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Argentiniens Präsident Milei in HamburgDer Kettensägenmann kommt

Javier Milei wird in Hamburg von der rechtsliberalen Hayek-Gesellschaft geehrt. Gegen seine brachiale, marktradikale Politik gibt es Protest.

Unter Rechtsradikalen: Javier Milei bei der spanischen Rechtsaußen-Partei Vox in Madrid Foto: Carlos Luján/dpa

Hamburg taz | Der selbsternannte Anarcho-Kapitalist Javier Milei kommt nach Hamburg. Der argentinische Staatspräsident bekommt von der rechtslibertären Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft die Hayek-Medaille verliehen. Auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird er sich treffen. Gegen den Besuch des marktradikalen Politrebellen regt sich Protest.

Globalisierungskritische und ­lateinamerikanische Exil-Gruppen haben sich zusammengetan und den „Monat Anti-Milei“ organisiert. In mehreren deutschen Städten veranstalten sie ein „Programm gegen rechte internationale Netzwerke und das EU-Mercosur-Handelsabkommen“. Neben Vorträgen, Paneldiskussionen und Ausstellungen in Berlin, Kassel und Hamburg gipfelt der Protest in der alternativen Preisverleihung der „rostigen Kettensäge“ an Milei.

Milei hatte schon vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten im Dezember eine „Schocktherapie“ für Argentinien angekündigt. Gern zeigt er sich auf der Bühne mit einer Kettensäge als Symbol für seinen radikalen Sparkurs und den Abbau des Sozialstaats. Das Land befindet sich seit Jahren in einer Wirtschaftskrise, in den vergangenen zwölf Monaten sind die Verbraucherpreise um 289 Prozent gestiegen.

Milei ist es zwar gelungen, das Inflationstempo zu drosseln, im April war die Inflationsrate mit 8,8 Prozent seit Langem mal wieder einstellig, Konjunktur und Konsum schwächeln jedoch. Vor allem die unteren und mittleren Einkommensgruppen leiden unter seinen Maßnahmen. Der internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für Argentinien kürzlich um 5,6 Prozentpunkte nach unten korrigiert – auf minus 2,8 Prozent.

Pressefreiheit eingeschränkt, Knüppel frei für die Polizei

In den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit hat Milei den Peso abgewertet, die Renten gekürzt und mindestens 15.000 Staatsangestellte entlassen. Er hat die Pressefreiheit eingeschränkt, die Ausgaben für das Bildungssystem radikal gekürzt – und Demonstrationen dagegen mit brutaler Polizeigewalt niederknüppeln lassen.

Der exzentrische Präsident, der kürzlich bei der Vorstellung seines neuen Buches auf der Bühne selbst einen Rocksong sang, geht nun auf Europatour. Vom 13. bis zum 15. Juni ist er zum G7-Gipfel in Italien eingeladen. In der folgenden Woche wird er in Prag und in Madrid Preise von liberalen Thinktanks annehmen.

Milei vernetzt sich mit anderen Rechten und Libertären. Bereits im vergangenen Monat war er in Spanien auf einer Wahlkampfveranstaltung der rechtsextremen Vox aufgetreten. Mit dabei waren unter anderem auch Georgia Meloni, Viktor Orbán und Marine Le Pen.

Zum Ende seiner Europareise wird Milei am 22. Juni im Hotel Hafen Hamburg von der Hayek-Gesellschaft geehrt. In der Begründung für die Preisverleihung beschreibt die Gesellschaft ihn als „leuchtendes Beispiel für die Kraft liberaler Ideen“. Mit seinem „unerschrockenen Eintreten für individuelle Selbstbestimmung und freie Märkte“ steht Milei tatsächlich genau in den Fußstapfen des Namensgebers der Gesellschaft und bezieht sich regelmäßig auf ihn.

Friedrich August von Hayek war gemeinsam mit seinem Lehrer Ludwig von Mises ein bedeutender Theoretiker der sogenannten Österreichischen Schule. Die Ökonomen stehen für eine marktradikale Denkweise, die spätestens ab den 1970er-Jahren maßgeblich die Entstehung des modernen Neoliberalismus beeinflusste. In ihren zahlreichen Büchern und Aufsätzen beschreiben sie, wie sich der Staat aus dem Spiel der freien Märkte heraushalten müsse, da jegliche Form der wirtschaftlichen Planung zur Unterdrückung der individuellen Freiheit und in den Autoritarismus führe.

