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Justizminister legt Konzept vorDas gemeinsame Altwerden regeln

Buschmann stellt Pläne zu Verantwortungsgemeinschaften vor. Dabei scheint der FDP-Politiker die Bedeutung der Ehe nicht unterminieren zu wollen.

Wohngemeinschaften für alle! Eine Senior*innen-WG in Rheurdt am Niederrhein Foto: Julia Tillmann/Funke Foto Services/imago

Freiburg taz | Schwestern, die zusammen alt werden, oder Wohngemeinschaften, die länger zusammenbleiben wollen, sollen bald eine Verantwortungsgemeinschaft gründen können. Dies schlägt Justizminister Marco Buschmann (FDP) in einem Eckpunktepapier vor, das solchen Wahlverwandtschaften das Leben leichter machen soll. Buschmann setzt damit ein Vorhaben aus dem Ampelkoalitionsvertrag um.

An einer Verantwortungsgemeinschaft sollen den Plänen zufolge zwei bis sechs Menschen teilnehmen können. Die Gemeinschaft entsteht demnach durch einen Vertrag, der beim Notar geschlossen wird, also nicht auf dem Standesamt. Es gibt auch keine staatliche Prüfung, ob wirklich eine Nähebeziehung besteht. Beendet wird die Verantwortungsgemeinschaft durch eine gemeinsame Aufhebung oder durch eine einseitige Kündigung.

Das geplante „Gesetz über die Verantwortungsgemeinschaft“ sieht eine Grundstufe und vier frei wählbare Module vor. Die Grundstufe regelt eher dramatische Fälle. So kann eine Ver­ant­wor­tungs­part­ne­r:in auch eine Niere oder den Teil einer Leber spenden, was sonst nur bei besonderer persönlicher Verbundenheit möglich ist. Wenn eine Part­ne­r:in ihre Geschäftsfähigkeit verliert, kann die andere für sie als rechtliche Be­treue­r:in eingesetzt werden. Beides könnte man aber auch auf anderem Wege, etwa durch eine Vorsorgevollmacht, erreichen.

Wichtiger dürften die im Eckpapier genannten Module werden. Im Modul „Zusammenleben“ kann eine Part­ne­r:in für alle gemeinsam Geschäfte abschließen, etwa eine Waschmaschine kaufen. Im Modul „Gesundheit“ erhalten Part­ne­r:in­nen ein Auskunftsrecht gegenüber Ärz­t:in­nen und Krankenhäusern.

Wenn die Anwältin den Straßenmusiker heiratet

Im Modul „Pflege“ könnte eine Part­ne­r:in sich bis zu sechs Monaten von der Erwerbsarbeit freistellen lassen, um ein anderes Mitglied der Verantwortungsgemeinschaft zu pflegen. Dieser praktisch sehr relevante Vorschlag steht aber noch unter einem nicht näher begründeten „Prüfvorbehalt“.

Große Bedeutung könnte auch das Modul „Zugewinnausgleich“ haben. Wenn eine Part­ne­r:in zugunsten der anderen Part­ne­r:in zu Hause bleibt, kann sie am Ende der Verantwortungsgemeinschaft von den Einnahmen der anderen mitprofitieren, wie in einer Ehe mit Zugewinnausgleich.

Dieses Modell dürfte ideal für nichteheliche Partnerschaften passen. Wenn die erfolgreiche Anwältin mit dem aufstrebenden Straßenmusiker eine Affäre beginnt und ein Kind zeugt, dann stellt der Musiker oft die Karriere zurück und erzieht das Kind. Sollte die Anwältin nach 13 Jahren dann doch ihren Kanzleikollegen heiraten, hätte der Musiker zumindest Anspruch auf die Hälfte der Einnahmen, die die Anwältin in dieser Zeit mehr erwirtschaftete als er.

Erstaunlicherweise taucht das Wort „nichteheliche Lebensgemeinschaft“ im Eckpunktepaper und den begleitenden Erläuterungen kein einziges Mal auf. Buschmann scheint Angst zu haben, dass die Verantwortungsgemeinschaft als „Ehe light“ und damit als Konkurrenz zur klassischen Ehe angesehen wird.

Ausdrücklich betont Buschmann, was eine Verantwortungsgemeinschaft nicht bewirkt. Sie verschafft keine Steuervorteile und kein Erbrecht. Sie bringt keine aufenthaltsrechtlichen Vorteile. Sie verschafft kein Sorgerecht für Kinder. Auch ein Aufenthaltsrecht für Aus­län­de­r:in­nen kann so nicht erreicht werden. Umgekehrt soll auch keine Pflicht entstehen, die anderen Part­ne­r:in­nen zu pflegen, und eine Bedarfsgemeinschaft beim Bürgergeld entsteht so auch nicht automatisch.

