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Omas gegen rechtsÜbersehene Feministinnen

Katrin Gottschalk
Kommentar von Katrin Gottschalk

Die Omas gegen rechts sind derzeit die größte Frauenbewegung auf der Straße. Zeit wird es, sie auch in die politischen Diskussionsrunden einzuladen.

Im antifaschistischen Einsatz: die Omas gegen rechts

S ie tragen bunte Mützen oder Regenschirme. In den Händen halten sie schlichte Schilder, Schwarz auf Weiß steht dort, wer sie sind: Omas gegen rechts. Auf einem Transparent der Omas gegen rechts in Köln stand auch einmal: „Alerta, alerta, Omas sind härter.“ Und die Omas sind wirklich hart – im Sinne von präsent und ausdauernd. Ist irgendwo eine Demo gegen die AfD – die Omas gegen rechts sind da. Ist Klimastreiktag – die Omas gegen rechts sind da. Ist große Solidaritätskundgebung für die Frauen im Iran – die Omas gegen rechts sind da.

2017 wurden die Omas gegen rechts von Monika Salzer in Österreich ins Leben gerufen – als Reaktion auf die rechtspopulistische Regierungskoalition unter Sebastian Kurz in Österreich. Sie setzten sich bunte Mützen auf, zum Teil auch Pussyhats, jene pinken Strickmützen, die US-Amerikaner*innen Anfang 2017 zum Amtsantritt von Donald Trump auf Demonstrationen einführten.

Als gegen Trump hunderttausende Frauen in allen möglichen Städten auf die Straße gingen, wurde immer wieder darüber gesprochen, ob dies der Beginn einer Revitalisierung der Frauenbewegung sei. Tatsächlich folgte im Herbst desselben Jahres die #metoo-Bewegung, die sich aber nie auf der Straße manifestierte. Stattdessen kamen die Omas und lange hat sie niemand richtig ernst genommen.

Für viele sind die Omas gegen rechts nur ein paar süße alte Damen, die noch mal ein bisschen politisch aktiv sein wollen. Dabei sind sie eine hochgradig politische Gruppe, die eine sehr starke und belastbare Organisationsstruktur hat. 2018 meldete Anna Ohnweiler, Mitgründerin der Initiative Omas gegen rechts in Deutschland, eine Face­bookgruppe der Omas an. Mittlerweile, schätzt Ohnweiler, gibt es über 150 Regionalgruppen und etwa 30.000 Mitglieder in Deutschland.

Zum Vergleich: Die deutsche Frauenorganisation Terre des Femmes hat etwa 2.000 Mitglieder.

Alles andere als gebrechliche alte Damen

Im Sommer 2024 findet das erste Bundestreffen der Omas statt. Denn mittlerweile sind die Omas überall und die Bewegung wächst weiter. In Neubrandenburg will sich eine an die Omas angelehnte Gruppe gründen. Gerade erst entstand in Duisburg eine Gruppe, beim ersten Treffen sind laut Westdeutscher Allgemeinen Zeitung schon 60 Personen dabei gewesen. Ortsgruppen entstehen permanent – in Neustadt, Düren, Geislingen, Döbeln und weiteren Orten.

Oft klingt in Medienberichten über sie die schiere Faszination durch, mit der die Omas ja auch bewusst spielen: Diese alten Damen sind alles andere als hilfsbedürftige und gebrechliche Omas – sie sind stark genug, um unserer Demokratie auf die Beine zu helfen.

Das politische Ziel der Omas gegen rechts ist die Stärkung der Demokratie und des Rechtsstaats. Sie stehen auf gegen Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Verschwörungsideologien und ein für Toleranz, Vielfalt der Kulturen – und für die Rechte von Frauen. Die Omas gegen rechts sind de facto die stärkste Frauenbewegung, die wir gerade haben.

Oder fällt Ihnen eine andere Gruppe in Deutschland ein, in der tausende Frauen sich zusammenschließen und jede Woche gegen Antifeminismus auf die Straße gehen?

