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Auftragsmord in MoskauTödliche Schüsse in Kopf und Brust

Der ukrainische Politiker Ilja Kiwa ist in Moskau ermordet worden. Kurz vor Beginn des Angriffskrieges war er zu den Russen übergelaufen.

Mordopfer Ilja Kiwa, hier noch als Abgeordneter des ukrainischen Parlamentes 2019 Foto: Yulia Ovsyannikova/imago

Mönchengladbach taz | Ilja Kiwa, einer der schillerndsten ukrainischen Politiker, ist tot. Kiwa, der in dem Moskauer Hotel Velich Country Club lebte, war, so berichtet das russische Portal lenta.ru, mit zwei gezielten Schüssen in die Brust und in den Kopf ermordet worden.

Das Gelände des Hotels, so berichtet die russische Zeitung Iswestija, sei ein sehr gut bewachtes Gebiet, in das man ohne Erlaubnis nur sehr schwer eindringen könne.

Am Mittwochabend bestätigte Andrij Jussow, Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes, den Tod des ehemaligen Abgeordneten.

Gleichzeitig appellierte er „an andere Kollaborateure, Verräter und Kriegsverbrecher“: „Der sicherste Weg für Sie ist, sich in die Hände der ukrainischen Justiz zu begeben, vor allem, wenn es bereits ein Urteil gibt. Das wird Ihnen die Einhaltung Ihrer Rechte, Sicherheit und regelmäßige Mahlzeiten garantieren, im Gegensatz zu einem gefährlichen Aufenthalt auf dem Territorium des Aggressorstaates“, sagte er.

Sonderoperation des ukrainischen Geheimdienstes

Der russische Dienst der BBC berichtet unter Berufung auf eine eigene Quelle, die Ermordung Kiwas sei eine Sonder­operation des SBU gewesen. Genauso wie der Berater des Chefs der Präsidialadministration, Michail Podoljak betonte auch Jussow, dass eine gerechte Bestrafung „jeden Verbrecher, Verräter und Kollaborateur einholen wird“, schreibt die gazeta.ua.

Kiwa hatte sich 2014 der Partei Rechter Sektor angeschlossen und im Donbass gegen die Separatisten gekämpft. 2015 und 2016 wurde er Beamter im Innenministerium und Berater des damaligen Innenministers Arsen Awakow. In dieser Zeit machte er immer wieder mit radikalen Forderungen von sich reden. So wollte er die LGBTQ+-Bewegung als Terrororganisation verbieten lassen und die Todesstrafe wieder einführen.

Nachdem er kurzzeitig Chef der Sozialistischen Partei war, trat er 2019 der Partei Oppositionsplattform Für das Leben bei und wurde Parlamentsabgeordneter.

Einen Monat vor der russischen Intervention im Februar 2022 verließ er die Ukraine, ging nach Russland und unterstützte von dort aus die russische Intervention in der Ukraine bei Auftritten im russischen Fernsehen.

Während im ukrainischen Internet die Reaktionen auf den Mord an Kiwa überwiegend zustimmend sind, gibt es auch kritische Stimmen an einem möglicherweise von der Ukraine in Auftrag gegebenen Mord.

Gegen Lynchgerichte und Selbstjustiz

„Gibt es in der Ukraine die Todesstrafe? Nein, die gibt es nicht“, schreibt eine Oksana Hluhen’ka auf Facebook. „Es gibt Gerichte. Und es gibt terroristische Szenarien eines ‚Aufräumens‘. Lynchgerichte. Sie könnten der Nächste sein. Es gibt eine Gesellschaft, die über die Ermordung eines Menschen lacht. (Ich rechtfertige damit keineswegs Kiwa, aber …).“

Gleichzeitig warnt sie vor Reaktionen wie im russischen Netz. Dort sei der Tod eines ukrainischen Mädchens in Tschernihiw am 19. August mit Smileys kommentiert worden. Selbst die deutschen Verbrecher des Zweiten Weltkriegs seien bei den Nürnberger Prozessen verurteilt worden.

Nein, hält ihr ein Artur Movchan entgegen. Verurteilen könne man Kriegsverbrecher erst, wenn man den Krieg gewonnen und die Russen alle Verräter ausgeliefert hätten. Jeder potenzielle Verräter, der von Russen Geld für das Weitergeben von Informationen annehme, müsse wissen, dass man in der Ukraine sein ganzes Leben auf ihn warten werde. Und auf die Russen warte kein sicherer Hafen, sondern die Kugel.

Weitere politische Morde

Unterdessen wurde ein weiterer tödlicher Anschlag bekannt. Ebenfalls am Mittwoch kam Oleg Popow, Abgeordneter in der „Volksrepublik“ Luhansk, bei einem Anschlag ums Leben.

In den annektierten Gebieten der Ukraine werden immer wieder Attentate auf von Russland ernannte Funktionäre verübt. Am 8. November wurde Michail Filiponenko, Mitglied des russischen Regionalparlaments in Luhansk und Ex-Chef der separatistischen Streitkräfte, bei einer Explosion getötet.

