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Nahostpolitik im US-WahlkampfDanke, Trump!

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Donald Trump wirft jüdischen Demokraten vor, Israel zu hassen. Für Joe Biden kann es nützlich sein, nicht als einziger Israel-Freund dazustehen.

Trump im Wahlkampfmodus Foto: Jeff Dean/dpa

A chteinhalb Monate vor der Präsidentschaftswahl sind die USA bereits vollständig im Wahlkampfmodus. Die außenpolitischen Debatten zu den beiden großen kriegerischen Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten ordnen sich unter. Die Trump-treuen Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen im US-Repräsentantenhaus blockieren seit Monaten weitere Militärhilfe für die Ukraine. Und der Umgang mit dem israelischen Vorgehen in Gaza wird für Präsident Joe Biden zum innenpolitischen Balanceakt.

Zuletzt waren es Wäh­le­r*in­nen in den demokratischen Vorwahlen, die Biden wegen zu starker Unterstützung der Netanjahu-Regierung ihre Unterstützung verweigerten. Seither hat die Biden-Regierung ihre Rhetorik zugunsten eines größeres Schutzes der palästinensischen Zivilbevölkerung noch einmal verschärft und zudem ein Projekt für Hilfslieferungen nach Gaza auf dem Seeweg initiiert. Von dem Schritt aber, den der progressive Flügel fast unisono fordert, nämlich weitere Hilfe für Israel an einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza zu koppeln, hat Biden abgesehen.

Gleichwohl erklärt Herausforderer Donald Trump nunmehr, die De­mo­kra­t*in­nen „hassten“ Israel, und wer als US-amerikanischer Jude für sie stimme, verrate seine Religion. So weit war nicht einmal Sebastian Gorka gegangen, der rechtsextreme Verschwörungsideologe, auf dessen Kanal sich Trump äußerte. Gorka hatte gefragt, warum Biden die Netanjahu-Regierung hasse, worauf Trump antwortete: „Ich glaube, sie hassen Israel.“

In der Auseinandersetzung mit dem progressiven Flügel könnten Trumps Tiraden für Biden nützlich sein. Denn tatsächlich erinnerte Trump im Gorka-Interview an seine eigene enge Verbindung zu Netanjahu, daran, wie er aus dem Iran-Atomdeal ausstieg und die US-Botschaft nach Jerusalem verlegte. Biden zu verhindern und Trump zu ermöglichen, kann keine progressive Position sein. Danke, Trump!

Nur: Eine konstruktive Rolle im Nahen Osten wird für Biden angesichts solch unterirdischer Angriffe noch schwerer. Trump zerstört Politik, auch wenn er nicht regiert.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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4 Kommentare

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  • Trump for Israel

    Eine Wiederwahl Trumps wird allgemein als ein Worst case Szenario angesehen, dabei allerdings wundersamerweise deren wahrscheinliche Konsequenzen für die Israel-Politik der USA beiseite lassend.

    Wie die aussehen könnte, hat Josh Paul, der aus Protest gegen Bidens Unterstützung Netanjahus zurückgetretene Spitzenbeamte des State Departments, so beschrieben: „Ich weiß nicht, was ein zukünftiger republikanischer Präsident im Nahen Osten tun würde. Es ist schwer zu sagen, ob es in mancher Hinsicht noch schlimmer wäre als das, was Präsident Biden in Bezug auf Israels Krieg gegen Gaza getan hat. Immerhin erklärt Bidens Regierung noch ab und zu, dass sie an einer Zweistaatenlösung festhalten will. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass eine Trump-Regierung eine israelische Annexion des Westjordanlandes und möglicherweise auch des Gazastreifens anerkennen würde.“ (im Interview mit der Berliner Zeitung, 13.1.2024)

    Man mache sich nichts vor: Mit Trump kehrte ein US-Präsident an die Macht zurück, der als einer der eifrigsten Unterstützer der Annexionspolitik der rechtsradikalen Likud-Koalition gilt. Ihm eifern in dieser Frage alle rechtsrandigen Formationen Europas nach, einschl. der AfD. Unter einem unberechenbaren Likud-Unterstützer Trump wüchse mithin die Gefahr, daß sich der Gaza-Konfliktzu einem Weltbrand ausbreitet.

    Auch alle bedingungslosen Unterstützer der Gaza-Politik des Netanjahu-Regimes sollten sich eingestehen, damit voll auf der Linie des ansonsten diabolisierten Trump zu stehen. Mitgegangen, mitgefangen usw.

  • "Gorka hatte gefragt, warum Biden die Netanjahu-Regierung hasse, worauf Trump antwortete: „Ich glaube, sie hassen Israel.“..."



    Das ist die übliche Sprache des Dealmakers und Genius.



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    "In a series of tweets, Trump defended his mental fitness and boasted about his brains, saying he is “like, really smart” and “a very stable genius.” It was the latest pushback against a new book that portrays him as a leader who doesn’t understand the weight of his office and whose competence is questioned by aides."



    Quelle: apnews.com

  • Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem entsprach dem mit einer Mehrheit von über 90 % sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus beschlossenen Jerusalem Embassy Act. Die Botschaft der USA befindet sich übrigens auch unter Präsident Biden weiterhin in Jerusalem: il.usembassy.gov/embassy/

  • Trump positioniert sich klar. Wenn auch sehr fragwürdig.

    Biden setzt sich zwischen alle Stühle, indem er versucht, es allen irgendwie Recht zu machen.

    Was wird wohl vom Wähler honoriert?