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Umgang mit der AfDZwischen Streit und Verbot

Die demokratischen Parteien diskutieren, wie sie mit der extrem rechten AfD umgehen sollen. Dabei scheint sich inzwischen auch die CDU zu bewegen.

Kundgebung für ein Verbot der AfD in Berlin am Freitag in Berlin Foto: Stefan Boness

Heidelberg/Berlin taz | Das klandestine Treffen von AfD-Politikern mit anderen Rechtsextremen und die öffentlich gewordenen Pläne zur massenhaften Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund haben die Debatte über den Umgang mit der extrem rechten Partei neu entfacht. Der Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, forderte gegenüber der taz, ein Verbotsverfahren der AfD zu prüfen: „Wegen ihres eindeutig demokratiefeindlichen Charakters müssen wir jetzt ganz ernsthaft über ein Verbot nachdenken“, so Schirdewan. Zuallererst gelte es jedoch der AfD politisch das Wasser abzugraben.

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sieht in der AfD eine Gefahr für die Demokratie und plädiert für ein Verbotsverfahren. Die Partei werde „in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft“, sagte Günther. In zwei dieser Länder habe sie bei den Landtagswahlen im Herbst gute Aussichten, stärkste Kraft zu werden. Hier müsse „eine wehrhafte Demokratie die Instrumente, die ihr zu ihrem eigenen Schutz zur Verfügung stehen, auch nutzen“, forderte Günther.

CDU-Chef Friedrich Merz sieht ein Verbotsverfahren hingegen skeptisch. „Ich halte davon sehr wenig“, bekräftigte Merz bei der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands am Wochenende in Heidelberg. Die AfD müsse man politisch bekämpfen. Merz will eine „sehr klare, sehr harte Auseinandersetzung“ mit der AfD, besonders über Europa-, Außen- und Wirtschaftspolitik, wie er zum Abschluss der Klausurtagung ausführte. Viele Handwerker und Mittelständler würden mit der AfD sympathisieren, ihnen müsse man klarmachen, dass diese Partei das Land wirtschaftlich nicht voranbringe, sondern ihm schade.

Auch forderte er den gesamten Bundesvorstand auf, im Wahlkampf in den drei ostdeutschen Bundesländern aktiv zu werden. „Das ist eine Aufgabe für die gesamte Bundespartei“, sagte Merz. „Ich möchte uns nicht den Vorwurf machen nach diesen Wahlen, dass wir vor diesen Wahlen möglicherweise zu wenig getan haben.“

Hendrik Wüst zieht seine eigenen Schlüsse

In Thüringen, wo die AfD seit Monaten die Umfragen mit deutlich über 30 Prozent anführt, ist die Lage besonders brisant. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt lieferte sich auf X, früher Twitter, einen Schlagabtausch mit AfD-Rechtsextremist Björn Höcke, der mit einer Zusage für ein öffentliches Streitgespräch endete.

In der CDU ist diese Strategie umstritten, das wurde auch während der Heidelberger Vorstandsklausur deutlich. Einig war man sich laut Teil­neh­me­r*in­nen in der klaren Abgrenzungen zur AfD, nicht aber beim Umgang mit der Partei. Die einen sind der Ansicht, dass die CDU die AfD offensiv inhaltlich herausfordern muss. Die anderen befürchten, dass dies die AfD weiter stärken könnte.

Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst nannte die AfD eine „gefährliche Nazipartei“. Als Konsequenz regte er eine „Allianz der Mitte“ zur Begrenzung der Migration an. Wüst sagte, die Migrationsfrage sei eines der größten ungelösten Probleme dieser Zeit, und hieraus speise sich die Kraft der AfD.

Linken-Vorsitzender Schirdewan findet es „bedrohlich“, dass die Union in dem Versuch, der AfD das Wasser abzugraben, weit nach rechts rücke. „Das ist Wasser auf die Mühlen der rechten Demagogen und verschafft der AfD ihre hohen Zustimmungwerte“, so Schirdewan.

Einen klaren Schnitt will die CDU dagegen bei der sogenannten Werteunion von Hans-Georg Maaßen vollziehen. Der Zirkus mit der Werteunion müsse ein Ende haben, soll Merz während der Sitzung in Heidelberg gesagt haben. Die Werteunion ist keine Parteiorganisation, sondern ein unabhängiger Verein, deren Mitglieder aber zum großen Teil CDU und CSU angehören.

An dem rechtsextremen Geheimtreffen sollen nach Angaben der Plattform Correctiv auch drei Wertunion-Mitglieder mit CDU-Parteibuch teilgenommen haben, darunter die ehemalige CDU-Gemeinderätin aus Engelskirchen Simone Baum. Gegen ein CDU-Mitglied aus NRW habe der zuständige Kreisverband Schritte für den Parteiausschluss eingeleitet, so Paul Ziemiak, Generalsekretär der Landes-CDU.

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11 Kommentare

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  • Solange die CDU ihren Vorsitzenden nicht dazu bringt nicht die Grünen, sondern die AfD als den politischen Hauptgegner betrachten, solange bleibt alles darunter leeres Geschwätz.

  • @AL DENTE

    Danke für die Fallstudie, die Sie bieten. Sie haben das Köder der Rechten geschluckt, mitsamt Angelhaken, Senkblei und Schnur.