Die Hayek-Gesellschaft wurde 1998 von Wirtschaftswissenschaftler*innen, Ju­ris­t*in­nen und Un­ter­neh­me­r*in­nen in Freiburg gegründet. Ihr Ziel ist es, die Theorien von von Hayek in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu tragen.

Streit um Abgrenzung nach rechts

Im Vorstand sitzen zahlreiche Mitglieder der FDP. Unter den Mitgliedern ist Hans-Georg Maaßen, Vorsitzender der Werteunion und ehemaliger Verfassungsschutzchef, der auch auf einer Podiumsdiskussion während der „Hayek-Tage“ redet. Auch Unternehmer wie Theo Müller von Müller-Milch gehören zur Hayek-Gesellschaft. Müller nennt die Co-Vorsitzende der AfD-Fraktion, Alice Weidel, eine Freundin, die öfters bei ihm zu Hause zu Besuch sei.

Immer wieder gab es internen Streit über eine fehlende Abgrenzung nach rechts und zur AfD. 2015, 2017 und 2021 kam es zu Austrittswellen. Die AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch und Peter Boehringer sind weiterhin Mitglieder.

Neben der Verleihung der Hayek-Medaille an Milei soll es an dem Wochenende auch zu einem Treffen mit Olaf Scholz kommen. Bereits im Januar hatten sie telefoniert, dabei ging es auch um das EU-Mercosur-Abkommen. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem ­lateinamerikanischen Länderbund wird bereits seit über 20 Jahren verhandelt. In den letzten Jahren lagen die Verhandlungen immer wieder auf Eis. Zu groß waren die Bedenken einzelner Länder etwa in Bezug auf den Schutz des Regenwaldes.

Bettina Müller, beim Verein ­Power-Shift für Handels- und Investitionspolitik zuständig und Mitorganisatorin des „Monat Anti-Milei“, kritisiert das anstehende Treffen. „Ich befürchte, dass das Abkommen wieder auf dem Tisch liegen könnte. Auch Scholz ist ein Verfechter des Abkommens“, sagt sie. Ein Zustandekommen wäre ihrer Ansicht nach allerdings desaströs, sowohl ökologisch als auch für die regionale Wirtschaft in Lateinamerika. „Das Abkommen würde den Pestizideinsatz massiv ausweiten, die Abholzung verstärken und ungleiche Strukturen zwischen Groß- und Kleinbauern in Lateinamerika vergrößern“, konstatiert sie.

Neben den Gefahren des Abkommens wollen die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen des Protests darauf aufmerksam machen, dass Milei auf seiner Reise internationale rechte Netzwerke knüpft und pflegt. „Wir wollen mit dem Protest auch die globale Dimension von Mileis Projekt beleuchten“, sagt Lucio Piccoli vom Bloque Latinoamericano Berlin. „Milei hat gute Verbindung zu Elon Musk, Donald Trump und Rechten in Europa. Wir demonstrieren nicht nur wegen der Situation in Argentinien, denn diese hängt auch mit dem Rechtsruck in Deutschland, Europa und anderswo zusammen“, sagt er.

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22 Kommentare

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  • Libertär könnte klappen, wenn die Menschen etwas mit ihrer Freiheit anfangen könnten. Für die meisten ist Freiheit aber = Egoismus. Sie haben ja schließlich IHRE Rechte, informieren sich auf SM (social Media) und wählen, je nach Blase, AfD, FDP, Union oder gar nicht

  • Hayek: Gewinne rauf = Löhne runter, wer arm ist, soll sich einfach anstrengen, jede staatliche Lenkung schwächt die Wirtschaft, bremst Wohlstand aus.

    Preis und Preisträger passen auf jeden Fall zusammen.

    Schlimm ist nur, dass 2024 offenbar nichts gelernt wurde aus den 1920er und 1930er, aus dem 1. und 2. Weltkrieg. Sozialpolitik macht sehr viel Sinn. Wer da mit einer motorisierten Kettensäge ran will, der kriegt das am Ende um die Ohren gehauen. Argentinnien wird massenhaft verarmen und die Menschen werden wenig kaufen, die Nachfrage wird brutal schwächeln und so viel Steaks können gar nicht exportiert werden, damit die Bilanzen stimmen. Und ohne Impulse wird Argentiennen einfach nur absteigen und das wird aber exklusiv nur die arbeitende Bevölkerung treffen, ab und an geht auch mal ein Unternehmer pleite, aber im Großen ist das nur eine Programmatik für Reiche Kreise. Und natürlich Polizei und Militär, weil sowas eben nur repressiv umsetzbar ist. Alles in allem ein gigantischer Rückschritt.

