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Rausschmiss nach Soli-Demo für KletteDeutscher Herbst in Bremer Klinik

Weil sie eine Kundgebung fürs mutmaßliche RAF-Mitglied Daniela Klette organisierte, beurlaubt der Bremer Klinikträger die Betriebsrätin Ariane Müller.

Spricht am vergangenen Sonntag während der Soli-Kundgebung für Daniela Klette in Vechta: Ariane Müller Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Bremen taz | Wegen privater politischer Meinungsäußerungen hat die kommunale Bremer Klinikholding Gesundheit Nord (Geno) Betriebsrätin Ariane Müller beurlaubt. Es sei nämlich „bekannt geworden, dass die Mitarbeiterin aus Solidarität zum mutmaßlichen RAF-Mitglied Daniela Klette eine Demo vorm Frauengefängnis in Vechta organisiert haben soll“, begründet die Geno den Schritt per Pressemitteilung.

Ausdrücklich wird darin auf die vorhergehende Bestrafung durch den Betriebsrat des Klinikums Mitte hingewiesen. Dem gehört Müller als Lis­ten­füh­re­rin der Gruppe „uns reicht’s“ an. Nachdem Bremer Medien sie als Demo-Organisatorin geoutet hatten, war kurzfristig eine Sondersitzung des Personalvertretungs-Gremiums anberaumt worden, um Müller die Freistellung zu entziehen – also die Erlaubnis, sich während der Arbeitszeit ganz der Betriebsratsarbeit zu widmen. Grund: Ihre politischen Äußerungen, wie der Betriebsratsvorsitzende Manfred Kölsch sich zitieren lässt: „Wir möchten dadurch ein Zeichen setzen, dass wir uns vom Handeln dieser Person deutlich distanzieren“, begründete der Anästhesist die Maßregelung der Kollegin.

Damit dürfte bereits der Beschluss des Betriebsrats rechtswidrig sein: Denn nichts an Müllers Demo-Aufruf war unzulässig. Ausdrücklich benennt er „die Fehler“ der RAF. Im Junge Welt-Interview stellt Müller zudem klar, keine Eskalation anzustreben: „Wir wollen friedlich unsere Botschaft rüberbringen, dass wir einfach solidarisch sind mit Daniela“. Es ist aber „verboten, jemanden wegen einer Meinungsäußerung zu benachteiligen“, erklärt der Jurist Wolfgang Däubler auf Nachfrage der taz.

Gemaßregelt wegen einer Meinung

Däubler ist Hauptautor eines der großen Kommentare des Betriebsverfassungsgesetzes, ein Standardwerk für die aktive betriebliche Mitbestimmung. Bis zum Ruhestand bekleidete er den Lehrstuhl für Arbeitsrecht an der Uni Bremen, war aber auch als Gastprofessor in Paris und Austin/Texas sowie in mehreren Staaten als Regierungsberater tätig. Eine Koryphäe. Schon grundsätzlich sei die Abberufung einer Person problematisch, weil dadurch der Listen-Proporz gestört werde, so Däubler.

Müllers „uns reicht’s“-Liste fährt einen eher konfrontativen Kurs. Der findet nicht die Zustimmung der anderen drei im Gremium kooperierenden Listen. Muss er ja auch nicht, dafür gibt es ja mehrere. Wenn nun die Mehrheit einer dieser Gruppen die Freistellung entzieht und eine andere Person wählt, würde das dem Minderheitenschutz zuwiderlaufen, erläutert Däubler. Müller hätte also „gute Chancen, dagegen gerichtlich vorzugehen“. Noch besser werden die Chancen durch die ausdrückliche Begründung des Beschlusses. Denn „das ist ein unsachlicher Grund“, so Däubler. „Sie soll wegen ihrer Meinung und wegen eines Verhaltens in der Freizeit gemaßregelt werden. Das geht natürlich nicht.“

Sachliche Maßstäbe für gelungenes pflegerisches Arbeiten in der Klinik gibt es. Doch hier werden Müller keine Vorwürfe gemacht, im Gegenteil: Ihr besonderer Einsatz während Corona und ihre Kampagne für eine bessere personelle Ausstattung der Kliniken haben ihr 2021 die Auszeichnung als „Bremerin des Jahres“ eingetragen. Das hat die Klinikleitung schweigend hingenommen. Umso größer ist der jetzige Maßregelungswunsch.

