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Ausblick der RadverbändeFahrradbranche hat einiges auf Lager

Der Zweiradhandel boomte während der Coronapandemie. Danach ging es bergab. Für 2024 wünscht sich die Industrie Rückenwind aus der Politik.

Neue Radwege wie hier in Berlin treiben den Absatz von Fahrrädern nach oben Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Der Frühling naht, die neue Radsaison steht bevor. Die Fahrradindustrie hofft deshalb auf Schwung für 2024, rechnet jedoch weiterhin mit schwierigen Zeiten. Zuletzt hätten Umsatzverluste, Pleiten oder Massenentlassungen bei Herstellern Schlagzeilen gemacht, sagten Ver­tre­te­r:in­nen der Branche am Mittwoch vor Journalist:innen. „Es kann durchaus passieren, dass wir noch die eine oder andere Insolvenz sehen werden in diesem Jahr“, sagte Anke Schäffner vom Zweirad-Industrieverband ZIV. „Ich würde aber nicht von einer Insolvenzwelle sprechen.“

Noch seien die Lager prall gefüllt, die Nachfrage nach neuen Rädern sei im vergangenen Jahr deutlich hinter den Lagerbeständen geblieben, sagte Schäffner. 2024 will die Industrie so viele Fahrräder verkaufen, dass die Lager wieder ein normales Niveau erreichen. „Rabatte sind da nicht immer der richtige Weg“, warnte Uwe Wöll, Geschäftsführer des Verbunds Service und Fahrrad (VSF). Allzu stark reduzierte Preise drohten Händler und Hersteller in finanzielle Nöte zu bringen – das habe die Zeit nach dem Coronaboom der Fahrradbranche gezeigt.

Zwischen 2019 und 2022 stieg die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Fahrradwirtschaft auf mehr als 325.000. Der Umsatz wuchs im gleichen Zeitraum um rund 70 Prozent, auf fast 45 Milliarden Euro. Das ist das Ergebnis einer Studie des T3 Transportation Think Tanks aus dem Juni 2023, in Auftrag gegeben vom Unternehmensverband Zukunft Fahrrad. Nach der Pandemie sank der Absatz wieder, mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Energiekrise und der Inflation wurden die Käu­fe­r:in­nen noch zurückhaltender. Wie sich dies in den Zahlen für das gesamte Jahr 2023 niederschlägt, wird sich voraussichtlich im März zeigen. Dann gibt etwa der ZIV neue Marktdaten heraus.

Wenn das Wetter gut ist, zieht der Markt an

Uwe Wöll, Verbund Service und Fahrrad

„Wenn das Wetter gut ist, zieht der Markt an“, sagte Wöll weiter. Im letzten Jahr sei der Frühling verregnet gewesen. Für dieses Jahr hofft Wöll auf besseres Wetter, auch wenn die Händler laut dem VSF-Leiter ihre Räder mit gutem Marketing selbst bei Nässe und Kälte verkaufen könnten. Darüber hinaus gebe es Alternativen zum Kauf: Wöll blickt zum Beispiel optimistisch auf Jobrad- und Leasingmodelle, vor allem für E-Bikes, deren Kaufpreis oft die Budgets von Rad­fah­re­r:in­nen sprengt.

Verbände fordern Geld für Radwege

Wenn es der Radindustrie langfristig gutgehen soll, brauche es außerdem bessere politische Rahmenbedingungen. Gerade erst habe die Bundesregierung bei den Geldern für den Radwegeausbau massiv gekürzt, kritisierte Verbandsvertreterin Schäffner. „Dass es keine Kürzungen bei der Straße gab, ist umso schockierender“, sagte sie. Kommunen seien auf die Mittel aus dem Bundeshaushalt und finanzielle Sicherheit angewiesen, um vor Ort neue Radwege angehen zu können.

Die Reform des Straßenverkehrsgesetzes, die im Herbst im Bundesrat scheiterte, hätte den Kommunen ebenfalls mehr Möglichkeiten für die lokale Verkehrswende gegeben. Die Radbranche hoffe seitdem darauf, dass Bund und Länder der Reform in einem Vermittlungsverfahren eine neue Chance geben, so Schäffner.