Rassismus und Sexismus der AfD zusammen erkennen

Die schlauen Omas wissen, was eine AfD mit zu viel Macht anrichten kann. Sie wissen noch, dass „die guten alten Zeiten“ für Frauen eine weniger selbstbestimmte Zeit waren, vor allem im Westen. Wenn Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, sagt, die Zukunft hänge daran, „dass echte, mutige und gesunde Männer und Frauen viele Kinder haben“, hören weise Frauen die Glocken der staatlichen Geburtenpolitik schrill läuten.

Dass rechtsextreme Politik auch antifeministische Politik ist, haben die Omas gegen rechts längst verstanden: Unter der Rubrik „Materialien“ findet sich auf der Webseite der Omas gegen rechts ein PDF mit dem Titel „Wie frauenverachtend ist die AfD?“ Dort listen die Omas Zitate von AfD-Politikern. Etwa von Johannes Normann: „Ein Land, das jeden rein lässt, wird genauso ‚geachtet‘ wie eine Frau, die jeden ran lässt.“ Besser könnte man die Verbindung von Rassismus und Sexismus gar nicht textlich verdichten. Die Omas schrei­ben am Ende des Infoblattes: „Wir Omas ­gegen rechts werden nicht zulassen, dass die AfD den über hundertjährigen Kampf um Gleichberechtigung und Gleichstellung zerstört und ihr reaktionäres, frauenverachtendes Weltbild in unserer ­Gesellschaft umsetzt. Wir werden uns für die Rechte der Frau einsetzen – unterstützen Sie uns dabei!“

Fällt Ihnen sonst eine Gruppe von tausenden Frauen ein, die jede Woche gegen Antifeminismus demonstriert?

Die Omas gegen rechts sind feministisch. Ihr Antrieb ist glasklar der Rechtsruck in Deutschland – als dessen Ergebnis sich „ein aggressiver Anti-Feminismus rechtspopulistischer Färbung ausbreitet“. So steht es auf der Seite der Omas gegen rechts in Berlin. Die Gruppe dort hat eine eigene AG Feminismus, in der die Frauen sich etwa mit der Frage beschäftigen, wie sie die Theorie des Feminismus in praktisches Handeln umsetzen können. Dabei sind die Omas aber sehr inklusiv. Es dürfen auch Opas mitmachen und natürlich muss niemand biologische Enkel nachweisen, um Mit­strei­te­r*in zu werden.

Stabiler politischer Kompass

Vor unser aller Augen hat sich in den vergangenen sechs Jahren die wohl größte Frauenbewegung der deutschen Gegenwart zusammengetan. Auf jeder Demonstration für die Demokratie trifft man heute die Omas gegen rechts an, sie sind nahezu unumgänglich.

Warum also werden sie eigentlich nicht zu Markus Lanz und Co eingeladen? Dort sitzen schließlich auch Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen und Land­wir­t*in­nen – aber eben noch keine Omas. Zeit wird es.

Die Omas haben einen stabilen politischen Kompass. Sie haben Ausdauer, Erfahrung, Zeit und Kraft. Die Omas sind die feministische Antwort auf den Rechtsruck – ladet sie ein!

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Katrin Gottschalk
Vize-Chefredakteurin
Stellvertretende Chefredakteurin der taz seit April 2016. Vorher Chefredakteurin des Missy Magazine. Aufgewachsen in Dresden. Schreibt über Kultur, Feminismus und Ostdeutschland. In der Chefredaktion verantwortlich für die digitalen Projekte der taz. Jahrgang 1985.
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18 Kommentare

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  • Leider ist der Titel eindimensional.



    Hier also ihre Anliegen in Gänze:



    Es geht um die Erhaltung der parlamentarischen Demokratie in einem gemeinsamen Europa, um den Einsatz für die gleichen Rechte aller in Deutschland lebenden Frauen, Männer und Kinder, um die sozialen Standards, die von Eltern und Großeltern zum Teil bitter erkämpft wurden, um den Respekt und die Achtung gegenüber anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern unabhängig von ihrer Religion und ethnischer Zugehörigkeit u.v.m.

