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Parlamentswahl in PolenOpposition gewinnt die Wahl

Nach Auszählung aller Stimmen ist klar: Die nationalistische PiS hat keine Mehrheit mehr. Oppositionsbündnis unter Tusk könnte übernehmen.

Es geht aufwärts: Donald Tusk am Wahlabend Foto: Petr David Josek/ap

Warschau afp/taz | In Polen zeichnet sich nach der Parlamentswahl ein Machtwechsel ab: Die pro-europäische Opposition errang einen überraschenden Sieg über die rechtsnationalistische Regierungspartei PiS. Oppositionsführer Donald Tusk erklärte die „Herrschaft der PiS“ nach acht Jahren für beendet.

Nach Auszählung von aller Stimmzettel liegt die regierende PiS mit gut 35,38 Prozent zwar weiter vorn. Die Opposition könnte sie nun aber von der Macht verdrängen, da die Bürgerkoalition von Ex-Regierungschef Donald Tusk und ihre möglichen Bündnispartner zusammen eine Mehrheit von mehr als 53 Prozent errangen.

Das liberal-konservative Wahlbündnis Bürgerkoalition (KO) von Oppositionsführer Donald Tusk erhielt 30,7 Prozent der Stimmen. Der Dritte Weg, ein Bündnis der Mitte kam auf 14,4 Prozent, die Neue Linke auf 8,61 Prozent. Die rechtsextreme Konföderation, die als denkbarer Koalitionspartner für die PiS galt, kam auf 7,16 Prozent. Das geht aus Zahlen auf der Webseite der Wahlbehörde hervor.

Am Morgen nach dem Wahlsonntag hatte die PiS laut Angaben der Wahlbehörde noch bei fast 40 Prozent gelegen. Oft sind aber dünner besiedelte ländliche Regionen und kleine Städte zuerst ausgezählt, die meist konservativer wählen. Große Städte mit oft besseren Ergebnissen für liberale und linke Kräfte kommen eher am Ende dazu. So sank mit steigendem Auszählungsstand das Resultat der bisherigen Regierungspartei kontinuierlich ab.

Das offizielle Endergebnis soll im Laufe des Dienstags bekannt geben werden.

Prognose für die Sitzverteilung

Laut einer Erhebung des Instituts Ipsos, die auf Prognosen und ersten Teilergebnissen beruhte, kann die von Tusk angeführte Opposition mit insgesamt 248 Mandaten rechnen. Auf Tusks Bürgerkoalition entfielen demnach 158 der 460 Sitze. Der Dritte Weg und die Linken holten demnach 61 und 30 Sitze. Die drei Parteien hätten damit eine Mehrheit von 248 Sitzen.

Die PiS kann laut Ipsos mit 196 Sitzen rechnen, während die rechtsextreme Konförderationspartei der Prognose zufolge 15 Mandate gewann. Selbst bei einer Koalition hätten die beiden demnach keine Mehrheit. Die Konföderationspartei hatte ein solches Bündnis vor der Wahl ohnehin ausgeschlossen.

Oppositionsführer Tusk erklärte noch am Wahlabend, das Ergebnis bedeute das Ende einer „düsteren Zeit“. „Die Herrschaft der PiS ist vorbei“, sagte der 66-Jährige bei der Wahlparty der Bürgerkoalition in der Parteizentrale in Warschau. „Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen, wir haben sie von der Macht vertrieben.“

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sagte jedoch, er habe immer noch „Hoffnung“, dass seine Partei die nächste Regierung bilden könne. Der 74-Jährige fügte hinzu: „Wir werden alles tun, um sicherzustellen, dass unser Programm trotz der Koalition, die gegen uns ist, weiter umgesetzt wird.“

Nach einem hart ausgefochtenen Wahlkampf erreichte die Beteiligung an der Abstimmung einen Rekordwert: Rund 73 Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Urnen und damit deutlich mehr als bei der ersten teilweise freien Wahl in Polen im Jahr 1989.

