piwik no script img

Gesetzesvorhaben im BundestagEinbürgerung und Abschiebung

Der Bundestag beschließt in dieser Woche weitreichende Verschärfungen bei Abschiebungen. Einbürgerungen hingegen sollen schneller möglich sein.

Diesen Pass kann man künftig auch bekommen, ohne die bisherige Staatsbürgerschaft abgeben zu müssen Foto: Nikito/imago

Berlin taz | Diese Woche wird es amtlich: Künftig können sich Menschen schon nach fünf statt nach acht Jahren in Deutschland einbürgern lassen. Und Menschen, die abgeschoben werden sollen, können bald statt zehn ­Tagen bis zu vier Wochen inhaftiert werden. Am Donnerstag wird der Bundestag mit der ­Ampelmehrheit das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz beschließen, am Freitag die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts.

Eigentlich hatte die Ampel­koalition dieses Paket noch im Dezember verabschieden wollen. Doch bis zuletzt gab es Uneinigkeit und harte Verhandlungen unter den Koalitionspartnern. Gerungen hatten die Koalitionspartner vor allem um die Verschärfungen bei Abschiebungen. Besonders für viele Grüne dürften diese ein schmerzhaftes Zugeständnis sein, steht die Partei doch Maßnahmen wie Abschiebehaft seit Jahren kritisch gegenüber.

Genau diese wird nun aber deutlich ausgeweitet: Wer abgeschoben werden soll, kann künftig 28 Tage in Ausreisegewahrsam genommen werden – unabhängig davon, ob Fluchtgefahr besteht oder nicht. Auch sollen Nachtabschiebungen erleichtert werden und Beamte in Gemeinschaftsunterkünften nicht nur das Zimmer des Abzuschiebenden, sondern auch die Räume Dritter betreten dürfen.

Neu hinzugekommen ins Paket sind Maßnahmen, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im November mit den Re­gie­rungs­che­f*in­nen der Länder beschlossen hat: So bekommen etwa Asyl­be­wer­be­r*in­nen und Geduldete in Zukunft erst nach drei Jahren statt nach anderthalb Zugang zu vollen Sozial- und Gesundheitsleistungen.

Zähe Verhandlungen

Das Gesetz sei „gewiss nicht das grüne Wahlprogramm“, sagte der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Konstantin von Notz der taz. Angesichts einer durchaus schwierigen Ausgangssituation sei man letztlich, gerade mit Blick auf das parallel verhandelte Staatsangehörigkeitsrecht, aber zu einer „insgesamt guten Lösung“ gekommen.

So werden Geflüchtete in Fällen von Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam künftig immerhin einen Pflichtverteidiger bekommen. Auch sollen Minderjährige samt Familie grundsätzlich nicht in Abschiebehaft kommen und man habe klargestellt, dass Seenotrettung straffrei sei, so von Notz. „All diese Verbesserungen hätte es ohne Grüne am Verhandlungstisch nicht gegeben.“ Auch der SPD-Abgeordnete Demir wies ausdrücklich auf diese Verbesserungen hin. „Trotzdem ist das Rückführungsverbesserungsgesetz aus meiner Sicht nicht ganz ausgewogen“, so Demir.

Beide Politiker betonten hingegen die Erfolge bei der Reform im Staatsangehörigkeitsrecht: „Menschen, die seit Jahrzehnten hier leben, bekommen endlich vollen Zugang zu demokratischer Mitbestimmung, ohne ihre eigene Geschichte an den Nagel hängen zu müssen“, so von Notz. Die Reform sei trotz berechtigter Kritikpunkte ein „riesiger Erfolg“ – und die Ampel sei „die einzige politische Koalition, mit der das überhaupt möglich war“, so Demir.

Diese Gesetzesreform macht Mehrstaatigkeit in Deutschland grundsätzlich möglich: Wer sich einbürgern lässt, muss ab Inkrafttreten seine bisherige Staatsbürgerschaft nicht mehr abgeben. Auch sollen Einbürgerungen bei besonderen Integrationsleistungen schon nach drei Jahren möglich sein.

