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Abschied von Thomas GottschalkAls Gott den Schalk verlor

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

„Wetten dass..?“ war in besten Momenten inklusiv. Bei der letzten Sendung ging leider vieles daneben. Thomas Gottschalks Abgang war traurig.

Moderator Thomas Gottschalk kommt zu Beginn der Sendung „Wetten, dass…?“ auf die Bühne Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

E s hätte ein schöner, versöhnlicher, ja sogar zauberhafter Abschied werden können. Die nun aber wirklich letzte „Wetten, dass..?“-Show mit Thomas Gottschalk war eine Chance, zu zeigen, dass auch im Jahr 2023 noch geht, was in den besten Momenten dieser Sendung manchmal funktioniert hat: weite Teile der Gesellschaft zusammenzubringen, die sonst nicht viel miteinander zu tun haben und die wenigstens für ein paar Stunden ein Gefühl der Gemeinsamkeit spürten. Jung und alt, mehr und weniger akademisch, Nerds aus der Provinz und Weltstars aus Hollywood. Inklusiv und divers statt polarisierend.

Hätte, hätte, Fehlerkette.

Gottschalks trauriger Abgang fing schon damit an, dass er nicht die Größe hatte, beim großen Rückblick auch an die Schattenseiten seiner Schaffenszeit zu erinnern. An das Unfallopfer Samuel Koch, an den Buntstift-Schummler Bernd Fritz oder wenigstens an die langjährige Comoderatorin Michelle Hunziker, die ihn beim Moderieren zuletzt oft überstrahlte.

Alles sollte sich zum Schluss nur noch um ihn, den großen Gottschalk, drehen und ging gerade deshalb nach hinten los. Weil er am Ende auch noch lamentierte, dass er heutzutage im Fernsehen nicht mehr wie zu Hause reden könne und deshalb lieber gar nichts mehr sage, dreht sich die öffentliche Nachbetrachtung nicht um seine unbestreitbare Lebensleistung, sondern um den angeblich bösen Zeitgeist, der ihm das Wort verbiete.

Diese Mär vom politisch korrekt durchzensierten Fernsehen ist heillos übertrieben, wie nicht nur Dieter Nuhr beweist. Gottschalks Selbstmitleid zerstört auch sein Image. Denn sein Name war Programm: Er war ein Fernsehgott, weil er den Schalk im Nacken hatte. Jetzt bleibt er als verbitterter Alter in Erinnerung, der nicht einsehen will, dass seine zunehmenden Aussetzer und sexistischen Geschmacklosigkeiten einfach nicht mehr lustig sind, und deshalb wütend aufhört. So bleibt vom viel gerühmten Lagerfeuer, an dem sich das Fernsehvolk versammelte, nur noch Asche. Das ist schade, weil wir ein Gefühl der Gemeinsamkeit gerade dringend bräuchten. Es wäre schön, wenn es jemand neu entzünden könnte.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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11 Kommentare

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  • Wer ist Gottschalk?

  • Gottschalk war schon immer cringe, lange bevor es das Wort gab. Er könnte als Definition von cringe dienen. Ich hab schon im Elternhaus nie eine Sendung mit ihm ausgehalten, und seit ich kann, mache ich größtmögliche Bögen um seinesgleichen.

  • "...dass er heutzutage im Fernsehen nicht mehr wie zu Hause reden könne und deshalb lieber gar nichts mehr sage..."

    Gottschalk scheint auch ziemlich vergesslich zu sein. Irgendwann Ende der 80er, es war bei "Na, sowas", gab es Riesenärger, weil er sich Sorgen um eine ältere Dame und deren Eierstöcke machte.

    Aber natürlich, früher war alles besser. Man muss es nur oft genug behaupten.

  • Nuja. Der heutige Gottschalk ist - wie andere in die Jahre gekommene "Showmaster" der Vergangenheit - aus der Zeit gefallen.



    Jene machten (aus heutiger Sicht) rassistische Witzchen über POC, machten sexistische Bemerkungen über Frauen und grabschten diese im TV an, etc. pp. Und fanden nichts dabei. Gottschalk setzte auf seine Weise diese Tradition fort.



    Er ist halt eine "Supernase" geblieben.