Und: Obwohl Deutschland der größte Fahrrad- und E-Bike-Markt in Europa ist, spiele die Branche in der deutschen Industriepolitik kaum eine Rolle. Die EU-Kommission hat kürzlich eine Strategie zur Transformation der Mobilitätswirtschaft in Europa veröffentlicht, den sogenannten Mobility Transition Pathway (MTP). „Darin wird die Radindustrie als eines von vier Standbeinen der Mobilität anerkannt, neben der Automobil-, der Schifffahrts- und der Bahnbranche“, sagte Schäffner. In der deutschen Strategie für die Mobilitätsindustrie, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) 2023 präsentierte, werde die Zweiradbranche nicht erwähnt.

„Wir haben keinen Rückenwind von der Bundesregierung. Aber wir bekommen Unterstützung in den Städten, die ihre Radinfrastruktur verbessern wollen“, wandte Uwe Wöll ein. Und auch Schäffner vom ZIV ergänzte: Der gesellschaftliche Druck sei so groß, die Klima­krise so dringlich, saubere Luft und Bewegung so wichtig für die Gesundheit der Menschen – „da kommt man am Fahrrad gar nicht vorbei“.

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13 Kommentare

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  • Immer nach dem Staat schreien, wenn es mal nicht so läuft, erbärmlich. In den Boomjahren die Taschen voll gemacht und jetzt jammern. Diese Unternehmer sollen einfach durch Kreativität und Preisgestaltung zeigen, dass sie Unternehmer sind.

    • @Filou:

      Ihrer Meinung nach sollen Unternehmer also die Radwege selber bauen, statt "erbärmlich nach dem Staat zu schreien", richtig?

      • @David Mau:

        Das hat doch Nichts mit Radwegen zu tun, sondern mit den Preisen die verlangt wurden.

  • "Allzu stark reduzierte Preise drohten Händler und Hersteller in finanzielle Nöte zu bringen"...

    Hat das liebe Kartellamt schon mal mitbekommen, dass (billig importierte) E-Räder NIE unter 1000€ angeboten werden seit (gefühlt) 15 Jahren?



    (ok, Discounter MAL für 950€ oder so.. eine Woche lang)

    Sonderbar.



    Preisabsprachen von Kartellen gibt es ja bei uns nicht. Pfui.

    Wir haben doch eine funktionierende "Marktwirtschaft".

    Oder?

    Bin ich der einzige dem das auffällt?

    (Grillenzirpen)

    Der verringerte Absatz an Fahrrädern



    evtl. Ergebnis der offensichtlich von der fdp blockierten Verkehrswende und ausgebremsten StVO Reform?

    (Grillenzirpen wird lauter)

    • @So,so:

      Komisch, habe mein Rad in der Coronapandemie beim Händler vor Ort in Frankfurt am Main für 700Euro gekauft!? Und auch sonst gibt es massenhaft Räder für unter 700Euro. Wohlgemerkt alles Marken, keine Discountware.

      In welcher Welt leben Sie?

  • Für mich klingt das nach Schweinezyklus. Normal bin ich immer für Staatsförderung, doch hier zeigen einige Händler, wie sie sich der Krise erwehren. Wenn jetzt der Staat helfen würde, wären diejenigen, die den Preis für ihre Designer-Räder hoch halten, die Dummen. Die anderen verkaufen Räder mit Billigrahmen aus China. Dort kann man bestellen oder es lassen. Da Räder nicht verderblich sind, lassen sich Halden abarbeiten.



    Sehr für Hilfen vom Wirtschaftsministerium wäre ich für deutsche Komponentenbauer. Wo ist das deutsche Shimano, Campagnolo, Mavic? Gerade hier waren einheimische Firmen früher sehr innovativ. Ausgehend aus diesen Produkten kann auch anderes geschaffen werden. Natürlich sollten auch Radwege gefördert werden. Denn die entlasten die Städte. Mehr Radverkehr, weniger Stau und mehr freie Parkplätze.

    • @mdarge:

      Das deutsche Shimano war früher die Firma Fichtel & Sachs. Nach deren Verkauf an Mannesmann und der darauf folgenden Übernahme von Mannesmann durch Vodafon wurden für die Shareholder alle Unternehmensteile mit Fahrrad Bezug verkauft.

      1997 Schaltungen und Komponentenfertigung an SRAM, die dann später die Nabenschaltungen einstellten. 2001 Fahrradkettenfertigung (Sedis) an indisches Unternehmen.

      Die Gefahr durch den Klimawandel war damals schon bekannt.