Millionen ohne deutschen Pass

Für Angehörige der sogenannten Gast- oder Vertragsarbeitergeneration und ihre Ehe­part­ne­r*in­nen soll es weitere Erleichterungen geben, etwa beim Sprachnachweis oder bei der Voraussetzung, den eigenen Lebensunterhalt sichern zu können. Die Einbürgerung von Menschen, die antisemitisch, rassistisch oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen begehen, soll ausgeschlossen werden.

Die Ampelkoalition hofft, mit der Reform die geradezu verschwindend geringen Einbürgerungszahlen in Deutschland zu erhöhen. Laut Gesetzentwurf leben mehr als fünf Millionen Menschen schon länger als zehn Jahre in Deutschland, ohne die deutsche Staatsbürgerschaft zu haben.

Eine solche Modernisierung des Einwanderungsrechts hatten zivilgesellschaftliche Organisationen schon lange gefordert. Genau aus diesen Gruppen kommt nun dennoch harsche Kritik. Wer eingebürgert werden will, muss schon jetzt seinen Lebensunterhalt selbst sichern. Ausnahmen für Menschen, die unverschuldet auf Sozialleistungen angewiesen sind, fallen nun weg. Betroffene sollen stattdessen über eine Härtefallregelung eingebürgert werden können. Damit aber liegt ihre Einbürgerung im Ermessen der zuständigen Behörden – einen Rechtsanspruch haben die Menschen dann nicht mehr.

Auch in diesem Punkt hatten die Koalitionäre bis zuletzt gerungen, ohne Ergebnis. Man wolle „Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme“, hatte Justizminister Marco Buschmann (FDP) im Dezember erklärt. Stattdessen soll den Behörden nun über Verwaltungsvorschriften klargemacht werden, wie die Härtefallregelung in diesen Fällen anzuwenden sei.

Rechter Diskurs

„Hier hätten wir uns eine rechtlich verbindliche Lösung gewünscht, um eine Diskriminierung beispielsweise von Menschen mit Behinderungen, Alleinerziehenden oder älteren Menschen rechtssicher auszuschließen“, kritisierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Die Nichtregierungsorganisation Pro Asyl spricht von „rechtsstaatlich fragwürdigen Verschärfungen bei Abschiebungen“, denen „jede Verhältnismäßigkeit“ fehle. Gerade angesichts des Correctiv-Berichts über rechtsextreme Deportationspläne müssten „demokratische Parteien die flüchtlingsfeindlichen Debatten beenden und das Rückführungsgesetz stoppen“.

Ähnlich äußert sich auch die Linken-Abgeordnete Clara Bünger: „Letzte Woche haben Po­li­ti­ke­r:in­nen der Ampelparteien noch ihr Entsetzen über die Deportationspläne der AfD kundgetan, jetzt machen sie schon wieder knallharte Abschiebepolitik“, sagte sie der taz. „Wer ernsthaft etwas gegen das Erstarken der AfD unternehmen will, darf einem solchen Entrechtungspaket nicht zustimmen.“

Die Union hingegen schießt ihrerseits gegen die Einbürgerungsreform. Schon in den vergangenen Monaten haben Unionsabgeordnete diese als „Verramschen“ der deutschen Staatsbürgerschaft bezeichnet. Nun hat die Fraktion einen Antrag eingebracht. Titel: „Den Wert der deutschen Staatsangehörigkeit bewahren“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "| Diese Woche wird es amtlich: Künftig können sich Menschen schon nach fünf statt nach acht Jahren in Deutschland einbürgern lassen. "

    -----------

    Und bei besonderen "Integrationsleistungen" schon nach 3 Jahren. Weshalb macht man es sich nicht einfach und vergibt die Staatsbürgerschaft direkt nach Grenzübertritt ?

    • @SeppW:

      Gute Frage, immerhin muss der Einheimische ja überhaupt nichts leisten um Staatsbürger zu werden.



      Insofern sehe ich den Wert der Staatsbürgerschaft bei ungefähr nahe 0 angesiedelt.

  • Warum wird die Staatsangehörigkeit so oft mit Bildern von einem Reisepass symbolisiert? Das ist doch ein nachrangiges Dokument, das man noch nicht einmal unbedingt besitzen muss. Man braucht es ironischerweise nur, wenn man D in Richtung eines Staates außerhalb des Schengengebiets VERLASSEN möchte.



    Richtigerweise müsste der Personalausweis abgebildet werden.