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Ehemaliges Tramdepot in SchönebergPolizei macht die Musik

Polizeimuseum statt Probebühnen: Die Innenverwaltung überrascht mit einer neuen Idee für die Nutzung des ehemaligen Straßenbahndepots in Schöneberg.

Das Tramdepot in der Belziger Straße auf einem Foto von 1914 in der Zeitschrift „Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen“ Foto: Wikimedia Commons

Berlin taz | Es hätte so schön sein können: Seit mehr als 30 Jahren setzen sich Künst­le­r*in­nen dafür ein, dass im ehemaligen Straßenbahndepot an der Belziger Straße in Schöneberg ein Wohn- und Kulturzentrum mit Ateliers, Theaterbühnen und Wohnungen entsteht.

Seit den 2010er Jahren haben sie den Bezirk auf ihrer Seite, es gab eine Bür­ge­r*in­nen­be­tei­li­gung, schließlich entstand ein Konzept gemeinsam mit dem damaligen rot-rot-grünen Senat: Zwei der drei denkmalgeschützten Hallenschiffe wollte die Kulturverwaltung Theatern als Probebühne zur Verfügung stellen, das dritte Schiff sollte der Bezirk selbst verwalten.

Doch nun gibt es Streit um das landeseigene Grundstück: Das Haus von SPD-Innensenatorin Iris Spranger will jetzt ein „Polizei- und Feuerwehrmuseum“ an dem Ort errichten. Die CDU-geführte Kulturverwaltung und der Bezirk Tempelhof-Schöneberg waren überrumpelt, als das Abgeordnetenhaus im Dezember 2023 Planungsmittel für das Vorhaben in Höhe von je 150.000 Euro für dieses und kommendes Jahr freigab.

Erst vor gut einem Jahr war die Polizei von dem 16.000 Quadratmeter großen Gelände abgezogen; das 1899 errichtete und 1964 geschlossene Straßenbahndepot hatte ihr jahrzehntelang als Abstellfläche für beschlagnahmte Fahrzeuge gedient. Damit schien ein wichtiger Schritt hin zur Umsetzung der „multifunktionalen“ Nutzungspläne von Senat und Bezirk getan.

Die Innenverwaltung träumt von „Erlebniswelten“

Die Innenverwaltung kümmert das nicht: Man plane, „die gesamte Liegenschaft (3 Gebäudehallen) für die Umsetzung des Polizei- und Feuerwehrmuseums zu nutzen“, schreibt Staatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) in einer aktuellen Antwort auf eine Grünen-Anfrage. Weder Kulturverwaltung noch Bezirk hätten demnach mitzureden.

Überraschend ausgereift sind auch die Vorstellungen, wie das Museum gestaltet werden könnte. Hochgrebe wünscht sich ein „weltoffenes, modernes (Mitmach-)Museum“, dessen „Erlebniswelten“ ein „Anlaufpunkt für internationale und nationale Touristen“ wären. Dort könnten „medienwirksame Veranstaltungen“ oder „Erlebnistage“ stattfinden.

Polizei mit ganz eigener „Zwischennutzung“

Trotz des Alleingangs behauptet die Innenverwaltung, mit dem Bezirk sei eine „enge Kooperation“ vorgesehen, zudem sei der Bezirk „offen für beide Projekte“. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg weist das ausdrücklich zurück: Man halte an der Idee fest, das dritte Schiff „für soziokulturelle Nutzungen in Anspruch zu nehmen“, erklärte das Amt vergangene Woche.

Auch Catherina Pieroth von den Grünen kritisiert die Pläne der Innenverwaltung: „Der Bezirk wird ins Leere laufen gelassen, die Ideen der Bür­ge­r*in­nen werden ignoriert“, sagte die Abgeordnete am Mittwoch der taz. Es sei „extrem intransparent“, wie die schwarz-rote Koalition mit Steuergeldern umgehe. Schließlich habe die Kulturverwaltung bereits eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. „Außerdem gibt es schon ein Feuerwehrmuseum in Tegel“, fügte sie hinzu.

Für Pieroth sind die großen Hallen wie geschaffen für eine künstlerische Nutzung. Da weder die Bühnen- noch Museumspläne in die Investitionsplanung bis 2027 aufgenommen wurden, wird hier vor 2030 wohl nichts passieren. Deshalb fordert sie eine kulturelle Zwischennutzung des Areals. Die Polizei hat schon andere Fakten geschaffen. Inzwischen stehen hier wieder beschlagnahmte Autos.

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2 Kommentare

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  • Man hat das Gefühl, dass alle, wirklich alle freiwerdenden öffentlichen Gebäude in Berlin ausnahmslos immer für irgendeine kulturelle Nutzung vorgeschlagen werden. Als ob die halbe Stadt nur aus Künstlern bestehe, und als ob die ein naturgegebenes Recht auf Vorzugsbehandlung hätten und immer als allererste bedacht werden müssten.

  • Das Problem mit den kulturellen Zwischennutzungen in Berlin ist, dass das Land die Grundstücke in der Vergangenheit kaum zurück bekommen hat oder zurück bekommt.

    Gelände, die wegen des geplanten Autobahnbrücke freigehalten und zur kulturellen Zwischennutzung überlassen sind, sind da nur die Spitze des Eisberges.