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Türkischer AsylbewerberBei Rückkehr droht die Haft

Das Migrationsamt verweigert dem türkischen Staatsbürger B. Asyl, obwohl er seine Verfolgung belegen kann. Der Flüchtlingsrat findet das skandalös.

Skeptisch gegenüber türkischen Dokumenten: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Foto: dpa/Sebastian Gollnow

OSNABRÜCK taz | Ob es für ihn Gerechtigkeit gibt? Der türkische Staatsangehörige B. (Name der Redaktion bekannt) zweifelt. Der Hannoveraner kämpft um seine Asyl-Anerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf); er möchte Frau und Kinder nach Deutschland holen. B. kann beweisen, dass ihm in der Türkei Haft droht, aber das Bamf stellt sich quer. Anderthalb Jahre dauert das Verfahren nun schon.

B. war Offizier der türkischen Armee. 2019 sei er dreimal festgenommen und „rechtswidrig verhört“ worden, schreibt er in einer Erklärung, die der taz vorliegt; er habe dabei „emotionale Folter“ erlebt. 2020 wird er aus der Armee ausgeschlossen und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Bis zum Revisionsverfahren wird der Haftbefehl unter Auflagen ausgesetzt; B. flieht. Im Herbst 2022 stellt er in Deutschland einen Asylantrag.

Der Vorwurf, dem B. sich in der Türkei ausgesetzt sieht: Er gehöre der Gülen-Bewegung an. Der türkische Staatspräsident Erdoğan beschuldigt diese, für den Militärputsch von 2016 verantwortlich zu sein. In der Türkei steht B. also indirekt unter Terrorismus-Verdacht.

„Wir wurden von der Gesellschaft geächtet, wir wurden von unseren Nachbarn geächtet, weil es sich um einen großen psychologischen Völkermord handelte, der von der Regierung durchgeführt wurde“, erklärt B. seine Flucht.

Das Bamf lässt sich Zeit

Von den deutschen Behörden hört B. anfangs viele Monate lang nichts, sagt er. Er habe gewartet, Mails geschickt, Briefe, sich einen Anwalt genommen. Schließlich sei die Bamf-Anhörung anberaumt worden. Danach sei aber wieder nichts passiert, monatelang. Als „schwere psychische Folter“ habe er das empfunden.

Sein Anwalt droht eine Klage wegen Untätigkeit an. Als erneut nichts passiert, reicht er die Klage beim Verwaltungsgericht Hannover ein. Dann, endlich, kommt der Bescheid des Bamf: Es ist eine Ablehnung.

Dabei hat B. dem Bamf die Anklageschrift und die Verurteilung vorgelegt. Auch, dass sein Anwalt dem Bamf versichert, Einsicht in das Online-Portal der türkischen Regierung „e-Devlet“ (deutsch: e-Staat) gehabt zu haben, in dessen Justiz-Informationssystem Uyap der Fall seines Mandanten geführt ist, zählt offenbar nicht.

Dündar Kelloglu, Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates Niedersachsen und Rechtsanwalt B.s, findet das Verhalten des Bamf „empörend“, wie er der taz sagte. Das Bamf habe die Ablehnung damit begründet, dass B. nicht glaubwürdig gewirkt habe, zudem habe er wäh­rend der Anhörung die Unterlagen im Uyap-System nicht aufrufen können.

„Was kann den glaubwürdiger sein als ein urkundlicher Nachweis?“

Dündar Kelloglu, Flüchtlingsrat Niedersachsen

„Was kann denn glaubwürdiger sein als ein urkundlicher Nachweis?“, sagt Kelloglu. Der Fall sei „glasklar“. Dass das türkische E-Government-System temporär nicht zugänglich sei, könne vorkommen. „Aber das ist ja nicht die Schuld des Betroffenen.“

Das Verfahren liegt jetzt bei Gericht, und das kann dauern. Zwei bis drei Jahre, wie Kelloglu sagt. „Ein bisschen habe ich mich selbst angegriffen gefühlt durch das Bamf.“ Das habe die vorgelegten Beweise ja einfach ignoriert.

„Ich habe wirklich geglaubt, dass es in Deutschland Gerechtigkeit gibt und dass den Menschen hier die Menschenrechte am Herzen liegen“, schreibt B.. Die Bamf-Entscheidung sei juristisch und moralisch falsch.

B. hat jetzt Angst, dass seiner Familie in der Türkei Konsequenzen drohen, auch strafrechtlich. Er sei „psychisch am Ende“, sagt sein Anwalt. B. ist kein Einzelfall, betont der Flüchtlingsrat. Auch wenn das e-Devlet/Uyap-System zeige, dass eine Verurteilung vorliege, ziehe das Bamf dies „in etlichen Fällen mit fadenscheiniger Begründung in Zweifel“.

Die „Staatswohl“-Karte sticht

Und das Nürnberger Bundesamt? Es nehme „seine Verantwortung gegenüber den Schutzsuchenden sehr ernst“, schreibt Lena Treß, seine Sprecherin, der taz. Heißt: Keine Auskunft, zumindest nicht ohne Schweigepflicht-Entbindung, Identitätsnachweis des Antragstellers, Aufenthaltsnachweis …

Bewertet werde „die in der Anhörung individuell vorgetragene Fluchtgeschichte“. In das Asylverfahren eingebrachte Dokumente betrachte man „differenziert“, schreibt Treß. „Dabei kommt Nachweisen aus Uyap anteilige Beweiskraft zu.“

Das deckt sich teils wörtlich mit der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Bundestags-Fraktion Die Linke zum „Rückgriff auf das türkische Informationssystem Uyap in Asylverfahren“ vom Herbst 2023.

Bei mehreren türkeikritischen Fragen zieht die Bundesregierung hier die „Staatswohl“-Karte: Eine öffentliche Einschätzung könne „erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen haben“: Ergo Verschlusssache.

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