+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Meuterei von rechts in Gaza

In einem Video hatte ein Mann mit massenhafter Befehlsverweigerung gegenüber dem israelischen Militär gedroht. Nun wurde er festgenommen.

Netanjahu und Gallant sitzen nebeneinander, ohne sich anzusehen

Nur auf Netanjahu (l.) wolle er hören, nicht auf den Armeechef oder Verteidigungsminister Gallant (r.) – so der Putschist im Video

Im Zusammenhang mit einem Video, in dem ein als Soldat gekleideter Mann mit einer Meuterei gegen den israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant gedroht hat, ist es nun zu einer Festnahme gekommen, teilte das israelische Militär mit.

Das zweiminütige Video des Mannes sorgt in Israel bereits seit Freitag für Aufruhr: Ein maskierter Mann mit Maschinengewehr in der Hand gibt sich als Reservist des israelischen Militärs aus und richtet von einem verlassenen Haus aus, möglicherweise in Gaza, eine Botschaft an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Darin droht der Mann mit massenhafter Befehlsverweigerung, sollte die Regierung keinen „totalen Sieg“ über die Hamas verfolgen und die Kontrolle über den Gazastreifen an die Hamas oder die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben. „100.000“ Reservisten würden sich weigern, sich den Befehlen von Armeechef Herzl Halevi oder Verteidigungsminister Joaw Gallant zu unterwerfen.

„Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, das Video ist für Sie“, sagt der Mann in dem Video: „Wir Reservisten haben nicht die Absicht, die Schlüssel an irgendeine palästinensische Behörde zu übergeben – weder an die Hamas noch an die Fatah noch an eine andere arabische Organisation. Die Reservisten stehen hinter Ihnen, und wir wollen gewinnen.“ Außerdem forderte er Gallant zum Rücktritt auf.

Der Sohn des Ministerpräsidenten, Jair Netanjahu, teilte das Video. Später erklärte das Büro seines Vaters, Netanjahu weise „unverhohlene Aufrufe zum Ungehorsam zurück“. Nicht zum ersten Mal geht ein Hetzvideo israelischer Sol­da­t*in­nen viral. Das israelische Militär leitete eine Untersuchung ein – möglicherweise eine Veränderung der bisherigen laxen Praxis. (taz)

Hamas greift Tel Aviv an

Der bewaffnete Flügel der Hamas, die Al-Kassam-Brigaden, hat eigenen Angaben zufolge einen „großen Raketenangriff“ auf Tel Aviv gestartet. Dies geht aus einer Erklärung der Gruppe auf einem Telegram-Kanal hervor. Der Grund wurde nicht unmittelbar bekanntgegeben.

Aus Rafah im Süden des Gazastreifens sind nach Angaben der israelischen Armee mindestens acht Raketen auf Israel abgefeuert worden. Einige der Geschosse, die auf das Landesinnere zielten, seien abgefangen worden, teilte die israelische Luftabwehr am Sonntag mit. Auch ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP im Gazastreifen beobachtete, dass mehrere Raketen aus Rafah abgefeuert wurden.

In Tel Aviv und im Zentrum Israels wurden die Bewohner mit Sirenenalarm aufgefordert, Schutz vor den Raketen zu suchen, wie AFP-Journalisten berichteten. Es war der erste Raketenalarm in der Region seit Monaten. Aus dem Zentrum des Landes wurden mindestens drei Explosionen gemeldet.

