Vorwahlen in den USA: Bloßes Schaudern reicht nicht

Trump gewinnt auch in New Hampshire. Die Welt muss sich auf ihn und seine Diktaturfantasien ganz real vorbereiten.

Die US-Politikerin Nikki Haley von den Republikanern

Sie ist wohl raus dem Rennen: Nikki Haley Foto: ap / Steven Senne

Endlich auf dem Boden der Realität: Auch im liberalen New Hampshire ist es Donald Trumps letzter verbliebener Herausfordererin Nikki Haley nicht gelungen, diesen zu schlagen. Mit etwas mehr als 40 Prozent hat die Ex-Gouverneurin von South Carolina und Ex-UN-Botschafterin in der Nacht zu Mittwoch zwar nicht schlecht abgeschnitten.

Doch in allen anderen Bundesstaaten liegt Haley im Kampf um die republikanische Präsidentschaftskandidatur weit abgeschlagen. Sie betont, dass sie auch bei den folgenden Vorwahlen antreten will. Die leise Hoffnung, ein Ron DeSantis – der sich inzwischen zurückgezogen hat – oder eine Nikki Haley könnten Trump als Kandidaten verhindern, die Hoffnung auf eine Laune der Geschichte schimmert nur noch ganz, ganz schwach. Nein. Die Welt bekommt es noch einmal mit Trump zu tun, zumindest wenn es nach den republikanischen Wäh­le­r:in­nen in den USA geht.

Zu reibungslos funktioniert noch immer die Kräfteaddition von verblendeten Verschwörungsfans, faschistoiden Ideologen, respekthungrigen Eliteverächterinnen, enttäuschten Demokratenwählerinnen, machtgeilen Reaktionären und kühl kalkulierendem Kapital. Die Vorstellung, die USA müssten bloß aufwachen, erweist sich nicht zuletzt auch mit Blick auf die Geschehnisse und manche Wahlprognosen in Europa als naiv. Es hat keinen Sinn, darauf zu warten, es möge in den Vereinigten Staaten Hirn oder gar Herz vom Himmel fallen.

Das ist das Gute an diesem Ergebnis: Jetzt muss sich das demokratische Amerika, muss sich Europa und muss sich die Welt darauf einstellen, dass es wieder passieren kann: Donald Trump im Weißen Haus. Und dieses Mal wäre es ein Trump von allen Fesseln befreit, oft auch von denen des eigenen Verstandes, wie es inzwischen immer wieder scheint. Eine Diktatur hat er in Aussicht gestellt. So etwas kann man nicht einfach nur befürchten. Man muss sich auf die Möglichkeit vorbereiten.

In Europa wie in der Nato scheinen solche Fragen schon recht real diskutiert zu werden. Hier wird die Verteidigungsfähigkeit Europas ohne die Großmacht USA gewogen, wird die derzeitige Blockade der Ukraine-Hilfen als Vorbote gesehen. Aber sind die G 20 minus 1 vorbereitet, die G 7 minus 1? Ist etwa die internationale Klimadiplomatie darauf eingestellt, ohne das Commitment der USA zu Vereinbarungen zu kommen, die die Klimakrise abbremsen können?

Kreative Wege nötig

In den USA selbst droht all das zurückgedreht zu werden, was Biden und seine Regierung im Rahmen des Inflation Reduction Act an Investitionen und Dekarbonisierungsschritten auf den Weg gebracht haben. Auch die unzähligen Infrastrukturprojekte der „Bidenomics“ sind alles andere als gesichert. Es müssen jetzt kreative Wege ersonnen werden, wie all dies zu sichern ist.

Und was hat die Ankündigung einer diktatorischen Herrschaft für die Menschen in den Vereinigten Staaten zu bedeuten, insbesondere für Bevölkerungsgruppen, die am Rand der Gesellschaft stehen? Das sind keineswegs so abstrakte Fragen, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Es braucht schon jetzt Antworten für den Fall der Fälle. Denn wenn eines die jüngere Geschichte gelehrt hat, dann, dass man sich auf alles gefasst machen muss und nur wenig unvorstellbar bleibt.

Ein Sieg Trumps über den amtierenden Präsidenten ist keineswegs ein Selbstläufer. Die Gefahr ist einfach nur real. Wenn Joe Bidens Strategie der wohltemperierten Mitte wieder greifen sollte und die Mobilisierung verschiedener Spektren gelinge, hätte er durchaus eine gute Chance, wiedergewählt zu werden. Nur darauf verlassen sollte man sich eben nicht.

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taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.

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