Justizminister legt Konzept vor: Das gemeinsame Altwerden regeln
Buschmann stellt Pläne zu Verantwortungsgemeinschaften vor. Dabei scheint der FDP-Politiker die Bedeutung der Ehe nicht unterminieren zu wollen.
An einer Verantwortungsgemeinschaft sollen den Plänen zufolge zwei bis sechs Menschen teilnehmen können. Die Gemeinschaft entsteht demnach durch einen Vertrag, der beim Notar geschlossen wird, also nicht auf dem Standesamt. Es gibt auch keine staatliche Prüfung, ob wirklich eine Nähebeziehung besteht. Beendet wird die Verantwortungsgemeinschaft durch eine gemeinsame Aufhebung oder durch eine einseitige Kündigung.
Das geplante „Gesetz über die Verantwortungsgemeinschaft“ sieht eine Grundstufe und vier frei wählbare Module vor. Die Grundstufe regelt eher dramatische Fälle. So kann eine Verantwortungspartner:in auch eine Niere oder den Teil einer Leber spenden, was sonst nur bei besonderer persönlicher Verbundenheit möglich ist. Wenn eine Partner:in ihre Geschäftsfähigkeit verliert, kann die andere für sie als rechtliche Betreuer:in eingesetzt werden. Beides könnte man aber auch auf anderem Wege, etwa durch eine Vorsorgevollmacht, erreichen.
Wichtiger dürften die im Eckpapier genannten Module werden. Im Modul „Zusammenleben“ kann eine Partner:in für alle gemeinsam Geschäfte abschließen, etwa eine Waschmaschine kaufen. Im Modul „Gesundheit“ erhalten Partner:innen ein Auskunftsrecht gegenüber Ärzt:innen und Krankenhäusern.
Wenn die Anwältin den Straßenmusiker heiratet
Im Modul „Pflege“ könnte eine Partner:in sich bis zu sechs Monaten von der Erwerbsarbeit freistellen lassen, um ein anderes Mitglied der Verantwortungsgemeinschaft zu pflegen. Dieser praktisch sehr relevante Vorschlag steht aber noch unter einem nicht näher begründeten „Prüfvorbehalt“.
Große Bedeutung könnte auch das Modul „Zugewinnausgleich“ haben. Wenn eine Partner:in zugunsten der anderen Partner:in zu Hause bleibt, kann sie am Ende der Verantwortungsgemeinschaft von den Einnahmen der anderen mitprofitieren, wie in einer Ehe mit Zugewinnausgleich.
Dieses Modell dürfte ideal für nichteheliche Partnerschaften passen. Wenn die erfolgreiche Anwältin mit dem aufstrebenden Straßenmusiker eine Affäre beginnt und ein Kind zeugt, dann stellt der Musiker oft die Karriere zurück und erzieht das Kind. Sollte die Anwältin nach 13 Jahren dann doch ihren Kanzleikollegen heiraten, hätte der Musiker zumindest Anspruch auf die Hälfte der Einnahmen, die die Anwältin in dieser Zeit mehr erwirtschaftete als er.
Erstaunlicherweise taucht das Wort „nichteheliche Lebensgemeinschaft“ im Eckpunktepaper und den begleitenden Erläuterungen kein einziges Mal auf. Buschmann scheint Angst zu haben, dass die Verantwortungsgemeinschaft als „Ehe light“ und damit als Konkurrenz zur klassischen Ehe angesehen wird.
Ausdrücklich betont Buschmann, was eine Verantwortungsgemeinschaft nicht bewirkt. Sie verschafft keine Steuervorteile und kein Erbrecht. Sie bringt keine aufenthaltsrechtlichen Vorteile. Sie verschafft kein Sorgerecht für Kinder. Auch ein Aufenthaltsrecht für Ausländer:innen kann so nicht erreicht werden. Umgekehrt soll auch keine Pflicht entstehen, die anderen Partner:innen zu pflegen, und eine Bedarfsgemeinschaft beim Bürgergeld entsteht so auch nicht automatisch.
Es fehlen aber auch Inhalte, die eigentlich in Buschmanns Vorschlag erwartet worden waren. So fehlt etwa ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Mitglieder der Verantwortungsgemeinschaft. Wohl hatte Buschmann Angst, dass ein Hells Angels Chapter kurz vor der Verhaftung zum Notar geht und sich als Verantwortungsgemeinschaft definiert. Auch die Übernahme der Wohnung nach dem Auszug der Hauptmieter:in ist nicht vorgesehen. Hier nimmt der FDP-Minister wohl Rücksicht auf die Vermieter:innen. Buschmann will spätestens im Herbst einen Gesetzentwurf vorlegen. Nächstes Jahr könne das Gesetz dann beschlossen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wirtschaftspolitik der FDP
Falsch und verlogen
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
+++ Nach dem Ende der Ampel +++
Habeck hat Bock
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
Trumps Sieg bei US-Präsidentschaftswahl
Harris, Biden, die Elite? Wer hat Schuld?
Schönheitsideale in der Modewelt
Zurück zu Size Zero