      • @Gostav:

        Genau um das Verschwinden von Fichtel & Sachs geht es. Mit den Details hatte ich mich nicht beschäftigt, doch es gab eine Zeit, wo man förmlich aus der Fahrradtechnik geflohen ist. Damals war alles Auto. Zudem setzten die deutschen Hersteller auf billig-billig. Denn nur wer sich einen motorisierten Untersatz beim besten Willen nicht leisten kann, würde noch selber in die Pedale treten. Doch seit den Erfolgen mit Mountain-Bikes und der Trimm-Dich-Welle begann ein Umdenken, das jetzt wegen der Umwelt wieder auflebt. Doch Marktanteile sind weg. Mit Bergamont, Canyon und Rose Bikes versuchen einige verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Nur Politik scheint diesen Anbietern eher die kalte Schulter zu zeigen. Vielleicht ist das gut und härtet ab. Doch ein paar Fahrrad-freundliche Entscheidungen vom Bund könnten Wunder wirken.

  • Jammern trotz der Boomjahre, können die auch noch als Unternehmer was in Angriff nehmen?

  • Ich wohne direkt am Außenrand einer Großstadt, in der in den letzten Jahren an mehreren Straßen Kfz-Fahrspuren eingezogen und zu Radwegen/Bike-Lanes umgebaut wurden. An einer dieser Straßen gab es bereits an den zuvor vorhandenen Radwegen Zählstellen am Ein-/Ausgang des (engeren) Innenstadtbereiches. Da es längs der nun vorhandenen Bike-Lanes über mindesten drei Kilometer (außer Wohnungen) kaum Ziele gibt, sollte man annehmen, das sich zunehmender Radverkehr auf jeden Fall auch an den Zählstellen bemerkbar macht. Dort hat sich allerdings absolut nichts geändert. Die Zahlen bewegen sich (abhängig von Jahreszeiten und Wetterverhältnissen) wie zuvor zwischen ca. 500 und ca. 1500 pro Tag und Richtung. An einer Ringstraße (zwei Drittel davon durch ein Wohngebiet, ein Drittel durch ein Gewerbegebiet) wurden in vergleichbarer Länge sehr breite Radwege angelegt und mit Zählstellen in der Mitte des Wohngebiets versehen. Im Sommer werden dort pro Tag und Richtung auch mal 300 bis 400 Bewegungen gezählt, aktuell kaum mehr als 80. Die sichtbarsten "Veränderungen" kann man beim Kfz-Verkehr beobachten, der an diesen Straßen nicht abnimmt, sich aber in Stoßzeiten deutlich häufiger und länger staut.

    Bei den geschilderten Fällen ist der Nutzen für Umwelt und Klima zumindest fraglich. Sie generieren zudem keinen (nennenswert) zunehmenden Radverkehr und somit auch eher keine zunehmende Nachfrage bei Fahrradhandel und Industrie.

    Wer wirklich etwas bewirken will, der muss realisieren, dass die meisten Menschen mit dem Rad im Alltag kaum Strecken von mehr als drei Kilometern fahren wollen. Eine gute Radinfrastruktur lohnt sich also besonders dort, wo besonders viele potentielle Start- und Zielorte in diesem Distanzbereich liegen. Außerdem geht es den meisten Radfahrenden zwar darum, schneller und bequemer voranzukommen, als zu Fuss, aber nicht unbedingt möglichst schnell (mit Überholmöglichkeiten), sondern möglichst sicher.

    Für das Rad denken, statt gegen das Auto, könnte helfen!

  • Weitere Lobbyisten melden sich zu Wort.

    Solange ein Großteil der Fahrräder und der Teile in Ostasien produziert werden, hätte ich eine Erklärung gebraucht, warum deutsche Politik die chinesische, vietnamesische, etc. Industrie unterstützen sollte.

    Zumal ja ausdrücklich die Fahrräder dadurch nicht billiger werden sollen und es keine Insolvenzwelle gibt.

  • Warum hier nicht mehr fördern?



    Ist doch für ne gute Sache. Ei ne Reform der schuldenbrennse würde hier auch die Schrsnken reißen.

  • 45 Milliarden Euro Umsatz ist nicht wenig, verblasst aber im Vergleich zur Automobilindustrie mit 590 Milliarden bei gut doppelt sovielen Beschäftigten.