„Wir distanzieren uns als Unternehmen auf das Schärfste von jeglichen Aktivitäten, die Solidarität oder Sympathie mit der RAF zum Ausdruck bringen“, hat die Geno-Geschäftsführerin Dorothea Dreizehnter verlautbart. Und angekündigt, die Beurlaubung Müllers werde „bis zur Klärung des Sachverhalts“ andauern. Dazu gehört auch ein Kontaktverbot zu anderen Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Klinik während der Beurlaubung. Für diese Maßnahme sei das Verdikt des Betriebsrats „eine Mitvoraussetzung“ gewesen.

Rückhalt von Kollegen

Müller wertet das als Hinweis auf ein abgekartetes Spiel: „Die hätten mich ja nicht von der Arbeit entbinden können, solange ich freigestellte Betriebsrätin bin.“ Tatsächlich hatten Betriebsratsvorsitzender, Direktion und Geschäftsführung bereits vor zwei Jahren gegen Müller kooperiert: Der Versuch, sie mithilfe eines konstruierten Vorwurfs rauszukegeln, scheiterte kläglich vorm Arbeitsgericht. Dorthin wird sie auch diesmal ziehen. „Ich werde das anfechten“, sagt sie der taz. „Ich arbeite ja gern.“ Im Mai feiert sie ihr 50-jähriges Berufsjubiläum.

Die FDP fordert bereits, Müller wegen ihrer Meinungsäußerung auch die Ehrung von 2021 rückwirkend abzuerkennen. Rückhalt gibt es von Die Linke: „Ich verstehe auch nicht, warum es diese Demo für Daniela Klette nun hat geben müssen“, so Landesvorstandssprecher Christoph Spehr. „Aber das ändert nichts daran: Was eine Arbeitnehmerin privat tut, geht den Arbeitgeber einfach nichts an.“

Solidarität bekommt die Krankenschwester auch aus der Klinik, sogar über die Berufsgruppengrenzen hinweg: „Samstagfrüh hat’s bei mir geklingelt“, sagt sie. Vor der Tür, in einer der Speckgürtel-Gemeinden, wo sie wohnt, habe ein Arzt aus dem Klinikum gestanden. „Der war extra rausgekommen, um mir den Rücken zu stärken“, sagt sie. „Das fand ich gut.“

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5 Kommentare

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  • Die Ächtung der Ideen und Praxis der RAF, R.O. 17N, action directe, DHKP-C, sollte Mindesteintrittsbedingung im linken Spektrum sein und bleiben.

  • Ob man da mitdemonstriert, darüber kann man diskutieren.



    Darüber aber nicht, dass sie natürlich das Recht hat und wir vielleicht mal das Aus- und Abgrenzen auf die wirklich gravierenden Fälle einschränken sollten.

  • Arbeitsrechtlich hat sie wahrscheinlich wirklich gute Karten, aber wäre ich Mitglied ihrer Liste, würde ich mir über ihre geistige Verfassung Gedanken machen.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Den Däubler zitiert man in der Praxis nur, wenn man Wert auf eine für den Arbeitgeber möglichst ungünstige arbeitsrechtliche Meinung legt. Und die These, dass es den Arbeitgeber nichts angeht, was der Arbeitnehmer privat macht, stimmt nur mit Einschränkungen. Ich stelle mir gerade vor, was arbeitsrechtlich wohl passiert, wenn ein Mitglied der taz-Redaktion sich als AfD-Mitglied zu erkennen gibt.

    Sehr weit weg von § 140 StGB sind Solidaritätsdemos für Terroristen nun wirklich nicht.

    • @47351 (Profil gelöscht):

      Wofür es eine solche Demo gebraucht hat, verstehe ich auch nicht.

      Grundsätzlich setzt sich in den letzten Jahren aber so eine Gesinnnungs-Ethik durch, die der Meinungsfreiheit diametral widerspricht.

      Grundsäzlich darf ich in meiner Freizeit alls machen, was nicht verboten ist und dem Unternehmen nicht ausdrücklich schadet.

      Wenn das nicht mehr eingehalten wird, sind wir nicht mehr frei.

      Im übrigen bin ich der Ansicht, das gerade bei Wahlposten die Entscheidung über die Gremiumszusammensetzung ausschließlich dem Wähler zusteht und nicht den anderen Gremiumsmitgliedern. Wenn man da per enfacher Mehrheit einzelne Mitglieder rauswerfen kann, braucht man bald nicht mehr zu wählen.