Volt in Hamburger Bezirksparlamenten: „Durchaus ein Gesprächspartner“
Volt zog in fünf Hamburger Bezirksversammlungen ein und ist in dreien möglicher Koalitionspartner. Die Partei wirkt wie die kleine Schwester der Grünen.
Das ist spannend, weil nun gleich in fünf Bezirksparlamenten neben SPD, CDU, Grünen, Linken, FDP und AfD eine siebte Partei sitzt und die Mehrheitsbildung komplizierter wird. In Nord und Eimsbüttel reicht es von den Sitzen her für Rot-Grün, in Mitte, Harburg und Altona nicht.
In Mitte zum Beispiel bildeten zuletzt SPD, CDU und FDP eine Koalition, die nun zu wenig Sitze hat. Denkbar wäre nun ein rot-grünes Bündnis mit Volt. Die kleine Partei hat mit drei Sitzen auch den für eine Regierungsbeteiligung nötigen Fraktionsstatus. „Der Ball liegt hier bei der SPD als Wahlsiegerin in Mitte“, sagt die grüne Kreischefin Lena Zagst, „aber für uns ist Volt durchaus ein Gesprächspartner.“
Volt sei keine Abkürzung, sagt Kira Junge. Die Partei trage den Namen, weil man einen suchte, der in allen EU-Sprachen gesprochen werden kann und „noch politisch unbesetzt ist“. Das Motto sei „pragmatisch, progressiv und paneuropäisch“. Und da die Partei pragmatisch-konstruktiv sei, sei sie auch offen für Gespräche mit den anderen Parteien, die sich „in verschiedenen Stadi“ befänden.
In Nord seien es mehr Kennenlerngespräche, da es ja für Rot-Grün reiche. In Mitte müsse man viel sortieren, um eine Lösung zu finden. Und in Altona sei es der Bezirk gewöhnt, mit wechselnden Mehrheiten zu arbeiten. Da wären Vereinbarungen zu Themen denkbar wie Radverkehr.
Im Europaparlament trat Volt der grünen Fraktion Freie Europäische Allianz (EFA) bei. Zur Frage, wie sie sich von den Grünen unterscheiden, sagt Junge: „Wir setzen uns noch stärker für ambitionierte Ziele bei Klimaschutz und Umweltschutz ein.“ Den Vorwurf der Abgehobenheit weist sie zurück. Sie selbst sei Ingenieurin und komme aus einer Arbeiterfamilie. Die Partei habe viele IT-Spezialisten, repräsentiere aber ansonsten mit Berufen wie Lehrer, Sozialarbeiter oder Gastronom den Durchschnitt der Menschen.
Ein Ziel sei, mit Hilfe der Digitalisierung schneller die Bürokratie abzubauen und die Mitbestimmung zu verbessern. Die Partei treffe klarere Aussagen zur Migrationspolitik als die Grünen, sei für eine menschliche Behandlung aller Menschen. Gegenüber der Linkspartei unterscheide sie sich in der Haltung zum Ukraine-Krieg: „Wie bekennen uns klar zur Nato und Waffenlieferung an die Ukraine.“ Bei der Höhe des Mindestlohns sei die Linke „deutlich ambitionierter“. Laut Website distanziert sich die Partei von Rechtsextremismus und Linksextremismus.
In Hamburg fordert Volt eine City-Maut für Autos, mehr Fahrrad-Routen wie in Kopenhagen, den Rückbau von Parkplätzen und Superblocks als verkehrsberuhigte Zonen. Vieles wirkt so, als melde sich die kleine Schwester der Grünen zu Wort. Beim Thema Nahverkehr bemängelt sie den zu langsamen Ausbau von U- und S-Bahn und bringt die Prüfung einer Alternative ins Spiel.
Kleingärten sollen bleiben
Auf das Thema Straßenbahn angesprochen, sagt Junge: „Wir sind technologieoffen.“ Explizit erwähnt wird aber eine Ring-S-Bahn im Norden Hamburgs auf der Strecke der heutigen Güterbahn.
In den Programmen gibt es örtliche Spezifika. Im Bezirk Harburg etwa sollen keine weiteren Kleingärten zu Industriegebiet werden und der Stadtteil Moorburg soll endlich nicht mehr als Hafenerweiterungsgebiet gelten. In Eimsbüttel soll zwar Wohnungsbau durch größere Projekte wie die „Neue Mitte Stellingen“ gefördert werden.
Flughafen soll leiser werden
Zugleich solle aber auf Bedenken wegen als zu stark empfundener Verdichtung durch „Rücksichtnahme und überzeugende Beteiligungsverfahren“ eingegangen werden. An anderer Stelle ist von „Dominanz der Oberbaudirektion“ die Rede, die verringert werden soll.
Im Bezirk Nord soll der Flughafen schneller leise und ein „Forschungs-Hub für emissionsfreies und geräuscharmes Fliegen“ werden. In Altona macht sich Volt für den Ausbau von Velorouten stark und für Fahrradbrücken nach Vorbild von Kopenhagens Cykelslangen.
Landeschefin Junge, die der Partei im Duo mit Jacob Schoo vorsteht, führt den Erfolg darauf zurück, dass es mit diesen Programmen gelungen sei, den Nerv zu treffen. Zwar ist die Zustimmung mit neun Prozent bei den Jungwählern am höchsten, doch an den Wahlständen hätten sich auch Ältere interessiert. Eine Analyse der Wählerströme gibt es im September.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung