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Fußball-EM in der HauptstadtBerlin ballaballa

Vier Wochen lang wird die EM Berlin ihren Stempel aufdrücken. Fanmeile, Hooligans, Pride House und Bierpreise – die taz sagt, was wichtig ist.

Endlich Bullerbü Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin taz | Zu den sechs Spielen, die Berlin im Rahmen der am Freitag beginnenden Fußball-Europameisterschaft der Männer ausrichten wird, werden insgesamt 2,5 Millionen Be­su­che­r:in­nen aus 120 Ländern erwartet. Maximal 450.000 davon hätten Platz im Olympiastadion, alle anderen sind auf die beiden Fanzonen am Brandenburger Tor und am Reichstag angewiesen. Neben drei Vorrundenspielen – das erste am Samstag zwischen Spanien und Kroatien – werden in Berlin ein Achtel-, und ein Viertelfinalspiel sowie das Finale – am 14. Juli – ausgetragen. Auch für Fußball-Hasser:innen heißt das: Es gibt kein Entkommen.

Fanmeile: Hotspot neben dem Olympiastadion ist die Fanmeile auf der Straße des 17. Juni, die schon seit Wochen mit Kunstrasen ausgelegt ist. Der soll nachhaltigerweise nach der EM auf Bolzplätzen liegen. Ob er dann noch benutzbar ist? Am Tag nach der Eröffnung am Mittwochabend glänzte der weiche Untergrund sauber wie zuvor in der Sonne.

Getränke: Für umsonst lässt sich am Wasserspender trinken. Selbstversorgung ist erlaubt – aber nur alkoholfrei und in höchstens halblitergroßen Plastikflaschen oder Tetrapackungen. Wer’s alkoholig mag, muss an den Getränkeständen sechs Euro für ein Bier und sieben Euro für ein Weizen auszugeben bereit sein.

Awareness: In der Nähe des Stadions am Reichstag findet sich eine Anlaufstelle für Antidiskriminierung, etwa bei sexualisierter Gewalt – ein Novum bei dieser EM.

Public Viewing: Gemeinsames Fußballschauen gibt es in der ganzen Stadt, etwa im 11 Freunde Quartier im Astra Kulturhaus, in Biergärten und vor Spätis. Oder lauschig am Stadtrand mit einem Bad in der Halbzeitpause im Strandbad Wendenschloss in Köpenick. Eine Ausnahmeregelung der Lärmschutzvorschriften erlaubt Public-Viewing-Übertragungen auch nach 22 Uhr. Das Rufen der Polizei wegen lärmender Tor-Jubel ist zwecklos.

Pride House: Hier gibt’s Fußball ohne Rumgemacker. Im Poststadion in Moabit sollen insbesondere queere Menschen die Spiele live übertragen in respektvoller Atmosphäre sehen­ können. Das Pride House beruht auf einem Konzept für geschützte Räume bei sportlichen Großevents. Der Eintritt ist frei.

Tickets: Wer knapp 200 Euro übrig hat, kann sich bei semi-seriösen Anbietern noch Tickets für die Vorrunden sichern, für 2.000 Euro lässt sich sogar noch ein Platz fürs Finale ergattern. Über freie Tickets durften sich rund 50 Jugendtrainer:innen, Schieds­rich­te­r:in­nen oder andere Engagierte aus dem Berliner Sport freuen: Die Grünen und die Linken haben ihre Eintrittskarten, die der Senat an Par­la­men­ta­rie­r:in­nen ausgegeben hat, an sie weitergereicht.

Sicherheit: Die Angst vor Hooligan-Festspielen begleitet jedes große Fußballturnier, ebenso jene vor Terroranschlägen. Mit Polen wird eine der schlagkräftigsten Fanszenen schon in der Vorrunde in Berlin auflaufen. Für die Polizei bedeutet das Urlaubssperre. Am Sicherheitskonzept wurde zwei Jahre lang gefeilt, mehr als zehn Millionen Euro wurden investiert – in Lkw-Sperren oder speziel­le Fahrzeuge zur Drohnen-Abwehr. Super-Recognizer sollen Hooligans erkennen, Aufenthaltsverbote sie gleich ganz von neuralgischen Punkten fernhalten. „Nie sind die Sicherheitsmaßnahmen intensiver“ gewesen, so Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Ganz wichtig: Nicht erlaubt sind Rucksäcke und Taschen, die DIN-A4-Format überschreiten. Außerdem sind nur Fahnen von teilnehmenden Ländern erlaubt – also nicht von Israel, Palästina oder Russland.

