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Attacken auf die GrünenDemokratie besser schützen

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Die Lehre aus der Absage des Grünen-Aschermittwochs in Biberach muss sein: Veranstaltungen der Partei besser schützen!

Eskalierte Anti-Grünen-Proteste in Biberach am 14. Februar Foto: Silas Stein/dpa

D ass die Grünen ihren Politischen Aschermittwoch in Biberach wegen Ausschreitungen von Protestierern abgesagt haben, ist eine Niederlage für die Demokratie. Ein aggressiver Mob hat es geschafft, eine öffentliche Veranstaltung mit einem Ministerpräsidenten, einem Bundesminister und einer Parteivorsitzenden zu verhindern; die AfD bejubelt die Absage „als Resultat gelebter Demokratie“. So etwas darf nicht wieder passieren.

Die Polizei muss künftig Veranstaltungen der Grünen besser schützen. Es sollten früher als in Biberach ausreichend Polizisten vor Ort sein, sie müssen die Zufahrten zum Veranstaltungsort konsequent freihalten von Demonstranten. Die Versammlungsbehörden sollten – wie von der Gewerkschaft der Polizei gefordert – Traktoren oder Lastwagen bei Demonstrationen verbieten. Denn mit solchen Fahrzeugen sind Blockaden zu leicht.

In Biberach war die Polizei offensichtlich schlecht vorbereitet. Dabei hätte sie mit Aggressionen rechnen können. Querdenker und Verschwörungsmystiker zum Beispiel hatten in Social Media mobilisiert. In den vergangenen Wochen blockierten Traktoren immer wieder Zufahrten zu Veranstaltungen mit Politikern der Grünen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wurde sogar in seinem Urlaub behelligt. Der Ton ist häufig beleidigend.

Diese Warnzeichen hätten ebenfalls die Grünen in Biberach ernster nehmen müssen. Sie werden in Zukunft bei vielen Versammlungen nicht um Anmeldepflichten und schärfere Einlasskontrollen herumkommen.

Radikale Bauern wollen Verhältnisse wie in Frankreich

Auch die Bauernorganisationen sollten aus Biberach lernen. Denn die Vorfälle dort zeigen, dass etwa Querdenker und Rechtsradikale den legitimen Protest der Landwirte missbrauchen können. Zudem gibt es ebenso unter den Bauern radikale Tendenzen. In Landwirtskreisen wird diskutiert, dass man so hart werden müsse „wie in Frankreich“. Zur Erinnerung: Dort hat es bei einer der massiven Straßenblockaden mit Strohballen vor kurzem sogar schon eine Tote und zwei Schwerverletzte gegeben.

Der Landesbauernverband Baden-Württemberg, bei dem die meisten dortigen Bauern Mitglied sind, verurteilte die Ausschreitungen in Biberach zwar. Der zweite große und oft radikaler auftretende Agrarverband „Land schafft Verbindung Baden-Württemberg“ (LsV) aber ließ Bitten etwa der taz um eine Stellungnahme unbeantwortet. Und: Auch bei der friedlichen Bauerndemonstration in Biberach am Aschermittwoch bejubelte die Menge die Absage der Grünen-Veranstaltung. Dadurch und durch das Schweigen von LsV könnten sich Störer unterstützt fühlen. Diesen Eindruck sollten die Landwirte dringend korrigieren.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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18 Kommentare

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  • Mehr Polizei kann nun wahrlich nicht die Lösung sein! Damit wird ausschließlich nur ein Symptom behandelt! Es geht darum, die Ursache zu beseitigen!

    Wieder taucht das Wort DEMOKRATIE auf! Kapitalismus und Demokratie schließen sich gegenseitig aus!

    • @Dr. Enseleit Jürgen:

      so sehe ich das auch. genau so.



