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Angriff auf Pressefreiheit in ThüringenPolizei ermittelt gegen Journalisten

Die Polizei in Eisenach ermittelt gegen einen freien Fotografen von „Recherche Nord“. Er hatte NS-Symbolik auf Rechtsrock-Konzerten dokumentiert.

Der Fotograf dokumentierte am „Flieder Volkshaus“ in Eisenach Rechtsrock-Konzerte Foto: Martin WichmannTV/dpa/picture alliance

In Thüringen ermittelt die Polizei gegen einen freien Fotografen des Medienportals Recherche Nord. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, verbotene Symbole veröffentlicht zu haben. Er hatte Rechtsrock-Konzerte in Eisenach dokumentiert – inklusive der NS-Tattoos der Neonazis. Laut dem Fotografen hatte sich die Polizei an seiner Arbeit gestört und ihm bereits zuvor gedroht, „Mittel und Wege“ gegen ihn zu finden. Der MDR hatte zuerst über den Fall berichtet.

Seit Jahren veröffentlicht recherche-nord.com Fotos und Recherchen von Neonazi-Treffen. Die Journalisten arbeiten mit großen Medien zusammen, regelmäßig finden sich Fotos und Informationen auch in der taz.

Auch der freie Fotograf André Aden ist seit Jahren als Fachjournalist bekannt. Unter anderem im Sommer 2023 war er mehrfach in Eisenach. Am sogenannten „Flieder Volkshaus“ dokumentierte er von Mai bis Juli 2023 bei insgesamt vier Anlässen Rechtsrock-Konzerte. Das Haus ist auch die Thüringer Zentrale der Partei „Die Heimat“, ehemals NPD.

Laut Aden seien jeweils zwischen 60 bis 120 Leute auf den Konzerten gewesen, darunter Neonazis aus zum Teil verbotenen Organisationen wie „Combat 18“ oder den sogenannten „Hammerskins“. In seiner Beobachtung habe die Polizei erkennbar verfassungsfeindliche Symbolik weder erkannt noch geahndet.

Kontextualisierung in Bildunterschriften

Die Bilder habe er verschiedenen Medien angeboten. Sie wurden auf dem Portal von Recherche Nord veröffentlicht, die Gesichter von Polizisten wurden verpixelt. Fotos zeigen einen Neonazi mit dem Tattoo einer SS-Rune, zeigen Odal-Rune und Wolfsangel oder eine Hand mit Siegelringen mit SS-Totenkopf. Mehrfach klärten die Bildunterschriften über den Kontext auf und wiesen explizit darauf hin, dass die Symbole strafbar, von der Polizei vor Ort jedoch nicht beanstandet worden seien.

Der Polizei in Eisenach wird seit Jahren vorgeworfen, gegen die Aktivitäten im „Flieder Volkshaus“ nicht konsequent vorzugehen. Aden sagt, er habe sich wegen der unklaren Situation vor Ort jeweils telefonisch bei der Polizeiinspektion Eisenach angekündigt. Anscheinend störte sich die Polizei aber dennoch an der Berichterstattung.

Gegenüber der taz erklärte Aden, ihm sei als Journalist von der Polizei gedroht worden. So habe ihm am 8. Juli 2023 am Rande eines Rechtsrock-Konzerts ein leitender Polizist aus Eisenach erklärt, die Berichterstattung „kritisch“ zu sehen. Diese würde die Arbeit der Polizei „in ein schlechtes Licht“ rücken. Zwar könne man seine Arbeit wegen seines journalistischen Status nicht verhindern, aber es gebe andere „Mittel und Wege“.

Ein paar Monate später wurde Aden dann über Ermittlungen informiert, die die Kriminalpolizei in Eisenach gegen ihn führt. Eine Kopie des Schreibens der Polizei liegt der taz vor. Demnach wird Aden ein Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz sowie die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisa­tio­nen vorgeworfen. Er habe Bilder von Teilnehmern und deren Tattoos gegen deren Willen gefertigt. Pikant: Anscheinend geht der Vorwurf nicht auf eine Beschwerde von Neonazis zurück. Denn laut MDR ermittelt die Polizei in diesem Fall „von Amts wegen“, also unabhängig davon, ob ein Betroffener Anzeige erstattet hat.

Das Recht, verbotene Symbole zu fotografieren

Die Pressestelle der Landespolizeidirektion Thüringen antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf Anfrage der taz.

Lotta Kampmann von Recherche Nord nannte das Ermittlungsverfahren gegen den Fotografen „bizarr“. Sie kritisierte das Rechtsverständnis der Polizei und sprach von einem schweren Angriff auf das Presserecht. „Die Polizei sollten den demokratischen Rechtsstaat eigentlich verteidigen, und nicht, wie in diesem Fall, weiter aushöhlen“, so Kampmann.