Verkehr: Die BVG feiert sich dafür, „gut vorbereitet“ zu sein. So bekommt die U1 an den Spieltagen eine neue Linienführung und fährt alle zehn Minuten von der Warschauer Straße zum Olympiastadion. Die U2 soll „bis in den späten Abend im dichten Takt“ verkehren. Gleiches gilt für die U5 zur Fanmeile. „Ihr könnt entspannt feiern, wir fahren euch“, so BVG-Chef Henrik Falk. Was unerwähnt bleibt: Auf den Nicht-EM-Linien U4, U6, U7 und U9 wird der Fahrplan an Spieltagen ordentlich ausgedünnt. Aber hey, am U-Bahnhof Olympiastadion soll ein DJ „für gute Laune beim Warten“ auf den Zug sorgen.

Mommsenstadion: Das altehrwürdige Stadion im Eichkamp wurde in einer Hauruckaktion für den Trainingsbetrieb der in Berlin gastierenden Nationalmannschaften hergerichtet. Es gibt einen neuen Rasen, eine verbesserte Flutlichtanlage und eine LED-Anzeigetafel. Aus dem ursprünglichen Plan, das Stadion, Heimat von Oberligist TeBe, drittligatauglich zu machen, rückte man angesichts des gescheiterten Aufstiegs des BFC Dynamo ab – verzichtete also auf die Errichtung von Pressetribüne und Überwachungskameras. Charlottenburg bleibt den Hohenschönhausenern damit erspart – und umgekehrt.

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3 Kommentare

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  • Es wird gesoffen und randaliert, weil die "eigene" Mannschaft gewonnen hat, es wird gesoffen und randaliert, weil die "eigene" Mannschaft verloren hat.



    Könnte man nicht zuhause in den eigenen Stadien einfach nur so saufen und sich prügeln ohne zusätzliche Emissionen? Und warum hat Fußball diesbezüglich ein Alleinstellungsmerkmal?

  • Aber dann…

    Okay, Leute, diese EM lassen wir ihnen noch durchgehen als letztes Spektakel dieser Art, wir wollen ja keine Spielverderber sein, noch nicht…

    Aber spätestens zur nächsten Weltmeisterschaft muss Schluss sein: Ende des Millionen-Tonnen-CO2-Spektakels nur so zum Spaß für all die Ignoranten, denen der kurzlebige Torjubel wichtiger ist als das Weinen und Stöhnen der absaufenden Inselbewohner, denen die schrille Schiedsrichterpfeife mehr bedeutet als das rasselnde Atmen und Ringen nach Luft in den Dürrezonen!

    Um glaubwürdig zu bleiben und ohne sich wegzuducken vor der schieren Masse der grölenden Welt-Vergifter wird der Spaßgesellschaft ob mit Yacht, SUV, Jet oder milliardenfach Fußballschuh ein Ende bereitet, so viel eigenen Beitrag darf man erwarten angesichts des hohen Ziels; dafür muss man nicht hungern, sondern nur ein wenig verzichten…

  • Wo denn…



    wo denn bleiben all die Aktivisten und Aufrechten, die gegen diese grandiose „Umweltsauerei aus Spaß“ antreten, hineingrätschen und zur Notbremse ansetzen, die ihre Banner in der Kurve mutig… also hochhalten vor und im Stadion und im Nebel des Kohlenmonoxyd auf den Parkplätzen, die sich vor die Busse werfen und die Kameras, um entschlossen deutlich zu machen, dass in dieser Welt kein Raum mehr ist für letztlich tödliche Belustigungen jeder Art, alle Jahre wieder, ja allwöchentlich und ganzjährig?



    Sie werden doch nicht zucken vor den Fans und Hools und Ultras, nicht vor Papa und Mama mit den Kinder, den eigenen, die ihnen ja angesichts der drohenden Katastrophen wohl doch eher wurscht sind?

    Wenn die ganze Horde der Fußball-Besucher nur dumm ist, dann sei es Aufklärung; wenn sie aber wissen, „was wirklich auf dem Spiel steht“, dann sei es Widerstand!



    Woran also fehlt‘s?