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Wohnungsbau auf dem Tempelhofer FeldPlatz ist auch woanders da

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Berlin hat Flächen für 250.000 neue Wohnungen ausgemacht. Das Feld gehört nicht dazu. Platz ist ohnehin nicht das Problem, sondern die hohen Kosten.

Wird nicht für den Wohnungsbau gebraucht: Das Tempelhofer Feld Foto: IMAGO / Jürgen Held

V ielleicht hilft es, das ein oder andere heiß diskutierte Thema mal von einem möglichen Ende her zu betrachten. Angenommen, eine Bürgerwerkstatt baldowert ein paar Ideen aus, wie der Rand des Tempelhofer Feldes bebaut werden kann, ohne allzu störend auf das bunte Treiben zu wirken. Angenommen weiter, eine vom Senat initiierte Bürgerbefragung spricht sich für diese Bebauung aus. Angenommen schließlich, die Bagger und Kräne kommen und die schwarz-rote Baulobby köpft die Schampusflaschen. Wer würde garantieren, dass ein Jahr später die Kräne nicht stillstehen, aus grauen Bodenplatten keine Armierungseisen ragen und am Bauzaun keine rotweiße Absperrbänder im Wind wehen?

Ein unrealistisches Szenario? Nicht unbedingt. Vielleicht ist es sogar realistischer, dass schon vor dem Anrücken der Bagger und Kräne die Baufläche abgesperrt wird. Denn in Berlin wird derzeit nicht nicht gebaut, weil es an Flächen dazu fehlt. Vielmehr sind es steigende Kosten, die Investoren davon abhalten. Sowohl die Zinsen als auch die Baukosten „sind dramatisch teurer geworden“, formuliert es die Vorständin des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, Maren Kern.

Die Diskussion um Bürgerwerkstätten und Bürgerbefragungen zum Wohnungsneubau auf dem Feld ist eine populistische Phantomdebatte. Erst recht, seitdem in den Medien über einen Entwurf zum Stadtentwicklungsplan Wohnen 2040 berichtet wurde. In dem sind Flächen für fast 250.000 Wohnungen identifiziert worden, die bis 2040 gebaut werden könnten. Das sind fast 30.000 mehr als die 222.000 Wohnungen, deren Bau laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bis 2040 nötig wären.

Das Pikante dabei. Die Potentiale am Tempelhofer Feld, wo sich CDU und SPD den Bau von bis zu 5.000 Wohnungen vorstellen können, sind in diesem Entwicklungsplan noch gar nicht enthalten. Der benötigte Neubau, das ist die Botschaft des Planwerks, geht auch, ohne das Feld zu betonieren.

Schneller bauen? Schön wär's

Es ist von daher folgerichtig, wenn der für den Neubau zuständige Bausenator Christian Gaebler (SPD) da ansetzen will, wo es beim Bauen hapert. Mal weiß die eine Hand (Senat) nicht, was die andere (Bezirk) tut, mal kommen Naturschutz und Denkmalschutz kurz vor Schluss noch um die Ecke, mal sind die im Urlaub oder krank, die einen Antrag mitzeichnen müssen, der dann einfach liegen bleibt oder auf Niewiedervorlage verschwindet.

An diesen Punkten anzusetzen ist gut, löst aber das Problem auch nicht. Je größer die wirtschaftlichen Risiken beim Neubau werden, desto öfter werden Baustellen eingemottet oder gar nicht erst eingerichtet. Da hilft dann auch keine freie Fläche und auch kein Schneller-Bauen-Gesetz.

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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5 Kommentare

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  • Innerhalb jeder Partei ist es umstritten, manchmal auch innerhalb jedes Menschen je nach Situation: wieviel Grün braucht es in Wohnungsnähe für die artgerechte Menschenhaltung!?? Wir sind eher Urwaldaffen als Steinkäuze.