      "Die Ampel hat die einfachen Leute verloren und ist nur noch eine Regierung für die Bildungsbourgeoisie."



      jacobin.de/artikel/ampel-mitte-arme-afd



      kan man/frau so sehen. tatsache ist, daß die ampel es verpeilt hat, einen wichtigen teil der bevölkerung - das prekariat, den mittelstand, die bauren(so ernest mandel) "mitzunehmen".



      nun haben wir den selat. die bauren mit wildgewordenen handwerkerInnen bedrohen den ndr, die meinun gsfreiheit der öffentlich-rechtlichen (die - witzigigerweise - die afd zu sich einladen).



      immer sind 20-25% rechts eingestellt, in den gewerkschaften 25% und mehr.



      die gewerkschaften tun praktisch nichts dagegen.



      so die ampelregierung.



      redet denen + handelt denen nach dem mund. abschiebungen verschärfen, bezahlkarte. hetze gegen migrantInnen. ungemütliche stimmung verbreitung. völkische eben. es ist zum k....

    • @Dr. Enseleit Jürgen:

      "Kapitalismus und Demokratie schließen sich gegenseitig aus!"

      Demokratie bedeutet die gleichberechtigte Teilhabe aller an der Organisation der Gesellschaft, in der sie leben. Die Strukturen der Organisation sind jederzeit hinterfragbar, nicht aber die gleichberechtigte Teilhabe. Außer dieser gleichberechtigten Teilhabe, die zudem (bei indirekten Strukturen) ausreichend oft (zeitnah) realisierbar sein muss, darf es in einer Demokratie keine Vorgaben geben, die sie nicht selbst beschließt.

      Die einzige "Ideologie" (ich selbst würde es eher als Erkennntnis betrachten), die eine Demokratie anerkennt, ist das Prinzip der gleichberechtigten Teilhabe.

      Es gibt keine natürliche, unabhängige Instanz, die Entscheidungen über richtig und falsch, gut und böse, gerecht und ungerecht treffen kann. Wir können das nur gleicherechtigt(!) untereinander aushandeln. Und so, wie Menschen evolutionär sozialisiert sind, funktioniert das auch nicht top-down (von einer Weltgemeinschaft ausgehend), sondern nur bottom-up, also ausgehend von den Gruppierungen, in denen sich Menschen primär verorten.

  • Für Straßenblockaden kommen die einen in die Mühlen der Justiz, weil sie die Unverfrorenheit besitzen, selbstverständliche Rechte einzufordern, die anderen bekommen Aufmerksamkeit und Subventionen, nur weil sie sich um ihr eigenes Wohlergehen scheren. Gibt's da ne Logik?

    • @Schießbudenfigur :

      Ja!



      Es ist entscheidend, wie sie den "Gesunden Menschenverstand" anticken.



      Machen Sie es richtig, kommt es (wie im angesprochenen Fall) sogar zu Vorbeugehaften.

  • Wenn es eine Politik gäbe, für die Mehrheit im Land, gäbe es diese Angriffe nicht.



    Ist sehr praktisch, alle reden über Angriffe, aber niemand mehr über diese katastrophale Politik.



    Die Leute können von ihrem Einkommen nicht lenen, auch nicht von ihrer Rente.



    Fernwärmeunternehmen verschicken Nachfordetungen im 5stelligen Bereich.

    Zu sehen in den Politikmagazinen. Das sind nur einige Beispiele.

  • Die Versammlungsbehörden sollten – wie von der Gewerkschaft der Polizei gefordert – Traktoren oder Lastwagen bei Demonstrationen verbieten. Denn mit solchen Fahrzeugen sind Blockaden zu leicht.



    ---



    Warum werden diese "Fahrzeuge" nicht als "Tatmittel beschlagnahmt" bis sicher ist, dass damit keine "Straftaten" erfolgt sind?



    Vergl, IT bei anderen "Anfangs-Verdachten" zu Straftaten,



    Da werden bedenkenlos "Arbeitsgeräte" eingezogen & oft Wochenlang " dem Eigentümer vorenthalten!



    Trotzdem ein 1zu1 Backup/Copie der Datenträger ausreichen würde!

    • @Sikasuu:

      1000 sternchen!

    • @Sikasuu:

      Weil man einen konkreten Tatbestand angeben muss, der betroffen ist, bei einer Beschlagnahmung.



      Da Demos meist angemeldet sind von den Bauern kann dieser Anfangsverdacht von vornherein ausgeschlossen werden. Zum anderen wäre bei einem Traktor auch fraglich wie dort Beweissicherung stattfinden sollte.

