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Kampagne gegen umstrittenen Gas-VerbandAustrittswelle aus Lobbyvereinigung

Kri­ti­ke­r:in­nen werfen dem Verband „Zukunft Gas“ vor, gegen die Wärmewende zu arbeiten. Dutzende Stadtwerke kündigen ihre Mitgliedschaft.

Gasspeicher in Köln Godorf Foto: Christoph Hardt/picture alliance

Berlin taz | Die Kampagne mehrerer Organisationen zum Austritt von Stadtwerken aus der fossilen Lobbyvereinigung „Zukunft Gas“ hat offenbar Erfolg. Seit August 2022 haben mehr als drei Dutzend Stadtwerke der Branchenvereinigung „Zukunft Gas“ den Rücken gekehrt, teilten die Organisationen Lobbycontrol und 350.org sowie das Aktionskunstkollektiv Weiterso! am Mittwoch mit. Der Verband „Zukunft Gas“ wollte gegenüber der taz die Zahlen weder bestätigen noch dementieren.

Die Kampagne gegen die Lobbyvereinigung läuft seit fast einem Jahr. Kritiker.innen werfen dem Verband vor, sich für die Fortsetzung des Geschäfts mit fossilem Gas einzusetzen. Nach ihrer Auffassung forciert der Verband das Verschleppen der Wärmewende von fossilen zu klimaschonenden Lösungen und vertritt in erster Linie die Interessen von großen Gaskonzernen.

Außerdem greifen Kri­ti­ke­r:in­nen die Vereinigung an, weil sie behauptet, dass künftig Wasserstoff zum Heizen genutzt werde – was angesichts der damit verbundenen sehr hohen Kosten extrem unwahrscheinlich ist. So werbe „Zukunft Gas“ nach wie vor für den Einbau von Gasheizungen, kritisiert Christina Deckwirth von Lobbycontrol. „Das verzerrt den Diskurs“, sagt sie. „Der Lobbyverband stellt in Aussicht, bestehende Geschäftsmodelle einfach erhalten zu können.“

Auf diese Weise werde der Eindruck erweckt, Stadtwerke müssten nicht schnell handeln, um mehr Klimaschutz beim Heizen zu erreichen, erklärt Deckwirth. Das Gegenteil sei aber der Fall. „Es braucht jetzt breite und ausgewogene Debatten vor Ort, ohne irreführende Zwischenrufe der mächtigen fossilen Konzernlobby“, betonte sie. Zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen wollte sich der Verband ebenfalls nicht äußern.

Stadtwerke sollen sich nicht einspannen lassen

Von 103 im August 2022 als Mitglied gelisteten Stadtwerken sind aktuell nur noch 59 auf der Website von „Zukunft Gas“ sichtbar, so die drei Organisationen. Von den fehlenden 44 gibt es von 38 die Bestätigung, dass sie definitiv keine Mitglieder mehr sind. Die Austritte werden laut Lobbycontrol mit Klimaschutzgründen, Kritik an veralteten Geschäftsmodellen oder mit dem Druck der Kommunalpolitik begründet.

Um weitere Austritte zu fördern, haben die Organisationen gemeinsam mit lokalen Initiativen Briefe an die Aufsichtsräte der Stadtwerke geschrieben, die noch Mitglied von „Zukunft Gas“ sind. Darin heißt es „Wir bitten Sie als Aufsichtsratsmitglied, zu intervenieren und zu verhindern, dass Ihr Stadtwerk sich vor den Lobby-Karren der Gasindustrie spannen lässt!“

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7 Kommentare

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  • Welch ein Witz. Massenhaft haben gerade Stadtwerke Gaskraftwerke gebaut oder geplant, um mit Hilfe beachtlicher Fördermittel ins lukrative Fernwärmegeschäft einsteigen zu können. Da gibts auch Nebenwirlungen, ein Beispiel ist Leipzig , da übernehmen die Stadtwerke und verzichten auf das Nebenprodukt Dampf aus dem Kohlekraftwerk.

  • das einzige was hilft: energieversorgung in bürgerInnenhand.



    selbstverwaltet. genossenschaftlich. weg von dieser sch...privatisierung.

  • Die gesetzliche Forderung nach kommunalen Wärmeplanungen schreibt die Stadtwerke wohl aufzuwecken. Die Chancen der erneuerbaren überwiegen mittlerweile eindeutig die bestehenden Konzepte.

  • "Außerdem greifen Kri­ti­ke­r:in­nen die Vereinigung an, weil sie behauptet, dass künftig Wasserstoff zum Heizen genutzt werde – was angesichts der damit verbundenen sehr hohen Kosten extrem unwahrscheinlich ist."



    Heizen mit Wasserstoff ist doch genau das von Habeck angestrebte Ziel?



    Wasserstoffbetriebene Gaskraftwerke, die den Strom für die Wärmepumpen liefern, wenn sie heizen sollen?

    • @sollndas:

      (Abgesehen davon, dass ich Habecks Ziel nicht für sinnvoll halte....)



      Hier gehts nicht um ne zentralisierte H2-Infrastruktur, sondern darum, dass die Gasheizungen in den Privatwohnungen zukünftig mit Wasserstoff betrieben werden sollen -> gigantischer Aufwand, teuer und unsinnig

    • @sollndas:

      1. Ist das ein Unterschied ob damit Kraftwerke oder Heizungen in den einzelnen Gebäuden betrieben werden.

      2. Die sogenannten Dunkelflauten, die mit Wasserstoff betriebenen Kraftwerken im Winter überbrückt werden müssen dauern vielleicht 2-3 Wochen, die Heizperiode eher 5 Monate und selbst im Sommer braucht man Wärme für Warmwasser. Also so zu tun als wäre das ja das Gleiche trifft es dann doch nur bedingt.

    • @sollndas:

      Die H2-betriebenen Gaskraftwerke sollen nur einen recht kleinen Teil des Strombedarfs decken, vereinfacht gesagt für die Dauer von Dunkelflauten.

      Gibt es dagegen eine Wasserstoff-Heizung als einzige Wärmequelle im Haus, muss der gesamte Wärmebedarf auf diese etwas teurere Weise gedeckt werden.