In der Nacht zum 27. Oktober wurde Oleg Zarjow, Ex-Mitglied der Werchowna Rada, der den russischen Angriff auf die Ukraine medial unterstützt hatte, bei einem Attentat auf der Krim verwundet. Im September wurde der Leiter des Zolldienstes der Region Luhansk, Jurij Afanassjewskyj, bei einer Explosion in seinem Haus schwer verletzt.

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8 Kommentare

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  • Mich wundert die Selbstverständlichkeit, mit der davon ausgegangen wird, dass der ukrainische Geheimdienst hinter dieser Tat steckt.



    Die Ukrainer übernehmen, andeutend (wie im Falle Kiwas) oder explizit in schöner Regelmäßigkeit die Verantwortung für Dinge, die sich auf russischem Territorium ereignen, und IMO ist das unabhängig davon ob sie tatsächlich etwas damit zu tun haben, oder nicht. Sie tun das prinzipiell, als Mittel der psychologischen Kriegsführung, weil es ihnen nützt. Wenn sie wirklich jedesmal dahinter stecken würden (z.B. seit Kriegsbeginn Dutzende Brände und Havarien in Rüstungs- und Zulieferbetrieben, Morde an Dugina und Tatarskij, Anschlag auf Sascha Prilepin irgendwo in den Wäldern des Nowgoroder Gebiets, oder jüngst der Sprengstoffansschlag auf die Baikal-Amur-Magistrale), dann muss man den ukrainischen Geheimdienst als übermächtiger als den Mossad bezeichnen und sich fragen, warum der Krieg nicht schon längst zuende ist. Und warum die Ukrainer sich mit der Ermordung politischer Clowns abgeben, anstatt russische militärische und politische Entscheidungsträger anzugreifen.



    Herr Clasen zeichnet Kiwas "Karriere" quer durch politische Spektrum ja schön nach. Ein gewalttätiger politischer Spinner, der nach seiner Flucht in russischen Talkshows forderte, Atombomben auf ukrainische Städte zu werfen. Ober er jemals etwas aus echter Überzeugung getan hat, sei dahingestellt. Es ist aber nahelegend, dass er nicht erst "kurz vor Beginn des Angriffskrieges ... zu den Russen übergelaufen" ist, sondern schon vorher, und dass er dafür natürlich Geld gekriegt hat. Wie z.B. Putins Freund Medwedtschuk im Auftrag des Kreml "prorussische Politik" in der Ukraine finanziert hat, ist ja mittlerweile bekannt.



    Nun sitzt Medwedtschuk in Moskau, und kriegt weiter Geld dafür, die "Übernahme" der Ukraine nach Russlands Sieg vorzubereiten, und natürlich will jeder Überläufer sein Stück vom Kuchen. Kiwas Ermordung hat IMO eher mit diesen Verteilungskämpfen zu tun.

  • Hinzu kommt der Anschlag auf die Oseepiplines, die nach umfangreichen Nachforschungen auf ukrainische Akteure zurückzuführen sein soll.....



    Das Bild rundet sich ab....

  • Mit derartigen Methoden qualifiziert sich die Ukraine nicht für einen EU-Beitritt.

    • @Felis:

      Ganz genau so ist es!

  • Jetzt versteh ich unsere Staatsräson ÜBERHAUPT nicht mehr!

    Die Israelis unterstützen wir in ihrem "Freiheitskampf", der außerhalb ihres Territoriums stattfindet und wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden!

    Und nun unterstützen wir auch noch die Ukraine, die in die EU möchte und eigentlich die dortigen Werte (?) achten möchte/ muß, trotzdem im staatlichen Auftrag ein "Todesurteil" gegen einen abtrünnigen Landsmann im Ausland - weit weg vom Kriegsgeschehen - vollstreckt wurde!?

    Was ist das für ´ne Staatsräson, Herr Scholz?



    Wie erklär ich das meinen Gör´n?

  • Derartige Szenarien sind genau das, was man z.B. der russischen Führung zu Recht vorwirft. Es ist das Gesetz des Dschugels. Zivilisierte (!!) Länder sollten über diesen Status hinweg sein. Doch wenn sich die Ukraine nun mehr oder weniger offen auch zur Gesetzlosigkeit herablässt, dann darf sie sich nicht darüber wundern, wenn sie die Sympathien anderer verliert. Das Morden hat mit Freiheitskampf nichts, gar nichts zu tun. Es ist Barbarei...

    • @Perkele:

      Manchmal muss man sich eben entscheiden zwischen Gesetzlosigkeit und Rechtlosigkeit.

      "Es ist das Gesetz des Dschugels."

      Eben NICHT. Für das "Gesetz des Dschungels" stand der Hetzer und Faschist Kywa.

      Um es mit den Worten einer berühmten Ukrainerin (Lyudmila Pawlitschenko) zu sagen: "Wenn ich einen Faschisten töte, rette ich Menschenleben."

      • @Ajuga:

        Es handelt sich um MORD. Mutmaßlich aus niedrigen Beweggründen wie zB Rache. Einen solchen Mord in Auftrag zu geben, verstößt gegen das Wertesystem der Europäischen Union.