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Sozialverband stellt Bericht vorArmutsquote ist weiter hoch

Jeder sechste Mensch in Deutschland ist arm, vor allem Kinder sind betroffen. Der Paritätische Gesamtverband fordert Veränderung.

Eine Spendenkiste vor der Tür des Familiencafés im SOS-Kinderdorf in München-Riem Foto: Catherina Hess/picture alliance

BERLIN taz | Armut bleibt in Deutschland ein großes Problem. Laut einem aktuellen Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes gab es im Jahr 2022 insgesamt 14,2 Millionen Menschen, die von Armut betroffen waren. Mit 16,8 Prozent liege die Armutsquote zwar um 0,1 Prozentpunkte unter dem Vorjahresergebnis, doch das sei nicht mehr als „ein statistisches Flimmern“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, am Dienstag in Berlin.

Die Quote verbleibe auf hohem Niveau. Von einer Trendwende gehe er aufgrund der Zahlen nicht aus. Vor allem im Bereich der Kinderarmut sei ein neuer trauriger Rekordwert zu verzeichnen. Neuere Zahlen zum Jahr 2023 wurden nicht präsentiert.

Der Bericht stützt sich auf den sogenannten Mikrozensus des Statistischen Bundesamts. Als arm gelten Menschen laut der Berechnung dann, wenn sie mit ihrem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegen. Bei einem Single ohne Kinder liegt die Armutsschwelle für das Jahr 2022 beispielsweise bei 1.186 Euro, bei einem Paar ohne Kinder bei 1.779 Euro. Besonders gefährdet sind weiterhin Alleinerziehende. Dort liegt die Armutsquote bei 43,2 Prozent. Außerdem ist jedes fünfte Kind (21,8 Prozent) betroffen.

Arm trotz Arbeit und Rente

Besonders diejenigen, die trotz Erwerbstätigkeit und Rente nicht genug Geld auf ihrem Konto haben, müssten mehr in den Blick genommen werden, betonte Schneider. Nur 6 Prozent der erwachsenen Armutsbevölkerung sind laut des Berichts arbeitslos. 34 Prozent sind dagegen erwerbstätig und 30 Prozent bereits in Rente. Der Paritätische fordert eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro, um genau diese Erwerbstätigen aus der Armut zu bekommen. Zudem schlägt der Sozialverband einen Umbau der Rentenversicherung hin zu einer allgemeinen Bürgerversicherung vor.

Das alles brauche natürlich Geld und eine echte Umkehr in der Finanzpolitik, sagte Schneider. Die Anregung, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) Ende Februar äußerte, man könne bei Sozialausgaben mal drei Jahre versuchen, mit dem auszukommen, was man habe, wies Schneider in Anbetracht des Berichtes entschieden zurück und nannte den Vorschlag „unverantwortlich“.

Aufgrund der hohen Zahl von armutsbetroffenen Kindern fordert der Sozialverband eine angemessene Höhe der geplanten Kindergrundsicherung. Es bringe schlichtweg nichts, wenn der Weg zur Beantragung in Zukunft einfacher wäre, aber nicht mehr Geld bei den Kindern ankomme. „Die Wahrheit liegt im Portemonnaie und nicht in irgendwelchen Verfahrenswegen“, so Schneider.

Priorität auf Kinderarmut setzen

Auch das Deutsche Kinderhilfswerk forderte am Dienstag, „der Bekämpfung der Kinderarmut endlich die dringend notwendige Priorität einzuräumen“. Dessen Bundesgeschäftsführer, Holger Hofmann, appellierte daran, dass man trotz der angespannten Haushaltslage nicht die Not der von Armut betroffenen Kinder aus den Augen verlieren dürfe. Er forderte einen „Paradigmenwechsel“ und eine echte Kindergrund­sicherung, die die Armutszahlen spürbar senke und sich damit an den tatsächlichen Bedarfen der Kinder und Jugendlichen orientiere. „Das gibt es nicht zum Nulltarif“, stellte Hofmann allerdings klar.

Die Dunkelziffer der Armutsbetroffenen dürfte derweil höher sein. Bei der vom Statistischen Bundesamt berechneten Armutsquote werden Menschen, die keinen eigenen Haushalt führen, nicht erfasst. Dazu gehören wohnungslose Menschen oder diejenigen, die in Pflegeeinrichtungen oder Wohnheimen der Behindertenhilfe leben.

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7 Kommentare

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  • 34 Prozent der Armen arbeiten, fragt sich, wie es möglich sein kann, dass Menschen arbeiten und dennoch arm sind?

    Der große Niedriglohnsektor, Aufstocken und Teilzeit bei Alleinerziehenden sind wohl die Ursache, aber eben auch sehr geringe Lohnsteigerungen.



    Der Staat hat über SGB II, Mindestlohn und lückenhafte Kontrollen einen Rahmen für Armutsarbeit geschaffen, der bisher ausdrücklich erwünscht gewesen ist. Laut Bundesregierung gibt es übrigens keine Armut, sondern allenfalls Armutsrisiken.

    Da liegt das Grundproblem: Der Staat sieht über die echte Armut hinweg und tut folglich auch nichts dagegen. Und viele Arme sind wehrlos, sie können sich Gewerkschaftsbeiträge nicht leisten, sind nicht in Parteien.

    Wenn es aktuell nach Merz CDU/CSU und der FDP ginge, würden noch mehr Arbeitnehmer verarmen, weil dann die Gewinne der Unternehmer steigen. Das wäre Kamikaze, aber es ist nicht ausgeschlossen. Die Verarmung dauert mehr oder weniger seit 1982 West und 1990 Ost an. Bisher hat keine Regierung versucht, die Verarmung aufzuhalten. Die 30 Prozent arme Rentner zeigen, wohin es geht: Immer mehr Lebenssituationen führen in einen Zustand der Armut und der ist oft dauerhaft.

