Nachtragshaushalt wohl unbedenklich: Keine langfristige Lösung

Sachverständige geben der Bundesregierung beim Nachtragshaushalt Schützenhilfe. Die Schuldenbremse dürfte dennoch zunehmend in der Kritik stehen.

Es geht zum Beispiel um den Ausbau der digitalen Infrastruktur Foto: Uwe Anspach/dpa

Im Kern hatten die Sachverständigen keine Bedenken gegen den Nachtragshaushalt 2023, den der Bundestag nächste Woche beschließen will. Das ergab eine Anhörung des Haushaltsausschusses am Dienstag. Allerdings wurden auch neue verfassungsrechtliche Risiken identifiziert, die die Ampel-Koalition im Moment noch – nachvollziehbar – ignoriert.

Der Nachtragshaushalt sorgt vor allem dafür, dass Kosten für die Energiepreisbremse im Haushaltsjahr 2023 verbucht werden und nicht 2022, wie bisher von der Ampel-Koalition praktiziert. Dies ist die Schlussfolgerung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Maßgeblich für die Berechnung der Schuldenbremse ist der Zeitpunkt der Aufnahme der Kredite und nicht die Einrichtung von langjährigen Kreditermächtigungen in Sondervermögen.

Da nach dieser Umbuchung die Grenzen der Schuldenbremse auch im Jahr 2023 nicht mehr eingehalten werden können, muss auch für 2023 noch eine Notlage erklärt werden. Dies ist auch problemlos möglich, da der Energiepreisschock eine offensichtliche Folge des russischen Kriegs gegen die Ukraine war. Für solche Fälle ist die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse da.

Schwieriger ist die Frage, ob das Prinzip der jährlichen Verbuchung von Krediten nun für alle Sondervermögen des Bundes gilt. Ein Teil der Sachverständigen, einschließlich des Bundesrechnungshofs, forderte dies. Mit guten Gründen. Die Schuldenbremse soll alle Kredite erfassen, nicht nur die Kredite des Kernhaushalts. Sie soll nicht durch Buchungstricks umgangen werden.

Notlagenerklärung hilft nicht

Allerdings müssten dann weitere 18 Milliarden Euro als Schulden für 2023 verbucht werden. Es geht hier zum Beispiel um Fonds für Kita-Ausbau und digitale Infrastruktur – es geht also um Kosten, die nicht auf eine überraschende Notlage zurückzuführen sind. Deshalb hilft die Notlagenerklärung hier nicht weiter. Da das Jahr 2023 bekanntlich fast zu Ende ist, können die Milliarden wohl auch nicht mehr an anderer Stelle eingespart werden.

Deshalb ist es gut nachvollziehbar, dass die regierungsnahen Sachverständigen das Problem jedenfalls für das Jahr 2023 einfach ignorierten. Sie verschaffen der Bundesregierung so einen gewissen Übergangszeitraum, den das Bundesverfassungsgericht in seinem rücksichtslosen Urteil verweigerte.

Für das Haushaltsjahr 2024, über das ja parallel auch verhandelt wird, steht die Frage dann aber erneut im Raum. Und es wird sich zeigen: Je unerfüllbarer die Einhaltung der Schuldenbremse aufgrund der neuen Buchungsregeln des Bundesverfassungsgerichts ist, umso lauter werden die Stimmen für eine Reform des im internationalen Maßstab beispiellos strengen Instruments sein.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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