    Dabei müssen die bedrohlichen Entwicklungen wie Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Faschismus erkannt, benannt und im Konkreten auch der politische Widerstand und die Bewusstseinsbildung organisiert werden.



    Dem kann ich mich nur vollumfänglich anschließen.

    • @2Cents more :

      ergänzung: es geht im o.a.artikel auch darum, daß die omas gegen rechts als bewegung schwer unterschätzt + irgendwie nicht richtig eingeordnet werden.



      daß sie nicht zu lanz eingeladen werden: na ja, lanz ist eh doof.



      sie werden aber - wie wir alten frauen generell - nicht recht ernst genommen. hingenommen. gutwillig be- + angelächelt.



      wir (ich gehöre, ohne oma zu sein oder je kinder gehabt zu haben) - zu dieser spezies alte frau. die werden nicht ernstgenommen.erlebe ich öfter:



      ich werde ständig ohne grund angelächelt - oftmals kommts mir vor: o, eine alte, die nicht dem schema f entspricht. wird mit lächeln belohnt.



      ha, lächeln ist lieb, liebe frauen (meist sinds frauen, die lächeln), nur hilft es nicht. lächeln ist keine antwort auf einen eher kämpferischen statement-auftritt einer alten schachtel in der öffentlichkeit.



      mädels, besinnt euch. guckt nicht nur auf euer smartphone, sondern auf die realität.



      damit schluß + guts nächtle, auch an die jungs!!

  • 2017 erst?



    Ich könnte schwören, die Schilder habe ich auch vorher schon gesehen.



    Könnte ein Grund sein, warum die Gruppe als grenzübergreifende Organisation gerne übersehen wird: Eine Oma gegen rechts muss nicht dem Verband angehören, um mit dem Schild auf die Straße zu gehen.



    Als Veranstalter wurden sie bisher, soweit hier davon geschwiegen wurde, anscheinend noch nicht aktiv. Trotz Facebook-Gruppe fehlt damit die Antwort auf die Frage, ob die Administratoren der Online-Bewegung auch für die Schildträger*innen auf der Straße sprechen.

  • "Die Omas gegen rechts sind feministisch."



    Nein, das sind sie zum Glück nicht. Wenn man sich mit ihnen unterhält, bekommt man recht schnell die freundliche Auskunft, Opas wären natürlich genauso willkommen, es wäre halt nur ein Markenname.



    Denn es ist halt keine feministische Bewegung, sondern eine Bewegung gegen rechts. Und das sollte man auch nicht als ersteres benutzen, das nutzt nur den rechten.

    • @Encantado:

      Wer behauptet denn, dass Feminismus 'Männer*exkludierend' sei? Alice Schwarzer? Die Biologie? Auch Männer* können sich gegen patriarchale Strukturen und für Gleichstellung und Gleichberechtigung einsetzen. Ein Feminismus, der diesen auf Frauen (wer oder was auch immer damit dann gemeint sein soll) reduziert, ist halt vor allem extrem biologistisch und spricht heute vielleicht noch ein paar Boomer-Feministinnen oder Radikal-Feministinnen an, mehr aber auch nicht. Diese stellen aber sicher nicht den Großteil innerhalb der feministischen Strömungen dar.

  • "Dass rechtsextreme Politik auch antifeministische Politik ist, haben die Omas gegen rechts längst verstanden"

    Im Detail mag es Abweichungen geben, aber tatsächlich gibt es einige Themen, die traditionell mit "links" oder "rechts" belegt sind. Dass bei "rechts" das berühmte traditionelle Rollenbild dazugehört, ist ja nicht neu.

    Das sollten alle, nicht nur die Omas (ich hoffe, es gibt dort auch Opas?), verstanden haben. "Rechts" mehr als nur Ausländerhass und Rassismus.

    Generell ist Rassismus lediglich ein Spezialfall davon, Sachverhalte nicht zu mögen, die nicht dem eigenen direkten Umfeld entsprechen. So findet sich bei Rassisten typischerweise auch Sexismuss, Homophobie etc.

    Die Ursache ist dieselbe und sie steckt leider auch in jedem von uns. Hoffentlich in kleinerem Maße und hoffentlich nicht unreflektiert.

