piwik no script img

Lieferkettengesetz der EUFast in trockenen Tüchern

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Das Lieferkettengesetz steht kurz vor dem Ziel – endlich. Doch es kann sein, dass es auf den letzten Metern noch verwässert wird.

Arbeiter in einer Färberei in Bangladesch Foto: Piyas Biswas/ZUMA Wire/imago

D as Lieferkettengesetz, das die Europäische Union gerade grundsätzlich beschlossen hat, ist auch eine späte Reaktion auf die Katastrophe von Rana Plaza. Beim Einsturz der Textilfabrik in Bangladesch vor zehn Jahren starben über 1.000 Arbeiter:innen. Dank der EU-Richtlinie werden viele Unternehmen künftig darauf achten müssen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Diese Regulierung trägt dazu bei, die Lage der Beschäftigten weltweit zu verbessern.

Wobei auf den letzten Metern in Brüssel noch alles Mögliche passieren kann. Bisher ist die Einigung erst vorläufig. Auch deutsche Industrieverbände wie der BDI und der VCI wollen das Gesetz durchlöchern und verschieben. Einstweilen jedoch scheint das Vorhaben ein großer Erfolg zu werden: Unternehmen sind künftig verpflichtet, die sozialen und ökologischen Rechte der Beschäftigten ihrer Lieferanten in aller Welt zu berücksichtigen. Das gilt ebenso für die An­woh­ne­r:in­nen der Zulieferfabriken und ihre Rechte auf Land und saubere Umwelt. Ein rein freiwilliges Engagement reicht nicht mehr.

Die Richtlinie geht über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus, indem sie auch kleinere Firmen einbezieht. Das EU-Gesetz soll schon ab 500 Beschäftigten gelten, während die Grenze in Deutschland ab 2024 bei 1.000 Ar­beit­neh­me­r:in­nen liegt. Und es soll eine schärfere Haftung gelten: Geschädigte Ar­bei­te­r:in­nen in fernen Ländern können die hiesigen Auftraggeber leichter auf Schadenersatz verklagen. Außerdem setzt die EU einen positiven globalen Standard, weil das Gesetz gleichzeitig für viele Unternehmen aus anderen Staaten gilt, die in der EU Geschäfte machen.

Für Konzerne wie VW wird es damit beispielsweise schwieriger, eine Fabrik in Xinjiang zu betreiben, einer Provinz, in der die chinesische Regierung systematisch die Menschenrechte verletzt. Auch die Herkunft großer Mengen des Polysiliziums für Solarmodule von dort steht künftig unter schärferer Beobachtung. Nicht ausgeschlossen erscheint, dass Firmen menschenrechtliche Risiken ausschließen, indem sie von vornherein andere Standorte wählen. Das Gesetz könnte damit einen Beitrag leisten, dass Produzenten diktatorische Staaten verlassen – ein sympathischer Nebeneffekt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • @ROLLEF

    "Kapitalismus ohne Ausbeutung funktioniert nicht."

    So ist es. Deshalb wollen wir den Kapitalismus nicht.

  • "Für Konzerne wie VW wird es damit beispielsweise schwieriger, eine Fabrik in Xinjiang zu betreiben, einer Provinz, in der die chinesische Regierung systematisch die Menschenrechte verletzt."



    Ich denke in 'besonderer Erinnerung' 3 Dekaden zurück:



    "Nach meiner Kenntnis - ist das sofort: unverzüglich“*



    Also in Zukunft, mit oder ohne Übergangsfrist oder Sonderregelungen, quasi als Bestandsschutz?



    Interessant wird es in 'Notlagen', wenn uns technische Produkte für die Infrastruktur oder Arzneimittel "ausgehen", aber in der Daseinsvorsorge sind wir durch die Pandemie jetzt hoffentlich gefeit. Auf die ersten Prozesse bin ich gespannt, schon wegen der zu unterstellenden Asymmetrie in den Machtverhältnissen und der Winkelzüge einer gewieften Profession. Die Agrarchemie hat schon eigene ExpertInnen.

    *www.deutschlandfun...mauerfall-100.html

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Stellt sich nur die Frage, ob europäische Verbraucher auch bereit sein werden, dies zu bezahlen, insbesondere wenn ihre Arbeitgeber abwandern.

  • EINKLANG



    Nett der einleitende Satz hierzu in der Berliner: "In der EU müssen Unternehmen künftig ihre internationalen Geschäfte mit Menschenrechten und dem Klimawandel in Einklang bringen" IM EINKLANG MIT DEM KLIMAWANDEL wirtschaften wir doch alle schon lang - das is ja das Problem.

  • Es ist interessant.

    Keine Kohle aus Kolumbien



    Kein Lithium aus Chile



    Kein Kobalt aus dem Kongo



    Keine Diamanten mehr



    Keine seltenen Erden



    Kein ...

    So gut es gedacht ist, da wird über's Ziel hinaus geschossen.

  • BDI und VCI haben doch bestimmt ihren Manfred Weber in Stellung gebracht.

    Wär' ja gelacht.

    • @tomás zerolo:

      Das hoffe ich doch.



      So ein Regulierungsmonster ist eine Ressourcenverschwendung hoch zehn.



      Kapitalismus ohne Ausbeutung funktioniert nicht.

      • @rollef:

        Das halte ich für ein Gerücht.