Demos gegen rechts: Kleingeistig – und trotzdem super

Sanfter Städte-Chauvinismus, ärgerliche Aktivist:innen: Auch wenn nicht ganz klar ist, an wen sich Demos gegen rechts richten, haben sie doch Sinn.

"Lilli Fee statt AfD": Kinder mit Schild auf der Demonstration gegen rechts am 20.1. auf dem Bremer Marktplatz

Auf der richtigen Seite: Demonstration gegen Rechtsextremismus am Samstag in Bremen Foto: Carmen Jaspersen/dpa

BREMEN taz | Dass die Bremer Demonstration am Sonntag gegen rechts sehr, sehr voll werden würde, war spätestens klar, nachdem am Freitag in Hamburg 50.000 Menschen auf der Straße waren. Oder 80.000 – je nachdem, ob man der Schätzung der Polizei mehr traut oder der der Veranstalter. Diese Zahl galt es zu überbieten – einmal besser sein als die größere, reichere Nachbarstadt und das bitte nicht nur beim Fußball.

Und tatsächlich kamen in Bremen mit 50.000 Teil­neh­me­r:in­nen, oder, laut Veranstalter, sogar 70.000 gemessen an der Einwohnerzahl deutlich mehr De­mons­tran­t:in­nen zusammen als in Hamburg und den meisten anderen Großstädten. Noch etwas höher war der Anteil in einigen kleineren Städten wie Flensburg, oder der 29.000-Einwohner-Gemeinde Henstedt-Ulzburg in Schleswig-Holstein: Dort demonstrierte sogar mehr als je­de:r Zehnte.

Bitte melden, wer nicht ein bisschen stolz auf seine Stadt oder ihr Dorf war und sich ein wenig kleingeistigen Städte-Chauvinismus erlaubte. Ich gestehe, mir liefen kleine Schauer über den Rücken, als ich aus dem Fenster die Ersten mit selbst gebastelten Schildern aus meinem Stadtteil in die Bremer Innenstadt aufbrechen sah, später gefolgt von großen Pulks wie bei Werder-Heimspielen.

Dabei haderte ich noch auf dem Domshof stehend mit der Selbstgefälligkeit, mit der ich und andere Bil­dungs­bür­ge­r:in­nen ihre rechte – also in diesem Fall linke – Gesinnung inszenierten. Endlich mal auf der guten Seite der Macht stehen, privilegiert, warm und in Sicherheit. Genauso hatte ich schon mit den Ukraine-Demos Anfang 2022 gefremdelt. Damals wie heute war mir der Adressat der Proteste nicht klar.

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Die Asyl­ver­schär­fe­r:in­nen demonstrieren mit

Ich ging am Sonntag trotzdem hin, wieder in der Hoffnung, es hilft irgendwie denen, die unmittelbar betroffen sind, dieses Mal, weil sie in Thüringen leben oder aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Familiennamens als Erste von einer AfD-Regierung aus dem Land gejagt würden – oder Schlimmeres.

An dieser Stelle wird es kompliziert, weil viele dieser Menschen auch heute schon des Landes verwiesen werden und in Zukunft noch viel mehr. So sie denn überhaupt noch hinein gelassen werden, wenn nämlich die Asylrechtsreform der Europäischen Union Gesetz wird. Und das mit Zustimmung nicht nur der konservativen Parteien, sondern auch von Grünen und SPD, die sich an den aktuellen Demonstrationen gegen rechts beteiligen. Darauf wies ziemlich wütend ein Bekannter hin, der sich an mir vorbei in die Menge schob. „Ist das hier eine Demo oder Karneval?“, fragte er noch.

Die Antwort fand ich erst ein paar Stunden später: Sowohl als auch. Menschen können sich nur aktiv für andere und eine gerechtere Gesellschaft einsetzen, wenn sie ihre Selbstwirksamkeit spüren. Auch Widersprüche lassen sich so besser aushalten und die Gewissheit, dass immer noch viel mehr und viel schneller passieren müsste. Wenn man die Demonstrationen der vergangenen Tage daran misst, dann haben sie viel gebracht.

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