Palästinenserhilfswerk und 7. Oktober: Eine Auflösung wäre töricht
Die Terror-Vorwürfe gegen die UNRWA müssen aufgeklärt werden. Die UN-Flüchtlingshilfe leistet aber wichtige Arbeit und sollte bestehen bleiben.
D ie Forderungen sind alt: UNRWA finanziell austrocknen oder ganz abschaffen! Nun hat Israel konkret angekündigt, dass das UN-Palästinenserhilfswerk keine Rolle mehr in Gaza spielen wird. Der Anlass ist tatsächlich ein Skandal: Mitarbeitende sollen am Hamas-Massaker beteiligt gewesen sein. Jede Verwicklung in den Terror gehört aufgeklärt. Die UNRWA muss den Vorwürfen nachgehen und alle Missstände beseitigen.
Doch bei aller Kritik darf die Rolle der UNRWA nicht unterschätzt werden: Zum einen bietet das Hilfswerk in den palästinensischen Gebieten und Nachbarländern zentrale Dienstleistungen an, die sonst der Staat übernimmt. Eine halbe Million Kinder gehen auf UNRWA-Schulen. Millionen Menschen bekommen Gesundheits- und Sozialhilfe. Zum anderen ist das Hilfswerk in den palästinensischen Gebieten ein wichtiger Arbeitgeber (mehr als 10.000 Angestellte in Gaza). Denn Gaza ist seit 2007 abgeriegelt, eine gesunde Wirtschaft konnte sich nicht entwickeln, sodass privatwirtschaftliche Unternehmen nur eingeschränkt aktiv sein können.
Bestimmte Gruppen in den USA und Israel hetzten seit Jahren gegen die UNRWA. In unverantwortlicher Weise strich Donald Trump die US-Gelder für das Hilfswerk komplett. Ihren Gegnern ist die Organisation nicht nur aufgrund von Missständen ein Dorn im Auge, sondern auch weil sie sich als Sonderhilfswerk für Palästina-Flüchtlinge konsequent für die Rechte der Palästinenser*innen einsetzt.
Ob die bestehenden Kontrollmechanismen ausreichen, muss diskutiert werden. Auch jetzt schon macht die Organisation allerdings nicht, was sie will, sondern gleicht etwa alle ihre Mitarbeitenden mit der UN-Sanktionsliste ab. Die Namen werden auch Israel vorgelegt. Die UNRWA in Abwesenheit einer politischen Lösung des Israel-Palästina-Konflikts abzuschaffen, ist in niemandes Interesse, weder der Menschen in Gaza noch Europas – und auch nicht Israels. Ein über Jahrzehnte gewachsenes System kurzerhand zu beseitigen, würde die Lage nur verschärfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen