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Neues Album von Dua LipaWassereis im Freibad

Dua Lipa veröffentlicht ihr Album „Radical Optimism“. Die Musik klingt harmlos, aber catchy. Der Balkan sendet nun Ohrwürmer in alle Jugendzimmer.

Dua Lipa: Lieben und Tauchen Foto: Tyrone Lebone

Das Schwimmbad Piscina Municipal de Montjuïc wurde 1929 auf dem Hausberg Barcelonas mit Blick auf die katalanische Metropole eröffnet, mit der Sagrada Familia, Hochhäusern, Bergen und dem Meer im Hintergrund. Renoviert wurde das Bad 1955 für die Mittelmeerspiele, erweitert für die Olympiade 1992, während der dort getaucht und Wasserball gespielt wurde.

Eingeschrieben ins popkulturelle Gedächtnis hat sich der Ausblick noch etwas später, als sich Kylie Minogue 2003 im tief ausgeschnittenen Kleid von Balenciaga zwischen den Becken räkelte, die Glieder lasziv zum Takt ihres Songs „Slow“ im dazugehörigen Musikvideo auf dem Handtuch bewegte.

2024 mietete sich wieder ein Superstar ein: Dua Lipa drehte dort „Illusion“, unter der Regie von Tanu Muiño. Lipas Video ist eine Hommage an „Slow“, mehr noch an Minogue als Künstlerin, auch Elemente aus „All The Lovers“ und „Get Outta My Way“ (beide 2010) verpackt sie darin.

Verneigung vor der Discoqueen

Die Popprinzessin verneigt sich vor der australischen Discoqueen. Das, was Lipa rund um die Becken anstellt, ist visuell sogar noch aufregender als Minogues Tableau Vivant. Was da nicht alles den Sehnerv umgarnt: leicht bekleidete Tänzer, in der Mittelmeersonne posend. Turmspringer synchron und in Zeitlupe. Taucher. Kunstschwimmer.

Dua Lipa – Album

Dua Lipa: „Radical Optimism“ (Urban/Universal)

Ein nixenhaf­tes Wasserballett. ­Menschliche Pyramiden, ähnlich den Castells, die man in Katalonien bei großen Fiestas auftürmt. Wassertropfen perlen von makelloser Haut, nasses Haar umspielt ebenmäßige Gesichter und auch Barcelona zeigt sich von seiner besten Seite. Es ist eine perfekt choreografierte, sexy Poolparty. Und inmitten all dem göttinnengleich die Sängerin.

Phänomenal schön ist Dua Lipa immer, vor der Kulisse funkelt sie noch ein bisschen mehr. Der Song selbst kann da kaum mithalten. Mit „Slow“ erfand sich Minogue damals neu. Es ist ein genialer Track, auch heute noch, 21 Jahre später. Fraglich, ob man das 2045 auch über „Illusion“ sagen wird.

Hybrid für den Dancefloor

„Illusion“ ist die dritte Single, die Dua Lipa aus ihrem neuen, dritten Album „Radical Optimism“, das am Freitag erschienen ist, veröffentlichte. Gut gewählt, hört man sich das ganze Werk an. „Illusion“ sticht heraus, ein Eurodance-Kracher, der sofort in Kopf und Körper schießt, ein tanzflächentaugliches Hybrid aus Neunziger- und frühen Nullersounds, dem Lipas markante Stimme die nötigen Ecken und Kanten gibt.

„Illusion“ ist ein echter Hit. Vielleicht nicht mehr in 21 Jahren, aber zumindest in diesem Sommer. Komponiert hat ihn Lipa gemeinsam mit der norwegischen Sängerin Caroline Ailin, mit der sie schon länger arbeitet, mit dem britischen Musikproduzenten und Komponisten Danjny L Harle, dem kanadischen Musiker Tobias Jesso Jr. und Kevin Parker von Tame Impala, der am gesamten Album mitwirkte. Mit dem Album „Radical Optimism“, betonte sie im Vorfeld immer wieder, beginne eine neue musikalische Ära für die 28-Jährige. Auf Social Media veranstaltete sie ein Riesenbrimborium, einen Countdown bis zum großen Tag.

Und für was? Irgendwie schal ist das Gefühl, das „Radical Optimism“ hinterlässt. Vielversprechende Referenzen hatte Lipa aufgezählt, britische Ravekultur, Primal Scream, Massive Attack und der Britpop der Neunzigerhätten sie inspiriert. Nur: Wo soll man die bitte heraushören? Vor allem klingt Dua Lipa auf ihrem neuen Album nach sich selbst, was freilich nichts ist, was man ihr vorwerfen kann.

Wo sind denn die Zwischentöne?

Was ihre Inspira­tionsquellen betrifft, fühlt man sich aber in die Irre geführt. Statt an Blur denkt man eher an Abba und bei manchen der Songs würde man sich nicht wundern, liefen sie im Wettbewerb des ESC. Wenig innovativ klingt das insgesamt, genau hinhören muss man, um dann doch ein paar spannendere Zwischentöne zu entdecken.