      • @Walterismus:

        Weil man einen konkreten Tatbestand angeben muss, der betroffen ist, bei einer Beschlagnahmung.



        ---



        Der "Verdacht auf Steuerhinterziehung" liegt bei Treckern auf der Hand!



        Denn Agrardiesel wird nur dann "Begünstigt" wenn DER in Zusammenhang mit Arbeit auf dem Acker verwendet wird!



        Ein Bauer, der mit seinem Trecker meine Umzug fährt, macht sich schon strafbar!



        Bei einer Blockade, darf der Sprit nicht bezuschusst werden & für den Monat sind auch "KFZ-Steuern" fällig!



        Kannst du nachprüfen, stand sogar in der TAZ!



        Grinsegruss Sikasuu

  • Zum Bild: Es ist natürlich gemein die Wahlplakate der Grünen vs Realität abzugleichen und dies so darzustellen.

    Aber mehr als notwendig.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)
  • Es liegt ein klares Versagen der Ordnungskräfte vor. Die interne Ermittlung der Polizei muß tätig werden, nicht das es irgendwelche Unterstützer von Extremisten in der Polizei gibt.

  • Und die AFDeppen regen sich darüber auf, dass ihre Veranstaltungen gestört werden. So findet derzeit ein Jammerwettbewerb statt.

  • Die Frage nach einer funktionsfähigen Demokratie habe ich mir schon vor mindestens 15 Jahren gestellt, als 'Grüne' noch keinen Deal mit einer CDU machten, eigentlich schon vorher, als ein tobender Franz-Josef Strauß einen gefährlichen Dunstkreis mobilisierte, dessen Tradition heute Söder und Aiwanger fortsetzen und auch eine Angela Merkel nicht zurückdrängen konnte: Schließlich war es an erster Stelle eine CDU, die trotz eines Gruhl oder Töpfer aus reinem Machtkakül heraus den Klimawandel praktisch leugnete und damit Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe, die ja in den Industrieländern ausgelöst wurde, praktisch verhinderten. Bevor Habeck und vor Allem der ältere Kretschmann ausgerechnet mit der CDU -vielleicht sogar blauäugig an konservativen Werten orientiert- Bündnisse einging, war diese Partei quasi ideologisch ausgetrocknet, was die Suche nach neuen Grundpfeilern eines 'neuen' Programms beweist. Statt dessen populistische Szenarien auf der einen und Greenwashing -zumeist ohne ehrliche Absichten- auf der anderen Seite und der fast verzweifelten Suche nach Abgrenzung in diesem Gewusel führt zu solchen im Publikum unglaubwürdigen Sprüchen gegenüber praktisch hilflos -da sie ihre Absichten in Jamaica- oder Ampelkoalitionen nicht durchsetzen können- auftretenden 'Grünen'. Es war die CDU, die keine Vorsorge in Bezug auf den Generationenwechsel betrieben hat, die die Infrastruktur vernachlässigte entgegen Reformbestrebungen einer einmal ambitionierten SPD und nicht bereit war, alles zu tun, um der inzwischen eingetretenen Klimakatastrophe zu entgehen. Diese Versäumnisse -insbesondere durch eine Fehleinschätzung 'grüner' Parteigänger- haben dem Glauben in die Funktionsfähigkeit dieses Parlamentarismus geschadet und selbst die gut Gebildeten der Gesellschaft haben sich nicht eingemischt, sondern eher abgewandt.



    Das Versagen einer 'Elite' aus Abscheu vor dem inzenierten Parteiengezänk ?

    • @Dietmar Rauter:

      Schöne Schachtelsätze!

  • Natürlich sind die Attacken gegen Grünenpolitiker in keinster Weise entschuldbar - genausowenig wie Angriffe gegen Afd-Veranstaltungen.



    Es muss möglich sein sachlich miteinander zu reden.



    Genau dies ist durch die persönlichen Angriffe gegen Grüne nun aber vereitelt worden.



    Wie man gut an diesem Artikel erkennen kann, wird nun nur noch über die Attacken und nicht mehr gegen die politischen Vollkatastrophen dieser Regierung geredet und geschrieben.

    • @Andere Meinung:

      Volle Zustimmung.