  • Die Kumpanei zwischen dem Rechtsextremismus und dem Neoliberalismus zeigt sich hier einmal mehr.

    Das will ich gar nicht moralisch bewerten; es handelt sich einfach um eine strukturell gegebene Teilmenge zwischen beiden Ideologien.

    Beide bekämpfen alles, was sozial, menschenrechtlich und emanzipativ ist.

    Beide erringen ihre Erfolge durch Opferung von Unterdrückten und Ausgebeuteten - ob im eigenen Land oder per Kolonialismus etc.

    Dafür stehen aber wie gesagt nicht nur all die Mileis, Trumps, Melonis und Höckes, sondern eben auch all die Bidens, Macrons, Merz' und Linders.

    Allerdings mit unterschiedlichen Methoden, das muss man auch dazu sagen.

  • Gegen Menschenrechte, gegen Arbeitnehmerrechte, gegen soziale Absicherung. Seit Pinochets Chile können diese Faschisten in regelmässigen Abständen ihre "Schoclstrategie" anwenden. Man fragt sich, warum. Wer unterstützt so etwas?

    • @Kim Schicklang:

      Millionen Argentinier die es satt haben. Der Faschismus wird mit folgendem Motto definiert: "Alles für den Staat, nichts gegen den Staat, einzig und allein der Staat". Die libertäre Ideologie ist das komplette Gegenteil von Staat. Also ihn als Faschisten zu bezeichnen ist objektiv inkorrekt... Ich frage mich wo genau er gegen Menschenrechte ist? Oder hat Milei für eine Abschaffung dieser bei der UN oder ähnlichen Institutionen angefragt? Habe ich was verpasst?

  • Hayek nahm die Freiheit in den Mund, doch skizzierte Markt, nicht Volksherrschaft; gewissen-lose Macht der Reichen statt Rechte aller Menschen.



    Millei halte ich für nicht mal intellektuell so interessant, wie es Hayek zumindest teils ist. Er ist ein Domestike irgendwelcher toten Ökonomen, die er wohl weder verstanden, noch geprüft hat.

    Nehmen wir es als Experiment auf Kosten der Argentinier, was von dem Knäuel noch hinhaut und was sonst wie schlimm wird.

  • Warum trifft sich Scholz mit einem Rechtsextremen?

    • @schnarchnase:

      Er ist kein Rechtsextremist sondern ein Neoliberaler. Argentinien ist ein Land mit wichtigen Ressourcen und könnte in Zukunft weltwirtschtlich von Bedeutung sein, wenn es wieder auf Kurs kommt und da kommt Milei ins Spiel.

    • @schnarchnase:

      Er ist liberal. Nach deiner Logik wäre Lindner auch ein extremistischer Rechter :)

    • @schnarchnase:

      Weil er ein Regierungschef ist und Argentinnien ein traditionell enger Partner Deutschlands. Das ist kein Sympathiebeweis oder eine Form von Zustimmung zu ihm und seinem Programm. Mitterand hat auch Thatcher und Reagan getroffen.

    • @schnarchnase:

      Milei ist das demokratisch gewählte Staatsoberhaupt Argentiniens. Scholz Regierungschef.

      Das reicht aus.

  • Ich mag die politischen Freunde von Herrn Milei ganz und gar nicht, aber die sozialistische Ideologie hat das Argentinische Volk in das Chaos und die Armut gebracht.



    Als Medizin ist vielleicht ein radikaler wirtschaftlicher Schritt notwendig um das Land und die Wirtschaft wieder in die Spur zu bringen. Wer hat eine bessere Idee?



    Bewußt provokativer Beitrag um eine sinnvolle Diskussion zu erhalten!

