wurden nach einer Auswertung des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts 10 Prozent aller Rinder im Stall fixiert, etwa durch einen Metallrahmen oder einer Kette am Hals – und zwar meist das ganze Jahr über. „Dies führt bei den betroffenen Tieren zu erheblichen Schmerzen, Leiden und/oder Schäden“, so das Agrarministerium.

Die rund 28.300 Höfe mit dieser Haltungsform waren im Schnitt deutlich kleiner als Betriebe mit Laufställen. Viele hätten wohl große Schwierigkeiten, einen Laufstall zu finanzieren oder auf Weidehaltung umzustellen. Das Ehrmann-Video könnte nun den öffentlichen Druck auf die Ampelkoalition erhöhen, das Teilverbot der Anbindehaltung im Bundestag zu beschließen.

Hat Ehrmann die Verbraucher getäuscht mit seiner Weidehaltungswerbung? Das bayerische Unternehmen zog in einer Stellungnahme für die taz nicht in Zweifel, dass die Aufnahmen von Zulieferbetrieben der Molkerei stammen und dass diese Höfe die Kühe das ganze Jahr über fixieren. Ehrmann stellt das Problem aber als nicht so groß dar: „Lediglich circa 5 Prozent unserer konventionell erzeugten Milchmenge beziehen wir aus Betrieben mit ganzjähriger Anbindehaltung“, schrieb die Firma der taz.

Auch auf Nachfrage ließ das Unternehmen bis Redaktionsschluss offen, wieviele Kühe immer fixiert sind und wieviel möglicherweise nur einen Teil des Jahres. Peifer ist sich auch nicht sicher, ob die Zahlen von Ehrmann überhaupt stimmen. „Wenn es nur 5 Prozent wären, wieso trennt man sich dann nicht davon?“, fragt der Tierrechtler.

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14 Kommentare

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  • Lange überfallig, diese Qual der Anbindehalung zu verbieten. Viele Lebensmittelkonzerne geben Tierschutz u. Tierwohl vor, prüfen nicht und/oder reagieren nicht bei Verstößen. Daher muß ein grüner Agrarminister ein sofortiges Verbot durchsetzen. Lange Übergangsfristen sind nicht mehr hinnehmbar. - Auch sind Grünstreifen auf intensiv genutzten Agrarflächen dringend nötig. 4% sind das Minimum. Die Verstöße gegen Tierwohl u. Tierschutz sind weitweit extrem, auch in der EU u. Deutschland. Mißstände anzeigen ist nicht Denunzieren, es ist Zivilcourage. Tiere können nicht anklagen, verantwortungsvolle Menschen müssen dies tun.

  • “Bis zum Tod angebunden, ein Leben an der Kette – ich glaube, es gibt kaum etwas Schlimmeres, was einem Tier angetan werden kann“, sagt Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender von Aninova.”

    Das stimmt halt einfach nicht, unglückliche und kranke Tiere geben wenig Milch und bekommen keinen Nachwuchs. Natürlich ist Bewegung besser, aber Stallhaltung, zumindest im Herbst und Winter ist seit Jahrtausenden üblich.

    • @Shan Yun:

      Weil die Stallhaltung im Herbst und Winter seit Jahrtausenden üblich ist, soll diese gut sein?

      Die Frage ist für wen. Für die Tiere ganz sicher nicht.

    • @Shan Yun:

      Das kranke Tiere wenig Milch geben ist klar - aber ist FAKT dass Kühe überhaupt nur Milch geben weil sie Kälber geboren haben, die Ihnen nach der Geburt entrissen werden UND sie werden auch nicht freiwillig schwanger weil sie ja so glücklich sind sondern WEIL die Bauern sie künstlich besamen DASS sie Milch geben!!!!

      Und nur weil etwas seit Jahrtausenden üblich ist, heißt das nicht dass es schön ist für das Tier!

      Endlich mal begreifen dass Tiere auch ein Recht haben auf dieser Welt und genauso fühlen und denken können wie wir!!

  • Wieder mal einsehr guter Beitrag von Herrn Maurin. Wäre erfreulich, wenn diese auch mal von den Grünen gelesen würde, die ja bezüglich Tier- und Naturschutz seit 20 Jahren überhaupt nichts mehr bringen.

    Mal Kühe in Anbindehaltung gesehen?

    Das Traurigste und Entsetzlichste was ich je in meinem Leben gesehen habe.

    Das passt zu Ehrmann.

    Ehrmann - keiner ekelt mich mehr an.

    • @shantivanille:

      Mich ekelt das genau so an, bezweifle aber dass die anderen Grossen diese Zustände genau so akzeptieren.

  • Ich finde eine solche Haltung einfach mehr als skandalös und zwar nämlich : unmenschlich !



    Wie kann man so etwas noch einer Kreatur antun ?! Das allgemeine Bewusstsein ist zum Glück überwiegend mittlerweile so weit gereift, dass das auch verstanden wird. Das zeigt ja überdeutlich das Konsumentenverhalten zu Tierhaltung 4, Bio etc. pp.



    Für mich kann es da nichts Anderes geben als, und dieses Verbot und andere Verbesserungen erlauben nur einen Zeitrahmen meiner Meinung nach und der lautet : sofort.

  • Einfach nicht mehr kälbchenfutter essen wäre ne Lösung. Der Konsum von Tieren und deren Produkte ist immer mit Tierleid verbunden.

  • Ich bin im Allgäu geboren. Im Nachbardorf gibt/gab es einen Betrieb, bei dem Ehemann die Milch abholt.



    Noch nie in meinem Leben, habe ich so ausgemergelte Milchkühe gesehen. Abgemagert, lahm, komplett mit Kot verschmiert. Das ist wirklich ein Alptraum. Nie mehr würde ich auch nur ein Produkt von Ehemann kaufen.

  • Ein neuer Stall kostet ca. 1 Mio. Euro. bei 25 Kühen ist der Umsatz mit der Milch ca. 60-70000 Euro/Jahr.

    Man kann es sich ausrechnen, was das bedeutet.

    Kurz: Kleine Milchbauernhöfe sterben aus.

    Also wollen wir lieber Großbetriebe. Die können das. Blackrock.

    • @EIN MANN:

      Ein neuer Stall für 25 Kühe, in moderner Außenklima-Leichtbauweise (oder als Kombination mit einer Erweiterungs-Umbaulösung) kostet keine Mille - wie kommen Sie da drauf?

      Es geht hier nicht generell gegen kleineren und mittleren Betriebe, welche den Kühen aus mehreren praktischen Gründen i.d.R. sogar einfacher saisonalen Weidegang gewähren können als Großbetriebe..

      Ein vorgezogenes Verbot der ganzjährigen Anbindhaltung würde daher nur einen sehr kleinen, vor allem in engen Ortslagen eingebundenen und eigentlich schon seit Jahrzehnten definitiv nicht mehr zukunftsfähigen Teil kleiner Betriebe treffen.

      Mit Blackrock hat das nichts zu tun.

  • Ich denke, wenn man die Anbindehaltung nicht zumindest mit Weideauslauf in der Vegetationszeit kombinieren kann, dann kann man das eigentlich nicht bringen.

    Die im Artikel genannte Regelung dazu, die erst in 10 Jahren gelten soll, ist schon seit 30-40 Jahren überfällig.

    So leid es mir auch für die kleinen Betriebe tut. Wenn die Standards in bestimmten Kleinbetrieben so stark hinter denen in den Großbetrieben zurückbleiben, hier gibt es zumeist zwar auch keinen Weidegang aber immerhin Bewegungsfreiheit innerhalb der modernen Außenklimaställe, dann muss man sich dem auch stellen, da die Diskussion ja auch nicht neu ist.

    Mich wundert, dass solche, zumeist kleinen Nebenerwerbsbetriebe, auch immer noch einen Hofnachfolger finden, um diese auch in der Vergangenheit für die Tiere schon tragisch zu nennenden, aber damals aus absoluten wirtschaftlichen Notlagen begründeten Zustände immer weiter in die Zukunft zu tragen. Es gibt aber heute im Gegensatz zu früher auch in strukturschwachen Regionen Erwerbsalternativen, auch wenn sie außerhalb der Landwirtschaft sind.

    Hier sollte eine aktive, zugehende Beratung der Landwirtschaftskammern erfolgen.

    • @Waage69:

      Einstellung bei vielen dieser Kleinbauern (hab' lang' genug auf dem Land gelebt): haben wir schon immer so gemacht!

      • @Achim Schäfer:

        Ich verstehe gar nicht, warum es in Bayern so viele Rinderhaltungsbetriebe gibt, die immer noch Anbindehaltung praktizieren. In meinem Bundesland NRW, jedenfalls in der Gegend hier, wo ich Milch besorge, gibt es das überhaupt nicht mehr. Und das sind auch nicht alles Großbetriebe, sondern viele auch relativ klein bis mittelgroß.