    - Nein. Nicht alle werden kommen.



    - Nein, wir sind noch weit entfernt von der "Belastungsgrenze". Problem ist, dass diejenigen, die die Integrationsleisung primär erbringen (zuvorderst Kommunen und Vereine) damit alleine gelassen werden.



    - Migration und Flucht für eine verfehlte Wohnungspolitik zu machen... das ist genau der Trick.

    • @tomás zerolo:

      Den Begriff "Belastungsgrenze" habe ich nicht verwendet. Ich bin lediglich auf die von Ihnen thematisierte "Angst" eingegangen.

      Zudem habe ich Migration und Flucht auch nicht für eine (in der Tat) verfehlte Wohnungspolitik verantwortlich gemacht. Wir müssen allerdings mit der Situation umgehen, die wir hier und jetzt vorfinden.

    • @tomás zerolo:

      "Nein, wir sind noch weit entfernt von der "Belastungsgrenze"."

      --------------



      Man sollte in diesem Diskurs den Begriff "Belastungsgrenze" gar nicht mehr anwenden. Er suggeriert schließlich das irgendwann das Boot voll ist. Was vollkommen falsch ist, da der der Platz für Flüchtlinge in unserem Land unendlich groß ist :)

  • man kann und darf die AFD nicht im Namen der Demokratie verbieten wenn 1/4 der Wähler diese Partei an der Regierung sehen will. Aber man muss sagen Nazis sind keine Alternative für Deutschand;



    ganz laut, immer und überall

  • "Wüst sagte, die Migrationsfrage sei eines der größten ungelösten Probleme dieser Zeit, und hieraus speise sich die Kraft der AfD."

    Da ist sie wieder, die Mutter aller Probleme. Nein, wir haben nicht mit der Migration ein Problem. Sondern damit, dass manche aus der Angst davor politisches Kapital schlagen wollen (und deshalb diese Angst schüren).

    So macht die CDU die Arbeit der AfD. Für ein paar Prozentpunkte in den Umfragen schustern sie der AfD mindestens das doppelte zu.

    • @tomás zerolo:

      So, so, Sie sehen also die Probleme rund um die Probleme als gelöst an

      Sie haben sich offensichtlich dann damit abgefunden, dass die Menschen im Mittelmeer ersaufen, in der Sahara verdursten oder erschossen werden oder gar nicht erst die Zustände n den Heimatländern nicht überleben.

    • @tomás zerolo:

      Kennen Sie ein Land, in dem die Bevölkerungsmehrheit bereit ist, alle Menschen, die sich, aus was für Gründen auch immer, in diesem Land niederlassen wollen, bei sich aufzunehmen? Ich kenne keines.

      Offensichtlich wird freie (unbegrenzte) Migration überall auf der Welt mehrheitlich als problematisch wahrgenommen. Die Gründe dafür können rassistisch, religiös intolerant oder sonstwie menschenfeindlich sein. Sie müssen es aber nicht. Manchmal sind sie auch "nur (nachvollziehbar) egoistisch".

      Für die derzeitige Bestandsbevölkerung (egal welcher Staatsangehörigkeit) fehlen aktuell mindestens 1.000.000 Wohnungen, davon mindestens 700.000 Sozialwohnungen. Wann es die (vielleicht) mal geben wird, ist völlig unklar. Es fehlen Kitas, Schulen, Betreuungs- und Lehrkräfte. Nichts davon kann kurzfristig bereitgestellt werden.

      Wenn in dieser Situation Menschen Angst davor bekommen, dass die Bevölkerung durch Zuzug von außen schneller wächst, als die genannten Probleme gelöst werden können, dann kann ich das nachvollziehen.

      • @Al Dente:

        Auch ein Mangel an Betreuungskräfte wird mensch aufgrund demografischer Entwicklung wohl nicht ohne Zuzug (Migration) lösen können. Auch Wohnraum baut sich nicht ohne Facharbeiter*innen.



        An sich bräuchte es nicht so viel neuen Wohnraum sondern passenden und bezahlbaren Wohnraum. Die Mieten müssen runter. Dies würde Wohnungswechsel erleichtern. Dann bräuchte es einen besseren ÖPNV. So könnten Menschen im Umland wohnen bleiben und mit Öffis in die Stadt pendeln.



        Egoistisch ist durchaus schei@% genug. Laufend Natur und globalen Süden plündern, Umwelt und Klima zerstören, von allem profitieren und den Profit stetig anhäufen, ist bereits fragwürdig genug, gelinde gesagt, Menschen in Leid und Tod drängen dazu extra-arsc&%@.

  • Gerne kann man "prüfen". Nur ein Verbot wird sich juristisch nicht durchsetzen lassen. Man muss die AfD inhaltlich stellen, was bisher wenig bis nie geschehen ist. Warum weiß ich nicht.

    • @Frankenjunge:

      Weil man in Berlin politisch argumentativ mit heruntergelassenen Hosen dasteht. Schon seit Jahren. Deshalb soll es ja jetzt über die hochemotionale Ebene mit der "wehrhaften Zivilgesellschaft" ausgefochten werden.

      Aber auch das wird nicht funktionieren. Vor allem nicht im Osten, wo man bereits mit der aus der Normannenstrasse heraus gesteuerten "wehrhaften Zivilgesellschaft" so seine Erfahrungen machen durfte.