    • @Fridolin:

      Wenn man nichts ändert dann braucht man sich nicht wundern, dass die entsprechenden Auswirkungen ausbleiben. Milei war und ist der einzige Kandidat gewesen und Gott sei dank konnte er sich durchsetzen, weil mit Massa wäre es definitiv eine humanitäre Katastrophe geworden. Dann wäre Argentinien wohlmöglich in den Kommunismus oder die Diktatur gerutscht.



      Bis jetzt waren seine Ansätze richtig und die Wirtschaft stabilisiert sich zunehmend.

    • @Fridolin:

      Falsch, es war der internationale Währungsfonds, der das Land in den Abgrund getrieben hat und aus der Schuldenfalle gibt es in der Regel kein Entkommen. Der wird übrigens von Hauptanteilseigner USA gelenkt.

      • @Moritz Pierwoss:

        Die argentinische Regierung der letzten 20 Jahre ist an allem Schuld. Korruption bis zum geht nicht mehr, leider auch bis in die Justiz, wenn man bedenkt, was für Skandale aufgedeckt wurden und es niemand in den Knast verschlägt.

      • @Moritz Pierwoss:

        Der Internationale Währungsfond hat Argentinien nicht in den Abgrund getrieben. Das war die sozialistische Argentinische Regierung selber. Empirisch belegt.... Das ist die Natur des Sozialismus gewesen. Man nimmt keine Schulden an, wenn man weiß, dass man sie nie im Leben tilgen kann. Das ist Wirtschaft 101. Darauf würde ein Siebtklässler kommen. Die Regierung hat Schulden beim IWF aufgenommen und alles ausgegeben ohne sich darum zu kümmern, was zu verdienen. Was haben sie denn erwartet. Dass das Geld für ihre Tilgung auf Bäumen wächst?

  • "Neben den Gefahren des Abkommens" 20 Jahre verhandeln sollte man nicht als Gefahr betrachten, sondern weiterhin kritisch beobachten.

  • „leuchtendes Beispiel für die Kraft liberaler Ideen“. Da ist nix liberal dran. Das ist Neoliberal / Marktradikal und harmoniert bestens mit dem Faschismus.

    • @Andreas J:

      Die Hayek-Gesellschaft bejubelt jemanden der seine Kritiker niederknüppeln lässt und das Demonstrationsrecht per Dekret beschneidet. Das wundert aber auch nicht, wenn man sieht, wer in dieser selbst ernannten "liberalen" Gesellschaft Mitglied ist.

      • @B. Iotox:

        Die Kritiker, die Sie meinen, sind Personen die von den Organisatoren (z.B. Belliboni oder Grabois) zum Protest gezwungen und für Ihre eigenen Interessen missbraucht wurden. Protestaktionen die darauf abzielen Hauptstraßen und wichtige Handelsruten beabsichtigt blockieren zu wollten, gehören abgeschafft. Es kann auf den Gehwegen oder auf dafür gekennzeichnete Flächen protestiert werden. Wer aber meint gewalttätig werden zu müssen, dem werden eben die Leviten gelesen.



        Es ist nichts neues für das argentinische Volk. Die Intention war rein politisch, es sollte ein Druckmittel gegenüber der Regierung aufgebaut werden. Von der Regierung werden täglich Korruptionsvorwürfe aufgedeckt, das kann man aktuell alles auf neutralen Nachichtensendern wie TN oder La Nacion verfolgen.



        Bitte von schmiergeldgeförderten Nachrichtensendern wie C5N absehen.

      • @B. Iotox:

        Genauso wie Sozialisten die Regierung davor bejubelt, die immerhin dazu geführt hat dass 40% der Argentinischen Bevölkerung arm ist. Und genau, wenn Milei übernimmt und erst 1 Monat im Amt war schon 60% der Menschen in Armut leben (die 60% wurden von der Regierung davor schon projiziert). Ich weiß nicht was schlimmer ist, ein paar wenige Hundert bzw. wenige Tausend Opportunisten niederzuknüppeln oder Millionen von Menschen in Armut verrotten lassen. Vielleicht weißt du es besser

        • @Nanda Behr:

          Sozialismus heißt in aller Regel, jedenfalls wenn man sich so die Geschichte betrachtet:

          Immerhin geht es allen gleich schlecht.

          Na ja, manchen, also denen, die die schwere Last der Verantwortung tragen, vielleicht nicht ganz so. Aber die opfern sich ja auch schließlich so für "das Volk" auf, dass sie die Schnittchen schon verdient haben.