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Verkehrspolitik in HannoverParken, parken über alles

Im Streit um die Parkplätze auf dem Köblinger Markt zeigt sich, wie weit das Niveau der Debatte im Rat gesunken ist.

Der Oberbürgermeister (2. von links) und sein Staffelteam vor dem Hannover Marathon Foto: Stadt Hannover

M an wundert sich ein bisschen, dass die SPD sich noch gar nicht zum Hannover-Marathon am vergangenen Wochenende geäußert hat. Haben die obersten Schutzpatrone der heiligen Parkplätze denn gar nicht mitbekommen, was da gelaufen ist?

296 abgeschleppte Fahrzeuge! Haufenweise gesperrte Straßen und hinterrücks über Nacht aufgestellte Verbotsschilder – nur damit der grüne Oberbürgermeister und 25.000 andere Verrückte durch die Stadt traben können!

Aber vermutlich waren die Sozis noch damit beschäftigt, beleidigt zu sein, weil der ADAC ihnen in den Rücken gefallen ist. Das war ja schon eine drollige Diskussion in den letzten zwei Wochen.

Da dachte die inoffizielle Deutschland-Koalition aus SPD, CDU und FDP im Rathaus sie könnte dem Innenstadtkonzept des grünen Oberbürgermeisters noch einmal so einen richtig schönen Tritt verpassen.

Es ging um den Köblinger Markt. Für nicht so Ortskundige: Das ist ein eigentlich ganz hübscher, großer Platz hinter der Markthalle, gut gelegen am Rande der Altstadt, beschattet von riesigen Platanen. Aktuell beschatten die allerdings vor allem rund 100 Parkplätze, was den Platz nun nicht gerade zu einem angenehmen Ort zum Verweilen macht.

Eigene Ideen und Konzepte? Och nö.

Theoretisch hätte hier längst etwas Neues entstehen sollen: Das hässliche alte Ordnungsamt sollte abgerissen werden, ein Wohnkomplex mit Geschäften und Gastronomie entstehen. Man könnte nun mit Fug und Recht kritisieren, dass es hier immer noch nicht voran geht – immerhin redet man da auch schon seit gut zehn Jahren drüber, der Bebauungsplan steht, passiert ist nichts.

Dabei würde eine solche Nutzung den Charakter des Platzes ja an sich schon ändern. Vorausgesetzt, es gelingt einem an dieser Stelle ausnahmsweise, Wohnen und Außengastronomie in Einklang zu bringen – anderswo in der Stadt wird Letztere häufig weggeklagt, weil es offenbar viele Menschen gibt, die zwar mitten in der Stadt wohnen möchten, sich dann aber daran stören, dass die Geräusche macht.

Darüber, wie man den Platz nutzt, müsste dann halt immer noch geredet werden. Es gibt bisher nur ein paar vage Entwürfe, vielleicht ein bisschen Funsport, ein Spielplatz, ein Wochenmarkt, ein Dies, ein Das.

In der Markthalle findet man aber natürlich auch Händler, die routinemäßig schon einmal aufheulen, wenn dabei Parkplätze zur Disposition stehen. Die versucht die SPD im Verbund mit diesen anderen Parteien nun ins Feld zu führen.

Also nicht etwa, indem man ein eigenes Konzept vorlegt oder Ideen entwickelt oder sonst so etwas Verrücktes, sondern indem man einen Antrag vorlegt und beschließt, dessen einzige konkrete Forderung lautet: Die Verwaltung soll einen Plan vorlegen wie „ein größerer Anteil der gegenwärtig vorhandenen Stellflächen für Pkw dauerhaft erhalten werden kann“.

Nicht mal der ADAC zieht mit

Blöd bloß, wenn selbst der ADAC der Hannoverschen Allgemeinen sagt: Och, da wären schon Parkplätze verzichtbar, immerhin gibt es drei Parkhäuser in der Nähe, die nie ausgelastet sind, und vielleicht sollte man das ja auch eher aus städtebaulicher Perspektive betrachten und die Debatte mal sachlich führen.

Bei der Formulierung des Antrages zuckt natürlich auch gleich der innere Deutschlehrer und fragt: Größer als was? So ein Komparativ benötigt doch irgendeine Bezugsgröße, aber es liegen ja gar keine konkreten Pläne vor.

Größer als was also? Die Antwort müsste ehrlicherweise heißen: Uns doch egal, Hauptsache größer als das, was diese Grünen wollen. Die tun dem politischen Gegner natürlich auch noch den Gefallen sich ganz furchtbar aufzuregen.

Und so bewegt sich das Niveau der politischen Debatte in Hannover auf dem Niveau von Loriots Sketch „Herren im Bad“, in dem Müller-Lüdenscheidt und Dr. Klöbner um eine Hotelbadewanne streiten. Noch zwei Jahre bis zur Kommunalwahl. Puh. Hoffentlich gewinnen da am Ende nicht die ganz Humorlosen.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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4 Kommentare

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  • "Vorausgesetzt, es gelingt einem an dieser Stelle ausnahmsweise, Wohnen und Außengastronomie in Einklang zu bringen – anderswo in der Stadt wird Letztere häufig weggeklagt, weil es offenbar viele Menschen gibt, die zwar mitten in der Stadt wohnen möchten, sich dann aber daran stören, dass die Geräusche macht."