    Eine wissenschaftlich und gesellschaftlich durchdachte Antwort für diese Frage zu finden ist wohl die Lösung: Messbar und jederzeit nachvollziehbar festlegen, wie viel Grünzeug in welcher Qualität und welchem Abstand von der Wohnung hilfreich ist, was ist großzügig und wie wenig ist gerade noch zumutbar. Natürlich müssen Doppelzählungen vermieden werden, die Bürokratie muss Rechte eines Baumes als Begründung für genau bezeichnete Wohnungen dokumentieren. Dann erst können die Parteien unterschiedlich hohe Grünzeug-Standards in ihre Programme aufnehmen und dadurch dem Wähler eine politische Entscheidungsmöglichkeit bei der Wahl geben.



    Bei öffentlichen Projekten muss natürlich die Finanzierung geprüft und einem Stresstest unterzogen werden. Avalbürgschaften von Menschen sind da hilfreich.

  • Mit den vorhandenen Flächen ist da so eine Sache, wer sich zum Beispiel die Bebauungen am Südkreuz ansieht , sieht Berliner Mieskasernen wieder auferstehen. Die letzten Freiflächen werden bebaut, dabei sind für Menschen wohnortnahe Grünflächen wichtig als Erholungsflächen.

  • Wenn Berlin die Kosten übernimmt, wird auch gebaut. Probleme mit Zinsen und Finanzierungen wie bei privaten Bauherren sind also nicht zu erwarten. Der Staat bilanziert auch nicht und es gibt auch kein Insolvenzrisiko.

  • Keine Sorge Herr Rada, das Tempelhofer Feld wird schon nicht bebaut und viele andere Potentialflächen auch nicht. Neben Zins- und Baukostenentwicklung hat RRG in Berlin mit Diskussion um Enteignung und Mietendeckel ein Investitionsklima geschaffen, das viele vergrault hat. In Verbindung mit den Bauverhinderungsstrategien einiger Bezirke wollen viele in Berlin keine Projekte mehr beginnen. Die städtischen Gesellschaften werden in ihrer finanziellen Situation das auch nicht auffangen können.

  • Berlin weiß nicht, was es bei der Stadtentwicklung will?

    Überläßt den Bezirken die Auseinandersetzung mit den Bürgern, die sich wegen der



    bisherigen Aktionen von der Planung bis zur Bebauung z. B. in grünen Innenhöfen, übergangen fühlen. Bürgerbeteiligungen wurden vom Senat und den Bezirken gewollt, um sich strittige und massive Bebauungspläne besonders in den grünen Innenhöfen in den Ostbezirken absegnen zu lassen?



    Dagegen gibt es seit Jahren Protest und die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unterstützt die Landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bei Widerspruch gegen Ablehnungen von Bauprojekten und erteilt nachträglich die Baugenehmigungen.

    Anwohner von begrünten Innenhöfen fühlen sich unverstanden und diskriminiert, weil deren Meinungen nicht akzeptiert werden wollen.



    Der Senat täuscht und gibt sich angeblich fortschrittlich mit seinem Koalitionsvertrag von CDU und SPD von 2023 bis 2026?



    Dort ist der Schutz von grünen Innenhöfen beschrieben und sogar die Empfehlung als grünes Klassenzimmer?

    Die Bezirkspolitiker reagieren sehr unterschiedlich und auch dieses Verhalten ist strittig.



    Es reicht nicht, daß in den BVV's Vorhaltungen gemacht und nicht auf aktuelle Klimaveränderungen eingegangen werden? Da sind Zählgemeinschaften gebildet worden, um sich wortgewandt und mit Eifer für Posten zu bewerben und keiner denkt an die Bürger und deren Probleme?



    Grüne Innenhöfe sind gestaltungsfähige Optionen zum Erhalt des Umwelt- und Klimaschutzes, das sind Orte für die Begegnung von Anwohnern aus den verschiedensten Nationen und gesundheitsfördernd vor der Haustür.