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Waffenexport zur arabischen HalbinselEin bisschen Frieden mit den Saudis

Schon wieder eine Zeitenwende: Die Grünen stimmen Waffenlieferungen an das wahhabitische Königreich zu und zittern um ihr Rüstungsexportgesetz.

Betankung eines Eurofighters während eines bewaffneten Patrouillenfluges Foto: Rohlfing/BW/Luftwaffedpa

Jerusalem/Berlin taz | Wenige Stunden, nachdem Annalena Baerbock in Jerusalem eingetroffen ist, hängt sie mit einem Ohr schon wieder in der Heimat. Die Grünen-Politikerin muss am Montag hektische Telefonate führen, denn in ihrer Partei brodelt es nach ihre Ankündigung vom Vorabend: Dass sie am ersten Tag ihrer Nahost-Reise einen neuen Kurs für den Verkauf von Kriegsgerät an Saudi-Arabien bekanntgegeben hat, sorgt bei Par­tei­freun­d*in­nen in Berlin für Unmut.

Gleich zwei Geschäfte bringen das Thema Rüstungsexporte zu Jahresbeginn zurück auf die Tagesordnung: Die Bundesregierung gibt ihr Veto dagegen auf, dass Großbritannien dem saudischen Regime eine neue Tranche der gemeinsam gebauten Eurofighter-Kampfjets anbietet. Außerdem erhält das Land deutsche Raketen für die Flugabwehr. Eine Kehrtwende, nachdem Rüstungsgüter für Riad seit 2018 ein Tabu waren.

Der Angriff der Hamas auf Israel und der neue Nahost-Krieg haben dazu geführt, dass die Ampel erneut Prinzipien abräumt. Diesmal ist die Sache vor allem für die Grünen verzwickter als beim ersten Teil der „Zeitenwende“ vor zwei Jahren: Die Waffenlieferungen an die Ukraine nach der russischen Invasion im Februar 2022 waren für die Partei zwar ein großer Schritt, aber mit Völkerrecht und Demokratie kohärent begründbar. Der Fall Saudi-Arabien aber?

Die Bundesregierung sieht das Regime als strategischen Partner. Außerdem will die Koalition schon länger europäische Rüstungskooperationen stärken – dabei sieht sie eine harte Linie bei Gemeinschaftsprojekten wie dem Eurofighter als Hindernis.

Auf der anderen Seite wurden die Saudis zu anderen Zeiten mit gutem Grund mit spitzen Fingern angefasst. Frauen erhalten dort nur schleppend mehr Rechte, LGBTIQ-Personen werden verfolgt, die Todesstrafe trifft auch Oppositionelle. Bisweilen werden Regimekritiker schon mal im Ausland ermordet, wie im Fall Khashoggi. In Konflikten wie dem Jemen-Krieg hat das Regime das humanitäre Völkerrecht missachtet.

Es ist ein Spannungsverhältnis, in dem sich die Bundesregierung auch bei anderen Rüstungsgeschäften bewegt. So gibt es Pläne für einen U-Boot-Deal mit Indien, der helfen soll, das Land aus der Abhängigkeit von russischen Rüstungsgütern zu lösen. Auf der anderen Seite ist die Menschenrechtslage vor Ort verheerend.

Restriktionen für Lieferungen an menschenfeindliche Staaten

„Die geopolitischen Argumente kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Aber es gibt Grenzen“, sagt der Friedensforscher Max Mutschler, Friedensforscher am Bonn International Centre for Conflict Studies. „Es ist belegt, dass die saudische Kriegsführung das Völkerrecht aushöhlt. Der Fall zeigt, wie wichtig ein Rüstungsexportkontrollgesetz wäre, das seinen Namen verdient.“

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Im Koalitionsvertrag hatten sich Grüne, FDP und SPD darauf geeinigt, ein solches Gesetz schnell auf den Weg zu bringen. Es sollte bisherige Regelungen bündeln und stärken. Das Gesamtvolumen deutscher Rüstungsexporte würde das Gesetz nicht unbedingt senken – für Geschäfte mit Partnerstaaten sollte es sogar Lockerungen beinhalten. Für die Lieferung an menschenfeindliche Staaten waren aber Restriktionen vereinbart.

Im Angesicht der aktuellen Diskussion drängen die Grünen jetzt noch mal auf das Projekt. „Es ist gut, dass die Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag im Dezember diesem gemeinsamen Vorhaben Nachdruck verliehen haben, denn gemeinsam wollen wir für zukünftige Rüstungsexporte einen verbindlichen Rahmen setzen, der Menschenrechte schützt und unseren demokratischen Standards angemessen ist“, sagt Parteichef Omid Nouripour der taz.

Die Partei könnte das Gesetz als Erfolg verkaufen und es als Argument gegen Kri­ti­ke­r*in­nen wie Linken-Chefin Janine Wissler vorbringen, die in dieser Woche sagte, die Grünen seien „friedenspolitisch am Ende“.