Es fehlen aber auch Inhalte, die eigentlich in Buschmanns Vorschlag erwartet worden waren. So fehlt etwa ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Mitglieder der Verantwortungsgemeinschaft. Wohl hatte Buschmann Angst, dass ein Hells Angels Chapter kurz vor der Verhaftung zum Notar geht und sich als Verantwortungsgemeinschaft definiert. Auch die Übernahme der Wohnung nach dem Auszug der Haupt­mie­te­r:in ist nicht vorgesehen. Hier nimmt der FDP-Minister wohl Rücksicht auf die Vermieter:innen. Buschmann will spätestens im Herbst einen Gesetzentwurf vorlegen. Nächstes Jahr könne das Gesetz dann beschlossen werden.

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5 Kommentare

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  • Ein kleine Sprachkritik zu diesem Beitrag: Er illustriert sehr deutlich, wie schwierig eine wahrhaft neutrale Sprache ist, die alles für beide Geschlechter gleichberechtigt formuliert. Es reicht eben nicht aus, nur an manchen Stellen einen Gender-Doppelpunkt zu setzen.

    Ich greife mal diesen Satz beispielhaft heraus: "Wenn eine Partner:in ihre Geschäftsfähigkeit verliert, kann die andere für sie als rechtliche Betreuer:in eingesetzt werden."

    Der Satz müsste konsequent eigentlich so formuliert werden: "Wenn ein:e Partner:in seine:ihre Geschäftsfähigkeit verliert, kann der:die andere für ihn:sie als rechtliche:r Betreuer:in eingesetzt werden."

  • Die Verantwortungsgemeinschaft ist der Versuch des libertäre Ideal vom 'Individualismus als Ziel und Methode' um ein Model für individuell wählbare Kleinstgemeinschaften zu ergänzen. Es soll nicht mehr nur 'JedeR sich selbst der/die Nächste' sein, es sollen auch diskrete Interessengemeinschaften, die 'jeweils nur sich selbst die Nächsten sind', möglich werden. Im Kern geht es also um die Erweiterung der Selbstverantwortung in der Wettbewerbsgesellschaft und nicht um geteilte Verantwortung für die Gesamtgesellschaft, die natürlichen Grundlagen des Lebens usw. Diese 'Freiheit zur Verantwortung Light' geht an der eigentlich notwendigen Debatte um kollektive Verantwortung durch u.a. Selbstbeschränkung vorbei. Die großen Gemeinschaftsprobleme, wie Klimawandel und -anpassung, Rente und Pflege, Bildung usw. lassen sich aber nicht individuell und auch nicht in atomisierten Verantwortungsgemeinschaften lösen, bestenfalls individuell erträglicher gestalten.

  • Soweit ersichtlich hat das alles Hand und Fuß. Gut ausgearbeitet, insbesondere da Erb-, Steuer-und Aufenthaltsrecht ausgenommen sind. Ein Zeugnisverweigerungsrecht ist nicht notwendig, da dieses auf den grundrechtlichen Schutz der Ehe und Familie zurück geht. Eine solche Ehe und Familie liegt ja gerade nicht vor.

  • "Wenn die erfolgreiche Anwältin mit dem aufstrebenden Straßenmusiker eine Affäre beginnt und ein Kind zeugt, dann stellt der Musiker oft die Karriere zurück und erzieht das Kind. Sollte die Anwältin nach 13 Jahren dann doch ihren Kanzleikollegen heiraten, hätte der Musiker zumindest Anspruch auf die Hälfte der Einnahmen, die die Anwältin in dieser Zeit mehr erwirtschaftete als er."



    In diesem Fall sollte der Straßenmusiker und zukünftige Vollzeitvater auf eine Ehe bestehen, dann läuft es nach der Scheidung wie gewünscht. Wozu braucht es in diesem Fall eine Verantwortungsgemeinschaft?



    Oder war es nur ein kurze Affäre und der Musiker soll einen Ausgleich für die Erziehungsarbeit bekommen, dies muss dann über den Kindesunterhalt geregelt werden.

    • @OHK22:

      Mögliche Antworten auf diese Fragen stehen im Text: Da wo die Unterschiede zur Ehe beschrieben werden.