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Lindners SteuerpläneEntlastet die Menschen

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Finanzminister Lindner will die deutsche Wirtschaft anschieben. Dafür sollte er aber lieber die Menschen im Land unterstützen als die Unternehmen.

Die Inflation drückt die Konjunktur, die Menschen sparen statt zu shoppen Foto: Jens Magnusson/imago

F inanzminister Christian Lindner müsste es eigentlich wissen: So sehr man ihn dreht und wendet – man kann jeden Euro nur einmal ausgegeben. Vor allem wenn man wie der FDP-Politiker neue Schulden tunlichst vermeiden will. Trotzdem hält Lindner an seinen Steuersenkungsplänen fest. Erste Vorschläge, wie er neben der Abschaffung des Solis den Standort Deutschland stärken möchte, will Lindner noch in diesem Monat vorstellen.

Es steht außer Frage, dass es konjunkturmäßig gerade alles andere als rund läuft in Deutschland. Laut Prognose der Industriestaatenorganisation OECD wird die hiesige Wirtschaft dieses Jahr nur um 0,3 Prozent wachsen. Im Club der reichen Industriestaaten steht Deutschland damit an zweitletzter Stelle. Nur Argentinien ist noch schlechter aufgestellt. Doch liegt das einzig und allein an der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands?

Zwar leidet insbesondere die energieintensive Industrie schon länger unter hohen Energiepreisen. Gleichzeitig konnte die Industrie aber im Dezember das größte Auftragsplus seit dreieinhalb Jahren verbuchen. Auch wenn dies nur eine Momentaufnahme ist und die Unternehmen lange unter Auftragsengpässen litten, ist dies ein Indiz dafür, dass es anscheinend doch nicht so schlecht bestellt ist um die Wettbewerbsfähigkeit.

Leben wird immer teurer

Gleichzeitig drückt weiterhin die Inflation auf die Konjunktur. Lohnerhöhungen konnten den Kaufkraftverlust aufgrund der Teuerung der letzten Monate noch nicht auffangen, weshalb die Menschen im Land weiterhin sparen müssen. Dabei wird der steigende CO2-Preis das Leben an manchen Stellen noch teurer machen. Zudem schätzt die OECD, dass eine Verdoppelung der Seefrachtkosten aufgrund des Kriegs im Nahen Osten die Inflation um 0,4 Prozentpunkte nach oben treiben wird.

Vermutlich ist also eine Entlastung der Menschen im Land eher angesagt als eine Entlastung der Unternehmen. Etwa in Form des bereits versprochenen Klimageldes. Hilfen für die Wirtschaft sind höchstens sinnvoll, wenn sie zielgerichtet und an Bedingungen geknüpft sind, statt Steuergeschenke mit der Gießkanne.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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7 Kommentare

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  • Nimms den Menschen, gebs den Menschen, also beim CO2 Preis. Und dann bitte dankbar sein. Find ich grundsätzlich nicht gut derlei Abhängigkeit.



    Stichwort Unternehmen: Sind Unternehmer, die voll in der Haftung stehen mit ihrem Privatvermögen jetzt im Kontext eher ein Unternehmen, also nicht entlasten, oder eher doch Menschen, also doch entlasten. Bitte mal nacherklären.

  • Lindners Steuer-"Entlastungs" Pläne haben mit dieser Regierung so wenig zu tun wie der Sack Reis der gerade in China umfällt.

    Es ist einzig allein der Versuch die bereits weggeschwommenen Felle wieder einzukassieren und das zu retten was noch zu retten ist.

    Lindner ist die "Sprichwörtliche Ratte auf dem sinkenden Schiff".



    Er denkt schon an die Zeit wenn er nicht mehr in der Regierung ist. Macht er das nicht kann er sich doch auf Sylt nicht mehr sehen lassen. Dann wird sein Urlaub zum Spießrutenlauf in der Unternehmerkneipe des Vertrauens.

  • "Vermutlich ist also eine Entlastung der Menschen im Land eher angesagt als eine Entlastung der Unternehmen."

    Vermutlich. Nur sind die Menschen nicht die Klientel der FDP. Die *meisten* Menschen, zumindest.

  • Eine Entlastung oder Unterstützung unterer Einkommen hat gerade den Vorteil, dass es großteils wieder in Konsum und Wirtschaftskreislauf geht.

    • @Ciro:

      Da wird Ihnen niemand widersprechen, aber die Parteien, ob CDU, SPD, FDP und Grüne sind Null daran interessiert, wenn es um die unteren Schichten geht. Sie haben doch auch erst jetzt 15 Milliarden entlastet und stur darauf beharrt das sie die unteren und mittleren Schichten entlastet haben. Entgegnungen, dass die Kostensteigerungen in anderen Bereichen, welche sie erhöht haben, komplett die Entlastung obsolet macht wurden einfach weggewischt. Für die höheren Schichten haben sie finanziel aber durchaus was erreicht. Das war ein so trauriges Schauspiel. Da wurde einfach über die Mehrheit Hohn und Spott gegossen und anscheinend glauben sie die Menschen verstehen das nicht.

      Abgaben und Zuschläge sind keine Steuern. Wording ist schön und gut, aber die Zustimmungswerte kommen nicht von ungefähr.

      Vllt fällt auf, dass ich die AFD nicht aufgezählt habe, nicht weil ich glaube das sie es besser machen sie konnten nur noch nicht zeigen das sie es genauso oder schlechter machen. Der Rest hat bewiesen, dass schöne Worte toll klingen im Wahlkampf aber danach der Pöpel uninteressant ist.

      Auch witzig war sich beim Mindestlohn rauszuhalten um ihn dann doch nochmal populistisch rauszuholen Monate später. Die Regierung mischt sich nicht ein wegen den Bonizahlungen der DB. Ist ja ein eigenständiges Unternehmen aber die GDL auffordern mit Maß und Ziel zu agieren. Dann ist man dich involviert .... Sorry für mein Frust in dem Kommentar :D

      Naja, da es keine wählbaren Alternativen mehr gibt bleibt mir wohl nur "die Partei". Das ist wenigstens vllt unterhaltsam.

      Eins ist natürlich auch möglich, die Politiker sind eigentlich interessiert, haben aber keine Ahnung wie es in der Bevölkerung aussieht. Frau Lang, als soziales Gesicht bei den Grünen lag bei den Renten total daneben. Wenn schon jemand, dem das Thema wirklich wichtig ist, die grundlegenden Basisdaten nicht kennt, was denken dann erst andere Politiker und wie sollen Schieflagen im Land erkannt und behoben werden.

    • @Ciro:

      Das Problem ist leider, daß man halt alle entlastet, wenn man die unteren Einkommen entlastet. Und das geht nicht, denn es sollen ja die "Reichen" (das sind immer die anderen) dafür bezahlen. Siehe den Kindergeld/Freibetrag-Diskurs.

    • @Ciro:

      Die Treiber der Wirtschaft in Deutschland sind in erster Linie Maschinenbau, Autoindustrie und zum Teil der Bau. Eine Entlastung von unteren Einkommen hilft der Wirtschaft daher nur nichts bis wenig.