Die Umsetzung ist jedoch mühsam. Seit Beginn des Nahost-Kriegs scheinen die Zeiten endgültig ungünstig für restriktive Regeln. Erschwerend kommt die Arbeit der Rüstungslobby hinzu, die auch in die Ampel-Koalition gut vernetzt ist.

Friedensorganisationen sind ernüchtert

Im Herbst 2022 präsentierte Sven Giegold, grüner Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, nach langem Ringen erste Eckpunkte für das Gesetz. Die Waffenkonzerne lehnten sich entspannt zurück, Friedensorganisationen reagierten dagegen ernüchtert. Ein Klagerecht für Verbände war vom Tisch. Egal, wie streng die neuen Regeln letztendlich formuliert wären: Rechtlich durchsetzen ließen sie sich nur schwer. Das deutsche Vetorecht für Exporte von Gemeinschaftsprojekten wie dem Eurofighter sollte zudem abgeschwächt werden.

Immerhin sahen die Eckpunkte aber eine „besondere Bedeutung“ von Kriterien wie Menschenrechten und Völkerrecht vor, dazu eine stärkere Begründungspflicht gegenüber dem Bundestag. Künftig müsste also detaillierter als jetzt erklärt werden, warum zum Beispiel die Sicherheit Israels ohne Waffenlieferungen an Saudi-Arabien nicht gewährt werden könnte. Mittlerweile ist aber sogar unklar, ob diese Regeln kommen.

Nach der Veröffentlichung der Eckpunkte sollte eigentlich alles schnell gehen, fast anderthalb Jahre später hat die Regierung aber noch keinen Gesetzesentwurf präsentiert. Staatssekretär Giegold lud zuletzt im November eine Runde von NGO-Vertreter*innen zu einem Austausch ein. Einen neuen Stand haben aber auch sie nicht erfahren.

Nach außen sichtbar war im vergangenen Jahr nur ein Fortschritt. Eine geplante Neuregelung zugunsten der Rüstungsindustrie – abgesenkte Vorgaben für Exporte in einzelne Länder wie Südkorea und Singapur – hat die Regierung vorgezogen und in Form einer Verordnung umgesetzt.

Zur Frage, warum ansonsten Stillstand herrscht, gibt sich die Koalition verschlossen. Ein offenes Geheimnis war aber schon vor Monaten, dass sich die Grünen im Streit für strenge Regeln alleingelassen fühlen. Auch wenn sich der SPD-Parteitag zuletzt für Restriktionen aussprach, halten es sozialdemokratischen Mi­nis­te­r*in­nen anders. Bei einer Veranstaltung der Rüstungslobby kündigte Verteidigungsminister Boris Pistorius laut dem Fachdienst Table.Media an, die Exportpolitik mit dem Gesetz lockern zu wollen.

Es gibt zu wenige Demokratien

Die FDP verwehrt sich ohnehin gegen scharfe Vorgaben. „Wenn wir unsere Interessen global wahren wollen, können wir die Zusammenarbeit mit nicht-demokratischen Staaten wie Saudi-Arabien nicht per se ausschließen“, sagt ihr verteidigungspolitischer Sprecher Alexander Müller. „Laut Demokratie-Index gelten nur 21 Staaten weltweit als vollwertige Demokratien, da hat man dann keine große Wahl mehr bei den internationalen Partnern“.

Es lässt sich leicht ausmalen, wie mühselig sich bei diesem Frontverlauf das Ringen um den genauen Wortlaut des Gesetzes gestaltet – und damit um die Details, die darüber entscheiden, welche Wirkung es in der Praxis entfaltet. Ob Menschenrechte ein Kriterium von „herausragender“ oder nur von „besonderer Bedeutung“ sind, ob das generell gilt oder nur „grundsätzlich“, macht einen großen Unterschied.

Nach dieser Woche könnte es dabei für die Ver­fech­te­r*in­nen einer harten Linie noch schwieriger werden. Die Gegenseite hat ein Argument hinzugewonnen: Wenn sich selbst die Grünen im Kabinett für Waffenexporte nach Saudi-Arabien aussprechen – warum sollte die Ampel dann noch Regeln beschließen, die solche Geschäfte in Zukunft erschweren? Ob das Gesetz am Ende also auch nur halbwegs beinhaltet, was im Koalitionsvertrag vereinbart war, ist fraglicher denn je. Und sogar, dass das Vorhaben gänzlich scheitert, gilt in Ampel-Kreisen mittlerweile als möglich.

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2 Kommentare

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  • Nun ja - sie lernen dazu - sie fangen an die Realitäten zu verstehen.



    Leider nicht schnell genug vor den nächsten umfassenden Wahlen.



    Die Fehler, die sie in den vergangenen Monaten gemacht haben werden sie dort einholen.

  • Unsere Nachbarn (besonders Frankreich) verscherbeln ihr Kriegsgerät halt an alle und jeden. Entweder Deutschland macht da bei Gemeinschaftsprojekten mit oder muss alles selbst entwickeln oder alles beim Ausland einkaufen.