Lipas Sprechgesang auf dem subtil psychedelisch anmutenden „End of an Era“ etwa. Und „Maria“, Lipas von Akustikgitarre und Flöte begleitete Hymne an die Ex ihres Lovers, die an die frühe J.Lo erinnert. „Anything for Love“, wo sie zunächst die stimmgewaltige Neunziger-Balladendiva mimt, um dann in einen Beat umzuschalten, der aus Janet Jacksons „Together again“ (1997) stammen könnte.

Zu spät geboren ist Dua Lipa eigentlich für solche Songs. 1995 kam sie in London zur Welt, wohin ihre Eltern aus dem Kosovo, damals noch ein Teil Jugoslawiens, ausgewandert waren. Als sie 11 war, kehrte die Familie dorthin zurück. Schon früh wusste Lipa, dass sie Musikerin, Performerin werden wollte, und dass Pristina sich dafür wenig eignete.

Zurück nach London

Mit 15 zog sie allein wieder nach London. Erste Songs veröffentlichte sie auf SoundCloud und YouTube. Auf „New Love“ (2015), ihre Debütsingle, folgte „Be the One“. 2017 erschien ihr schlicht „Dua Lipa“ benanntes erstes Album. Mit „Future Nostalgia“, veröffentlicht 2020 während der Pandemie, kam der Durchbruch.

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Illusion

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Von der Bildfläche verschwunden war sie die vergangenen vier Jahre nicht. Ein Werbedeal mit Yves Saint Laurent sorgte dafür, dass man ihr Gesicht nicht vergaß, sie ging auf Tour, im Sommer brachte sie gemeinsam mit Donatella Versace eine Modekollektion namens „La Vacanza“ heraus und dann war da noch „Barbie“. Für Greta Gerwigs Film steuerte Lipa nicht nur einen Song zum Soundtrack bei, sondern spielte mit, als Meerjungfrauenbarbie.

2021 habe ihr ein Freund gesagt, die Welt brauche radical optimism. Was sie dann noch aufzählt, könnte aus einem Handbuch für toxic positivity stammen: „Selbst in den härtesten Tagen finde ich Optimismus und suche nach Möglichkeiten, daran zu wachsen. Ich nutze die Macht der Worte als Katalysator für Hoffnung und versuche so, selbst inmitten von Chaos, Schönheit und Bedeutung zu finden.“ Aber kann man es ihr verübeln? Ist nicht genau dafür Popmusik da? Um mitten im Chaos Schönes hervorzubringen?

Eigener Newsletter

Um tiefere Bedeutung aber geht es in Dua Lipas Musik kaum. Dafür nutzt die Sängerin vor allem ihren Kultur- und Lifestyle-Newsletter. Auf Service95 empfiehlt sie Kunst und Kino, macht auf humanitäre Themen aufmerksam, interviewt Persönlichkeiten wie Patti Smith. Für ihre Podcastserie „Dua Lipa: At Your Service“ sprach sie unter anderem mit ihrer Kollegin Billie Eilish und der Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad.

Ernst zu nehmen ist auch ihr Engagement für Feminismus und LGBTQIA-Rechte. Und ihre Auseinandersetzung mit ihrer Identität als Kosovo-Albanerin. In Pris­tina organisiert sie mit ihrem Vater ein Musikfestival. Wichtig: Sie bringt den Balkan in globale Jugendzimmer und den Pop dorthin zurück.

In ihren Songs kann sie sich indes ganz auf ihren USP konzentrieren: Dua ist das albanische Wort für Liebe. In jedem Song wird sie thematisiert. Da geht es um Typen mit Potenzial – „Who knows, baby? This could be forever, forever“ („End of an Era“), und solche, die maximal für Spaß auf der Tanzfläche taugen – „I still like dancin’ with the lessons I already learned“ („Illusion“).

Sie sinniert über den Ex, der eine Neue hat und die noch dazu top aussieht („Happy for you“), Tränen fließen aber selbst da keine. Die Sängerin, von der es aktuell heißt, sie sei mit dem Schauspieler Callum Turner verbandelt, scheint ein recht entspanntes Singleleben gehabt zu haben, als sie die Texte schrieb. Liebschaften bleiben oberflächlich – „We’re all so ­scared of forever“ („Anything for Love“), wenn es sein muss, stiehlt sie sich davon („French Exit“) oder sie ghosted („Houdini“).

Null Gefühlsdrama gönnt Lipa ihren Zuhörer*innen, alles schmilzt zuckersüß dahin wie Wassereis im Freibad. Eben für solche Orte ist „Radical Optimism“ in erster Linie gemacht. Dua Lipa ist eine Ohrwurmmaschine. Schon die drei Vorabsongs schallen einem seit Wochen und Monaten aus jedem Backshop, Taxi und Einkaufszentrum entgegen. Das wird mit den restlichen nicht anders sein.

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1 Kommentar

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  • Gibt es über nichts Besseres zu berichten als über den nächsten Goldesel der Mode- und Musikindustrie. Diese ganzen durchkommerzialisierten Talente sind so beliebig wie eh und je und werden sicherlich keine Musikgeschichte schreiben ...