    Ich würde sagen, der rechtlich-politische Rahmen muss radikal geändert werden. Sonst steigen die Zahlen in fünf oder zehn Jahren weiter....

  • Eventuell sind die Kinder arm weil deren Eltern nicht mit Geld umgehen können.



    Wenn ich im Supermarkt Eltern sehe die Pizzakartons kaufen, weil billig und im Auto rauchen wo hinten die Kinder sitzen und das Auto nie gereinigt wird…



    Sicher ein Klischee oder auch Vorurteil von mir.

    • @Tino Winkler:

      Zum letzten Satz: Nicht nur, zum großen Teil stimmts.



      Andere sind arm, weil ein Entkommen aus der Situation durch profitgierbedingte Ausbeutung und krebsartig wachsenden Bürokratismus unmöglich gemacht wird.

    • @Tino Winkler:

      Es gab jahrelang 1,5 Mio. arme Kinder und Jugendliche in Deutschland. Die bezogen SGB II-Leistungen und waren rechtlich stark eingeschränkt, wenn die z.B. einen Minijob machten, mussten sie fast alles abgeben, also von €450 blieben ihnen €110, sie konnten ab ihrer Armut selber wenig ändern, die Eltern waren oft alleinerziehende, konnten oft nicht Vollzeit arbeiten und/oder mussten schlecht-bezahlte Arbeit annehmen, bzw. die Jobcenter haben sie sogar dazu gezwungen. Ich würde sagen, dass es leicht ist, über Armut von Kindern etwas zu schreiben, die Fälle in der Realität sind aber bitter und diese Menschen sind auch als Erwachsene noch stark von Ängsten und Verunsicherung geprägt. Rauchen ist extrem teuer, dass können sich arme Eltern gar nicht leisten, insofern verwechseln sie hier glaube ich zwei vollkommen unterschiedliche Sachverhalte, nämlich verantwortungslose Eltern und arme Eltern.

  • Was ist los im deutschen Staat, haben Verantwortliche in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft zwar Zeitenwende Gong gehört aber nicht in Richtung, woher er kommt geschaut? nämlich der Klimatransformation von industriell gemachter Weltklimakrise, die auf eine sich selbst regulierende Binnenwirtschaft angewiesen ist, weg von hochsubventionierter Exportwirtschaft mit Lieferketten Lagerhaltung auf Rädern on Demand Just in Time extrem hohen CO2 Emissionen hin zu einer Binnenkreislaufwirtschaft vernetzt mit jenen anderer Länder, gestützt auf steigende Binnenkaufkraft, Abschöpfung eingefrorener Überhangkaufraft vermögender Schichten drohender Inflation entgegen zu wirken statt durch inflationsnähend staatliche Neuverschuldung, über Steuern Investitionen inflationsneutral zu finanzieren in Instandsetzung, Modernisierung von Infrastruktur, Kitas, Schulen, kostenloser Mittagstisch, kostenloses Hochschulstudium. Fachkräfteausbildung, bundesweite ÖPNV Mobilität, allgemeine und politische Bildung, kulturelle wie politische Teilhabe, Kultur-, Medien-Flatrates, sich Parteimitgliedsbeiträge, Kino-, Theater-Tickets, Zeitung Abos leisten zu können vor allem .in Ballungsgebieten, ländlichem Raum als Offensive gegen Rechts. Kinderarmut, Armut Alleinerziehender, Rentner ist Frage, welchem Geschäftsmodell deutscher Wirtschaft wird Vorrang gegeben welches staatlich gefördert, genannte Klimatransformation- Binnenkreislaufwirtschaft oder bisheriges hochsubventioniert deutscher Exportwirtschaft mit Klumprisiko, dass deutsche Verstöße gegen EU, IWF, WTO Regeln auffliegen durch unerlaubt staatliche Lohnsubvention privater, staatlicher Arbeitgeber zulasten allgemeiner Binnenkaufkraft voran von Niedriglohnsektor Arbeitnehmern ohne betriebliche Mitbestimmung, Rentenansprüche, Bildungsurlaub, Boni, Inflationsausgleich, Urlaubs-, Weihnachtsgeld und jenen Stammpersonals im selben Betrieb mit diesen gemeinsam über Generationen erkämpften Errungenschaften, was Demokratieabbau in Wirtschaft abbildet?

  • Solange ein bestimmter Bruchteil eines bestimmten Einkommens als Armutsqualifikation gilt, solange wird es Armut geben (außer jeder verdient das gleiche Einkommen, wobei ja dann auch alle als arm gelten könnten). Dies gilt selbst dann, wenn jeder mehr als eine Mio. verdienen würde. Insoweit kann diese Berechnung schlichtweg nicht als Grundlage für irgendwelche Auskünfte über Armut herangezogen werden und ist vollkommen untauglich.

    Auch die Aussagen zu Kindern sind vollkommen unzureichend, den es bleibt vollkommen unklar, ob als arm geltende Menschen schneller und mehr Kinder bekommen als nichtarme Personen oder ob nichtarme Menschen erst durch Kinder verarmen. Zwecks Verbesserung der Statistik müsste der Staat mehr als reich geltende Menschen überzeugen, mehr Kinder zu bekommen. Auch die Kindergrundsicherung hat genau diese Wirkung, ohne dass sich irgendwas an der eigentlichen Situation bessert.

  • Jetzt muss der Sozialverband nur noch erklären wie diese immense Armut mit der Höhe des Bürgergeldes korreliert.