  • Anderer Meinung! Es war eine großartige Sendung und wir haben von Anfang bis Ende begeistert vor dem Fernseher gesessen! Super Unterhaltung! Spannend, witzig, lässig! Gottschalk führte souverän entspannt durch den Abend. Immer lässig und warmherzig, und wie immer schlagfertig und witzig. Und das Konzept der Sendung ist immer noch spitze, dass unbekannte Leute durch ihre kuriosen Wetten genauso Spannung erzeugen wie die Stars und unterschiedlicbdte Leute an einem Abend einfach miteinander sichtlich Spaß haben. Vom kleinen Jungen auf dem Skateboard bis zur weltberühmten Sängerin, von aufgeregtn Aussenwetten Gruppen bis zum Hshnenschrei Experten, etc. Jammerschade, dass Gottschalk aufhört!

  • "Diese Mär vom politisch korrekt durchzensierten Fernsehen ist heillos übertrieben (...) Gottschalks Selbstmitleid zerstört auch sein Image. (...) Jetzt bleibt er als verbitterter Alter in Erinnerung"



    Wohl mehr Wunschdenken als Feststellung - das Echo in den sozialen Medien ist eindeutig pro Gottschalk und die Springerpresse feiert ihn in jedem ihrer Blätter für seinen "Klartext" zum Abschied...



    Ich weiß nicht welches Image da bei ihm Schaden genommen haben soll - eher hat er eins dazugewonnen 🤷‍♂️

    • @Farang:

      Aber Springer ist doch bitte kein Massstab ...

  • Naja, Gottschalk sagt, er sage lieber nichts, weil manche Dinge, die er denkt, einen Sturm der Empörung (neudeutsch: "Shitstorm") auslösen würden, wenn er sie ausspräche. Alleine die Tatsache, dass er dies ausspricht, löst einen Sturm der Empörung aus. Ist das nicht schon irgendwie ironisch?

  • "Jetzt bleibt er als verbitterter Alter in Erinnerung, der nicht einsehen will, dass seine zunehmenden Aussetzer und sexistischen Geschmacklosigkeiten einfach nicht mehr lustig sind, und deshalb wütend aufhört."

    Kommt darauf an, von wessen Erinnerung wir sprechen. Ich habe die Sendung nicht gesehen, aber die Abmoderation, von der hier die Rede ist, bot mir der Algorithmus am Folgetag in Form eines Youtube-Videos an. Der Titel: "Thomas Gottschalk führt das ZDF vor, in Sachen Meinungsfreiheit! DANKE, THOMAS!👍🏼" Da gab es in einigen Wohnzimmern wohl stehende Ovationen

  • Sehr guter Kommentar - danke Herr Wallraff!



    Ich habe einen großen Bogen um die (letzten?) Peinlichkeiten von Herrn Gott-Schalk gemacht. Wie der Altmännerwitze reißende Elmar Hörig beim ehemaligen SWF3 ist auch „uns Tomi“ stehen- und stecken geblieben und reibt sich verwundert die Augen über diese neue Welt.

    • @Rufus:

      "Stehen und stecken geblieben" ist ja nicht so einfach zu definieren.

      Bleibt man "nicht-stehen", wenn man rechtzeitig dem Zeitgeist aufsitzt?

      Bin ich dadurch ein "hipper" Alter, weil ich vegan esse, vor jeden schwierigen Text eine "Trigger-Warnung" setze und gendere, was die Wortgewaltigkeit hergibt, egal ob es Sinn macht oder nicht?

      Oder halten sich die "modernen Leute" einfach nur für progressiv und "fresh", weil sie verständliche Sprache durch peinliche Anglizismen ersetzen?

      Altmännerwitze, klar, krass toxisch, Allder!

      Aber das Vorführen von Menschen in peinlichen Situationen, die allgegenwärtig aufploppenden scheinheiligen Empörungsbüdchen, die YouTube-Uni und all die "Experten" im Netz sind die Altmännerwitze von morgen.

      Gottschalk hat doch nicht völlig Unrecht: Mal nicht tüchtig genug nachgedacht oder korrekt gewesen oder gedanklich falsch abgebogen, schon wird einem so gut wie alles abgesprochen, es wird gegraben, nachgegraben, ausgegraben und nachgekübelt, bis der "alte weiße Mann" so klein mit Hut ist, dass er unter dem Teppich laufen kann.

      Was bin ich angefeindet worden, weil ich bei einem Text über das Sterben keine Triggerwarnung davor gesetzt hatte, damit sich die Achtsamkeitsgeneration in ihrer Befindlichkeit nicht zur nächsten Therapie genötigt fühlt.

      "Neu" ist nicht in jedem Fall besser oder fortschrittlicher und die "neue Welt" ist nicht im Besitz der Generation PH (Pronomen-Hippster).