Der bewaffnete Arm der Hamas erklärte, er habe einen „großen Schwall Raketen“ auf die israelische Metropole Tel Aviv abgefeuert. Es handele sich dabei um eine Reaktion „auf die zionistischen Massaker gegen Zivilisten“, hieß es in der Erklärung der Essedin-al-Kassam-Brigaden. (afp/rtr)

Verhandlungen über Waffenruhe und Geiselaustausch sollen wieder aufgenommen werden

Die im Gaza-Krieg festgefahrenen Verhandlungen über eine Geiselfreilassung und Waffenruhe werden Medienberichten zufolge möglicherweise kommende Woche wieder aufgenommen. Die Unterhändler der USA, Israels und Katars hätten sich am Ende ihres Treffens in Paris auf einen Neustart der Gespräche im Verlauf der nächsten Woche geeinigt, berichtete die „Times of Israel“ am Samstagabend unter Berufung auf einen israelischen Beamten. Es gebe „neue Vorschläge“. Auch US-Beamte hätten von Fortschritten bei den Bemühungen um eine Wiederaufnahme der indirekten Verhandlungen gesprochen, es gebe aber noch keinen Termin, meldete das US-Nachrichtenportal „Axios“.

Derweil setzt Israels Armee die Kämpfe im Gazastreifen fort – ungeachtet der Aufforderung des Internationalen Gerichtshofs (IGH), den Einsatz in Rafah im Süden des Küstenstreifens sofort zu beenden. Entscheidungen des Gerichts sind bindend. Allerdings besitzen die UN-Richter keine Machtmittel, um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen. Mit der Entscheidung entsprach das Weltgericht einer Forderung Südafrikas. Israel verweist weiterhin auf sein Recht zur Selbstverteidigung. (dpa)

Übergang Kerem Schalom für Hilfslieferungen geöffnet

Erstmals seit einer Vereinbarung zwischen Ägypten und den USA sind Hilfslieferungen für den Gazastreifen von dem gesperrten ägyptischen Rafah-Übergang über den israelischen Übergang Kerem Schalom umgeleitet worden. Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News berichtete am Sonntag, 200 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern seien von Rafah nach Kerem Schalom gefahren, die Einfahrt in den blockierten Gazastreifen habe begonnen. Auch vier Lastwagen mit Treibstoff seien Teil des Transports.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte sich in einem Gespräch mit seinem US-Kollegen Joe Biden verständigt, die Lieferung humanitärer Hilfe, die von den Vereinten Nationen bereitgestellt werde, über den Grenzübergang Kerem Shalom „vorläufig“ zuzulassen.

Der Grenzübergang nach Ägypten in Rafah wurde vor rund drei Wochen nach der Übernahme der palästinensischen Seite durch Israels Armee geschlossen. Der Übergang Kerem Schalom zwischen Israel und dem Gazastreifen liegt nahe der Stadt Rafah und der ägyptischen Grenze.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, hatte dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant unter anderem vorgeworfen, für das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung verantwortlich zu sein. Er beantragte Haftbefehle gegen die beiden israelischen Spitzenpolitiker sowie gegen drei Hamas-Anführer. (dpa)

Massenproteste gegen Netanjahu in Israel

Unterdessen kam es Samstagnacht in mehreren Städten in Israel erneut zu Massenprotesten gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Wie die „Times of Israel“ berichtete, forderten die Demonstranten den Rücktritt von Netanjahu, vorgezogene Wahlen und eine Einigung über die Freilassung der von der islamistischen Hamas in Gaza festgehaltenen Geiseln. Bei einer zentralen Kundgebung in Tel Aviv mit nach Angaben der Organisatoren mehr als 80 000 Teilnehmern sei es zu Festnahmen gekommen, hieß es.

Die Protestierenden warfen Netanjahu vor, vor dem Überfall der Hamas am 7. Oktober im israelischen Grenzgebiet Warnungen ignoriert zu haben. Zudem machten sie ihn für das Schicksal der noch mehr als hundert Geiseln verantwortlich. Wenn die Regierung jetzt keine Einigung über ihre Freilassung erziele, „wird Israel letztendlich gezwungen sein, den Krieg ohne die Rückkehr der Geiseln zu beenden“, zitierte die Zeitung eine Angehörige der Entführten. (dpa)