  • zu lanz&co werden sie nicht eingeladen, weil sie das segment der bevölkerung sind, was man(n) nicht gerne sieht:

    alte frauen. die sollen gefälligst hinterm ofen bleiben. die kommen auch weniger auf den besetzungslisten von film+tv vor. einige schauspieleriNNEN MACHTEN NEULICH DRAUF AUFMERKSAM.



    omas sind eher mit dutt (auf den kl. bildchen, z.b.auf nachbarschaftsportalen), also als niedlich konnotiert.



    sie werden von hinten abgebildet (in beige oder grauen klamotten), mit stock oder rollator +altem mann daneben; wenns um die rente geht.

    oder mit sehr faltigen händen im bett, wenns ums sterben geht. oder mit der hand der pflegeperson aufm rücken, wenns um die pflege geht. das wars dann schon mit der medienpräsenz der alten schachteln.



    das sagt eine, die bald 76 wird.

  • Anmerkung:



    Gegen den Begriff 'Oma' verwehre ich mich. Ich definiere mich nicht über meinen Reproduktions-Status und finde das Wort unangemessen für mich als kinderlose Frau.



    Dann schon eher 60+ oder Ähnliches.

    • @Anidni :

      Der Begriff 'Oma' wird auch oft für ältere Frauen benutzt, die für jede Zuwendung unendlich dankbar sein müssen und keine eigenen Ansprüche mehr stellen dürfen, unabhängig davon, ob sie Enkel haben.

      Ich verstehe die Omas gegen rechts so, dass sie diesen Begriff nehmen und mit ihren Aktionen zeigen, wie falsch das Bild dahinter ist und dass 'Omas' im obigen Sinn durchaus Wichtiges zu sagen haben. Damit kann ich mich als kinderloser Mann vollkommen identifizieren.

    • @Anidni :

      Dann gehören sie eben nicht zu den "Omas gegen rechts" und können stattdessen bei einer Vielzahl anderer Protestgruppen mitmachen.

      Wobei die Omas sicher nicht Reproduktions-Status der Teilnehmenden abfragen.

      • @gyakusou:

        "Dann gehören sie eben nicht zu den "Omas gegen rechts""



        Das sehen die Omas selber zum Glück deutlich entspannter und verzichten auf derartige Abwehrhaltungen.



        Jedenfalls die, denen ich bislang begegnet bin.

        • @Encantado:

          Ich denke die Aussage, dass Andini dann eben nicht zu den Omas gegen rechts gehört, bezog sich darauf, dass niemand in diese Gruppe reingedrängt werden kann, wenn ersie sich mit der Bezeichnung nicht wohl fühlt.

      • @gyakusou:

        Ich gehe auch bei den 'Omas' mit (auf Demos zumindest ein Stück weit), aber mir passt der Begriff nicht.

  • Warum wird diese Bewegung so auffällig übersehen?



    Weil es sich um eine in der Gesellschaft marginalisierte Gruppe handelt. Alte Frauen.



    Frauen und noch dazu ältere scheinen im Diskurs nicht auf. Haben in Beige zu verschwinden und unauffällig zu bleiben.



    Bestenfalls noch für unbezahlte Care-Arbeit gut.

    Keineswegs aber als politische Stimmen. Noch dazu kämpferische. Wo kämen wir denn da hin?!

    PS.: Posting kann Spuren von Sarkasmus enthalten.

  • Ich liebe die Omas gegen rechts. Bei jeder Demo erlebe ich Momente, in denen ich mich fast an sie rankleben will. Sie strahlen Größe und etwas Starkes aus und Verbundenheit. Sie sind super. Ich bin stolz auch auf mein Frausein wenn ich sie sehe. Ich brauche sie auf der Straße. Nicht bei Lanz, Illner oder sonstwem im Fernsehen.

    • @earthgirl:

      Markus Lanz ist auch ein unerträglicher Talkmaster.

  • Sehr schön.



    Menschlichkeit gepaart mit nem Haufen Lebenserfahrung... Davon kann Mensch lernen.



    Also tut es!!!