    Grundsätzlich ist der "Vorwurf" in der zweiten Hälfte des Zitats natürlich berechtigt. Sofern man lärmempfindlich ist, sollte man sich nicht freiwillig oder gar absichtlich in einer Umgebung niederlassen, in der es laut oder akustisch lästig werden kann.

    Erstaunlicherweise wird dieser "Vorwurf" allerdings deutlich seltener erhoben, wenn Menschen, die in der Stadt wohnen, versuchen, den (Straßen-)Verkehrslärm wegzuklagen. Dabei sind Geräusche, die als Lärm wahrgenommen werden, immer (gesundheitlich) belastend. Es ist völlig egal, ob es sich um Verkehrs-, Nachbarschafts- oder sogenannten Freizeitlärm handelt. Nicht die Herkunft des Lärms ist von entscheidender Bedeutung, sondern dessen Eigenschaften. Wie oft und zu welchen Zeiten tritt er auf? Wie lange dauert er an? Mit welchem Schalldruck (Lautstärke) erreicht er die "Empfänger"? Und (ganz wichtig), wieviel Informationsgehalt hat er?

    Der Lärm von Außengastronomie ist ungleichmäßig, stark informationshaltig und ragt insbesondere in den Abendstunden aus dem sonstigen Umgebungslärm heraus. Es ist schwer (nicht nur in Innenstädten), das mit den Interessen jener in Einklang zu bringen, die ihr Wohlgefühl zur gleichen Zeit nicht bei der Außengastronomie suchen.

    Die Umgestaltung von Verkehrsraum (inkl. Parkplätzen) in Räume für lärmintensive Freizeitaktivitäten halte ich (insbesondere in dicht besiedelten Umgebungen) für keine gute Idee.

    • @Al Dente:

      Da haben Sie vollkommen Recht. Ich gehe sogar noch weiter. Wenn in einem ehemals ruhigen Quartier plötzlich Gastronomie und Gewerbe entstehen, ist Aufregung viel eher berechtigt, als wenn ich absichtlich in die Nachbarschaft einer Stadtautobahn ziehe, und mich dann über Lärm beschwere.

      • @Jan W.:

        Vielen Dank für die Kommentare zum Veranstaltungs- und Kneipenlärm. Ich sehe das aus eigener Erfahrung ganz genauso.

        Verkehrslärm ist meistens eher gleichmäßig und lässt sich daher oft mental ausblenden. Außerdem nimmt er üblicherweise gegen Abend ab.

        Lärm von Veranstaltungen und Kneipen ist dagegen sehr ungleichmäßig und nimmt bis zum Schließen mit dem steigenden Alkoholpegel zu. Es gibt immer wieder Gruppen, in denen einige versuchen, durch zunehmende Lautstärke gegenseitige Aufmerksamkeit zu erhalten, was extrem störend ist, wenn man in der Nähe wohnt und gerne zur Ruhe kommen möchte.

        Die häufige Forderung "Dann zieh doch weg!" halte ich nicht für sozialverträglich. Wollen wir wirklich Menschen zum Umziehen zwingen, damit andere ihren Spaß haben können? Ist es wirklich sinnvoll, wenn immer mehr Menschen aus diesen Gründen an den Stadtrand ziehen, ein großes Einfamilienhaus bewohnen anstelle einer eigentlich ausreichenden Stadtwohnung und sich am besten noch ein Auto zulegen, da viele Wege nicht mehr einfach zu Fuß zu erledigen sind und der ÖPNV kein hinreichender Ersatz ist? Und wer sich dies nicht leisten kann oder zu alt dafür ist, darf dann unter dem Lärm leiden.

        • @Biks:

          Ich als Anwohner einer Hauptverkehrsstraße mit Außengastronomie 3 Stockwerke unter mir kann Sie leider nicht nachvollziehen. Der Straßenverkehrslärm ist das einzige was ich höre, er macht mich verrückt und ich kann nicht weghören. Wenn ich Abends am belebten Restaurant vorbei zum Treppenhaus gehe, freue ich mich immer für die Menschen, die dort einen netten Abend verbringen. Ja, es ist keine Kneipe mit Gegröhle, aber sein wir ehrlich: Die fragliche Außengastronomie in Innenstadtneubauten wird wohl auch eher für die obere Mittelschicht erschwinglich sein als für die untere.



          Ob Lärm tatsächlich stört, hängt in meiner Wahrnehmung eher davon ab, wie man seiner Quelle gegenüber eingestellt ist, bzw. ob man sie nachvollziehen kann: Mag man Autos? Wie klassistisch ist man? Mag man, überspitzt formuliert, Menschen, die mehr Spaß haben als man selber? Mag man Züge oder U-Bahnen? Und natürlich sind dafür die eigenen Lebenserfahrungen und das soziale Umfeld, bzw die Klassenzugehörigkeit wenn man so will, sehr wichtig. Wer in der Lage ist, gegen Lärm zu klagen, gehört bspw schon einer recht exklusiven Klasse an. Aber weil wir in Deutschland sind, reden wir uns ein, Klassenunterschiede gäb's bei uns nicht mehr, und alle seien im Grunde wie unser eigenes Umfeld. Unfug.