US-Anlegestelle für Gaza-Hilfe durch Seegang beschädigt

Unterdessen haben hohe Wellen und stürmischer Seegang die vor gut einer Woche fertiggestellte provisorische Anlegestelle für humanitäre Lieferungen in den Gazastreifen beschädigt. Wegen des Seegangs hätten sich vier an der Mission beteiligte US-Militärschiffe aus ihrer Verankerung gelöst, teilte das für den Nahen Osten zuständige US-Regionalkommando (Centcom) mit. Zwei der Schiffe ankerten nun am Strand nahe dem temporären Pier vor dem Gazastreifen. Die beiden anderen seien vor der israelischen Küste bei Aschkelon gestrandet. Die Stadt liegt rund 15 Kilometer von Gaza entfernt. Das israelische Militär helfe bei der Bergung aller vier Schiffe, hieß es in der Mitteilung. US-Soldaten würden den Gazastreifen nicht betreten. Es gebe keine Verletzten und der Pier sei weiter funktionsfähig. (dpa)

Israels Armee dementiert Gefangennahme eigener Soldaten durch Hamas

Behauptungen der Hamas, sie hätten am Samstag bei Kämpfen in Dschabalia im Norden des Küstengebiets israelische Soldaten gefangenen genommen, wies die israelische Armee in der Nacht zum Sonntag umgehend als falsch zurück. Man stelle klar, „dass es keinen Vorfall gibt, bei dem ein Soldat entführt wurde“, hieß es in einer kurzen Mitteilung der israelischen Streitkräfte auf Telegram. Zuvor hatte die Armee mitgeteilt, in Dschabalia Dutzende feindliche Kämpfer, teils im Nahkampf, teils durch gezielte Luftangriffe getötet zu haben. Die israelischen Truppen zerstörten demnach außerdem Raketenabschussstellungen und Tunnelschächte und fanden eine große Zahl an Waffen.

Auch in Rafah im Süden Gazas hatten israelische Soldaten erneut mehrere palästinensische Bewaffnete getötet, die zuvor auf die Israelis geschossen hatten, wie die Armee am Samstag mitteilte. Zudem habe man in Rafah weitere Waffenlager und Tunnelschächte gefunden. Keine der Angaben ließ sich zunächst unabhängig überprüfen.

CSU-Generalsekretär kritisiert Robert Habeck scharf für Vorwurf des Völkerrechtsbruchs

CSU-Generalsekretär Martin Huber hat Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) für seinen Vorwurf des Völkerrechtsbruchs an Israel scharf kritisiert. „Die Aussagen von Robert Habeck sind unfassbar und beschämend“, sagte Huber der Deutschen Presse-Agentur. Der Wirtschaftsminister gieße „Öl ins Feuer der ohnehin schon antisemitisch aufgeheizten Stimmung in Deutschland.“

Habeck hatte Israels Vorgehen im Gaza-Krieg zuvor ungewöhnlich deutlich kritisiert. „Selbstverständlich muss Israel sich an das Völkerrecht halten. Und die Hungersnot, das Leid der palästinensischen Bevölkerung, die Angriffe im Gazastreifen sind – wie wir jetzt auch ja gerichtlich sehen – mit dem Völkerrecht nicht vereinbar“, sagte der Wirtschaftsminister am Samstag in einem Gespräch mit Bürgern beim Demokratiefest in Berlin. „Das heißt, es ist in der Tat so, dass Israel dort Grenzen überschritten hat, und das darf es nicht tun.“ Bisher hatte die Bundesregierung lediglich die Erwartung an Israel geäußert, sich im Gaza-Krieg an das Völkerrecht zu halten. Der Vorwurf des Völkerrechtsbruchs ist neu.

Huber warf Habeck vor, damit „das Narrativ der Hamas und der Israel-Hasser“ zu bedienen. Seine Vorwürfe grenzten an Täter-Opfer-Umkehr. „Er reiht sich damit ein in die antiisraelischen Propagandisten des linken Antisemitismus. Dieser darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben“, sagte der CSU-Generalsekretär.

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