Angriffe von Milizen und Mafia: Tot, weil sie die Umwelt schützten
In Mexiko wurden 2023 mindestens 123 Aktivist*innen rücksichtslos angegriffen, 20 starben. Sie wehrten sich gegen Großprojekte wie den Tren Maya.
Die Zahl der tödlichen Aggressionen gegen Umweltaktivist*innen sei in der fünfjährigen Amtszeit von Präsident Andrés Manuel López Obrador auf 102 gestiegen, erklärte Cemda-Leiter Gustavo Alanís Ortega. Zwar seien 2023 4 Personen weniger bei solchen Angriffen gestorben als 2022, aber beruhigt habe sich die Lage nicht. „Die Gewalt geht nicht nur weiter, sondern verschärft sich und ist in allen Ecken und Regionen des Landes präsent“, informiert Cemda. Schon jetzt zählt Mexiko der Organisation Global Witness zufolge neben Brasilien und Kolumbien für Umweltschützer*innen zu den gefährlichsten Ländern.
Von den Attacken sind Aktivist*innen, die sich gegen Großprojekte der Regierung wehren, genauso betroffen wie Indigene, die sich dem Bau von Staudämmen widersetzen. 57,7 Prozent der Opfer stammen aus indigenen Gemeinden. Die meisten Angriffe fanden im Zusammenhang mit Kämpfen gegen den Bergbau statt, gefolgt vom Widerstand gegen Infrastrukturanlagen und der Verteidigung von Wäldern.
Über die Hälfte der Angriffe sei von Soldaten und der militärisch strukturierten Nationalgarde ausgegangen. Das ist naheliegend, denn zu den umstrittensten Projekten der Regierung zählen der Touristenzug „Tren Maya“ auf der Halbinsel Yucatán und eine Containertrasse „Transístmico“ im Isthmus von Tehuantepec, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet.
Beide stehen unter Kontrolle der Armee, seit López Obrador infrastrukturelle Großanlagen für sicherheitspolitisch relevant erklärte. Dass der linke Präsident die Gegner*innen seiner Vorhaben immer wieder verbal angreift, sorgt nicht gerade für Entspannung. Mehrmals attackierten Sicherheitskräfte indigene Gruppen, die Straßen blockierten, um gegen den Transístmico zu protestieren.
Widerstand gegen Prestigeprojekte
Die Mixe befürchten, dass die Vorhaben ihre Lebensgrundlagen zerstören. Maya-Gemeinden wehren sich, weil wegen des Tren Maya unzählige Bäume gefällt und seine Gleise auf einem fragilen, umfangreichen Wassersystem gebaut wurden. Aktivist*innen gegen diese beiden Projekte wurden Cemda zufolge 18-mal angegriffen.
An zweiter Stelle sind es Kriminelle, die gegen Umweltschützer*innen vorgehen. Viele Regionen werden vom organisierten Verbrechen kontrolliert. Häufig kooperieren die Gruppen mit Politiker*innen, Beamt*innen und Unternehmen, um Transportrouten für Drogen abzusichern, Schutzgeld zu kassieren oder an der legalen Wirtschaft mitzuverdienen. So auch im Bundesstaat Michoacán, wo die Mafia in die Abholzung von Wäldern involviert ist und von Avocado-Bauern „Steuern“ eintreibt. Wer sich dort gegen die Interessen der Kriminellen stellt, lebt gefährlich. Cemda erinnert an drei Mitglieder der Gemeinde Santa María Ostula, die 2023 ermordet wurden.
Die Organisation fordert von der Regierung, dass sie Regelungen zum Schutz von Aktivist*innen umsetzt, wie sie im Escazú-Abkommen zur Beteiligung der Öffentlichkeit am Umweltschutz festgeschrieben sind. Angriffe bei der Durchsetzung von Megaprojekten und der Ausplünderung natürlicher Ressourcen müssten besondere Beachtung finden.
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