Ein Sprecher von Reporter ohne Grenzen (RSF) erklärte, FotojournalistInnen hätten grundsätzlich das Recht, verbotene Symbole abzufotografieren und die Berichterstattung über rechtsextreme Zusammenkünfte damit zu illustrieren. Eine Abbildung solcher Kennzeichen sei dann nicht strafbar, wenn sie beispielsweise „der staatsbürgerlichen Aufklärung“ oder „der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens“ diene. (Paragraf 86a Abs. 3 entspricht den Ausnahmen von Paragraf 86 Abs. 4 und 5).

Sollte sich bewahrheiten, dass die Behörden strafrechtlich gegen die Veröffentlichung von Fotostrecken durch „Recherche Nord“ vorgehen, sei das aus Sicht von RSF „erschreckend“ und „höchst bedenklich“.

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8 Kommentare

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  • Es ist ein Graus. Personen die sich damit outen und als Faschisten und Rechtsextremisten selbst und selbstbewusst zeigen, fallen bei der Sichtung durch die Polizei durch. Erst bei den Fotos davon scheint die Polizei dann u agieren...nicht jedoch gegen jene die sich diesen Faschoscheiß aufpinseln lassen, nein die die es dokumentieren. Und das dann von Amtswegen aus. Wann wird aus Amtswegen aus gegen Polizisten und leitende Gruppenführer ermittelt? Ohh geht ja nicht, dann würde man gegen freunde, Kollegen und sich selbst ermitteln müssen.

    Wo bleibt hier der Aufruf zu einer unabhängigen, außerhalb der Polizei befindlichen Organisation. Nach Jahren und Jahrzehnten ohne wirkungsvollen Maßnahmen innerhalb der Polizei muss doch irgendwann mal was passieren.

  • Komisch, dass das ausgerechnet in Thüringen passiert.



    In Thüringen werden rechtsradikale Umtriebe doch sonst immer mit der vollen Härte staatlichen Handelns in die Schranken gewiesen.



    Tritt man nicht nirgendwo sonst so für die gemokratischen Werte ein wie in Thüringen ?



    Thüringen ist doch sonst auch ein Beispiel, geradezu eine Speerspitze im Kampf gegen rechts.

    Oder hab ich da was falsch verstanden ?

  • Äh, vorauseilender Gehorsam in Erwartung der Übernahme des Reichsgaus, Verzeihung, des demokratischen Wahlsiegs im Bundesland durch die einzig wahre deutsche Alternative, oder wie ist dieses Handeln der Polizei einzuordnen?



    Macht halt eure Arbeit und sackt die Nazis ein, liebe Beamte, schützt diesen Staat und seine Gesetze, dann gibt es auch tolle Fotos davon.

  • Entweder bestehen hier auf der Seite der Staatsorgane Wissenslücken, oder es wird bewusst weggeschaut und "von Amtswegen" verfolgt. Fast wie in alten Zeiten vor 90 Jahren.



    Nie wieder ist jetzt! Das gilt auch für die Exekutive.

  • Das ist ein Fall fürs BKA.

    Die Beamten vor Ort sind anscheinend Straftaten nicht nachgegangen. Dazu sind sie verpflichtet.

    Der SS Totenkopf kostet so etwa 1800 Euro Strafe.

    Siehe kürzliches Urteil des Amtsgerichtes Tiergarten. Zur Anzeige gebracht wurde der Fakk von einer Berliner Einsatzhundertschaft.

    Warum BKA?

    Weil ich mir durchaus vorstellen kann, dass die lokale Polizei schon so durchbräunt ist, dass selbst anständige Beamte Angst vor ihren braunen Kollegen haben.

    • @Dirk Karstädt:

      Auf jeden Fall Anzeige wg. fortgesetzter Untätigkeit im Dienst. Die Polizei dort will es offensichtlich nicht anders und die Drohungen zeigen ja, um welche Dumpfbacken in Uniform es sich da handelt ...



      Unglaublich!

  • Es ist zweitrangig, ob eine StaatsanwältIn ein Verfahren eröffnet und ob es überhaupt zum Prozess kommt.

    Zur Einschüchterung und um klar zu machen, dass JournalistInnen in Eisenach besserr nicht ohne mindestens eineN AnwältIn dabeizuhaben, reicht dass schon, dass die Polizei "von Amts wegen" Ermittlungen beginnt.

    Zum kotzen dieser ganze Rechte Rotz!