piwik no script img

„Polizeiruf“ aus RostockDas Konstrukt Familie

Im Rostocker Polizeiruf „Diebe“ dreht sich diesmal alles um Mütter und Väter – und einen Mordfall in Hamburgs Nobelviertel.

Herausfordernde Mutterschaft als Heroinabhängige. Meira Durand spielt Mascha Foto: Christine Schroeder/NDR

Für seine Kinder zu sorgen, ist für alle schwer, doch manche haben es schwerer als andere. Mascha Kovicz versucht sich trotz ihrer Heroinabhängigkeit mit ihrer fünfjährigen Tochter Holli (Mathilda Graf) durch Trickdiebstahl und kleine Einbrüche über Wasser zu halten. Kovicz, die in aller Wucht und Verzweiflung überzeugend von Meira Durand gespielt wird, gibt alles, ihr Leben in einer runtergekommenen, aber liebevoll dekorierten Gartenlaube so gut wie möglich zu gestalten.

Das Konstrukt Familie und dessen Sonnen- und Schattenseiten sind dieses Mal das Hauptthema des Rostocker „Polizeirufs“: Trotz der Sucht ist Mascha eine zugewandte Mutter, die sich, so gut es eben geht, um ihre Tochter kümmert; gleichzeitig missbraucht sie das Kind aber als Komplizin für ihre Raubzüge.

Bei einem der nächtlichen Einbrüche in einem reicheren Viertel der Hansestadt findet Holli die Leiche einer älteren Dame; die Frau wurde erstickt, das Kissen liegt noch auf ihrem Gesicht. Mascha bescheidet dem ängstlichen Kind recht rational: „Hab keine Angst, die ist schon tot.“

Selbiges stellt auch das später zum Tatort gerufene Team der Polizei fest. Die Frage ist nur: Wie kam Vera Bödecke zu Tode? Denn der Auffindeort sieht beim Eintreffen der Er­mitt­le­r*in­nen nämlich aus, als ob sie versucht hätte eine Glühbirne in der Deckenlampe zu wechseln und dabei einen Herzinfarkt oder einen Stromschlag erlitten hat. Das passiert ja schon öfter, dass alte Frauen bei solchen Arbeiten vergessen, den Strom abzustellen, erklärt Kommissar Anton Pöschel (Andreas Guenther) – und weist darauf hin, dass das jetzt aber gar kein Mansplaining war.

Der Krimi

Rostock-„Polizeiruf 110“: „Diebe“, Sonntag, 20.15 Uhr in der ARD

Während die Ermittlungen recht zäh anlaufen, muss Kommissarin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) sich wohl oder übel mit einer weiteren Baustelle beschäftigen: Ihr tot geglaubter Vater Günther (Wolfgang Michael) ist nach 40 Jahren Abwesenheit wieder aufgetaucht und versucht, Vertrauen zu ihr aufzubauen.

Jedoch wollen seine Geschichten von der ohne Zweifel schlimmen Zeit im Bautzner DDR-Knast bei König nicht so recht fruchten; ihre Zerrissenheit und die Unbeholfenheit der beiden ist spürbar. Da nützt auch der von Dienststellenleiter Henning Röder (Uwe Preuss) vorgetragene Kalenderspruch „Man hat nur einen Vater“ recht wenig.

Bei den weiteren Ermittlungen zum Tod der alten Dame rückt natürlich Mascha als Verdächtige in den Vordergrund, da ihre Fingerabdrücke am Tatort gefunden worden. Die Befragung erweist sich allerdings als schwierig, da König aufgrund ihrer eigenen Vatergeschichte unkonzentriert und wenig empathisch ist; ihre Kollegin Melly Böwe (Lina Beckmann) hingegen verspricht Dinge, die sie nur schwerlich einhalten kann. Denn wie soll sie es möglich machen, das die drogensüchtige Frau ihre vom Jugendamt in Obhut genommene kleine Tochter wiedersehen darf?

Weitere Ermittlungsansätze im Bereich von windigen Finanzdienstleistungen werden hingegen vom neuen, auf einer großen Jacht lebenden, Staatsanwalt Benjamin Hinze (Maximilian Dirr) geschickt in Frage gestellt.

In diesem „Polizeiruf“ treffen viele interessante, durchgehend schlüssig erzählte Prot­ago­nis­t*in­nen aufeinander, deren Geschichten unterschiedlicher nicht sein könnten. Vereint sind sie in dem Gedanken, dass sie das Beste für ihre Familie wollen. Ob dies jedoch auch auf Königs Vater Günther zutrifft?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Hallo Aufwachen: der Krimi Spielt in ROSTock, nicht in Hamburg!!!!



    Plot und Casting toll, Regie und Schnitt gleichermaßen. Blicke sind oft wichtiger als Dialoge, die aber auch treffen.