Die Abstimmung galt als Richtungswahl über den künftigen Kurs gegenüber der EU, der Ukraine und Deutschland. Die PiS liegt seit Jahren mit der EU im Dauerclinch und hat Deutschland im Wahlkampf scharf angegriffen.

Hinweis: Dieser Text wurde zuletzt am 17.10 um 9:40 Uhr mit den neusten Zahlen der Wahlbehörde aktualisiert.

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12 Kommentare

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  • An alle Schwarzmaler, schaut nach Polen! Es siegt die Vernunft, wenn so viele wie möglich ihr Recht auf Wahl ausüben. Ein Rechtsruck ist verhinderbar. Eine gute Nachricht. Geringe Wahlbeteiligung nützt nur den Rändern. Nicht mal allen, die Linken scheinen leer auszugehen.

  • PiS off!!

  • Driftet eine Partei zu sehr ab, dann gibt's auf die Mütze. Schön zu sehen in Polen.



    Mehrheiten gibt's immer nur in der Mitte, etwas links davon, etwas rechts davon. Ständiges Austarieren ist die Kunst wenn man gewählt werden will. Schön, dass das die PiS nicht kapiert hat. Tusk wünsche ich Wohlgelingen.

    • @Tom Farmer:

      In Ungarn und der Türkei funktioniert Ihre schöne Formel leider nicht. Und wenn wir Pech haben, in den USA irgendwann auch nicht mehr.

      • @dites-mois:

        Die Mitte der Türkei entspricht natürlich nicht der Mitte in DE. Kulturelle Unterschiede sind zu berücksichtigen.z.B. die US Demokraten wären bei uns eher CSU. So gesehen alles relativ... mit der Mitte.

  • Danke, dass Sie die Zahlen aktuell halten.



    Polen ist als Nachbarczu wichtig, um noch zwei Tage später über die erste Hochrechnung zu spekulieren.



    Die polnische Wahlkommission stellt ihre Zahlen öffentlich zur Verfügung. Viele Medien nutzen das nicht, u.a. der ÖR Rundfunk.



    Sie nutzen anscheinend das Angebot. Danke!

    • @Carsten S.:

      Ich war auch verwundert, dass man erst suchen musste, bevor man die aktuellen Auszählungsergebnisse fand. Auf Wikipedia wurde auch fortlaufend aktualisiert. Interessant war ein Spiegel Artikel - die PiS hat gegenüber 2019 kaum Wähler (in absoluten Zahlen) verloren. Der Wahlsieg der Opposition ist also darauf zurückzuführen, dass es ihr gelungen ist, Menschen zu aktivieren, die vorher nicht gewählt haben.

  • Endlich auch mal eine gute Nachricht in Europa, man kann hoffen, dass sich die PiS jetzt von Kaczinski löst und eine normale konservative Partei wird, deren Machtübername nicht einer Infragestellung der Demokratie gleichkommt. Und man sieht einmal mehr: gute Lösungen haben Rechtspopulisten gerade nicht, das sollten sich alle potentiellen AfD-Wähler einmal überlegen, gerade wenn man die aktuellen Widerlichkeiten in dieser Partei zum Nahostkonflikt in Rechnung stellt. Das Migrationsproblem ist gerade nicht um jeden Preis zu lösen, schon gar nicht um den Preis der Demokratie.

  • "Nach einem hart ausgefochtenen Wahlkampf erreichte die Beteiligung an der Abstimmung einen Rekordwert: Rund 73 Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Urnen und damit deutlich mehr als bei der ersten teilweise freien Wahl in Polen im Jahr 1989."

    SO geht das!

  • Die beste Nachricht seit einiger Zeit. Da kann man nur hoffen, dass sie es nicht vermasseln. Die PO hat ja damals erst der PiS die Tür weit aufgemacht. Und die überdrehten Identitätskämpfer*innen in der EU, die meinen, sie müssen allen anderen aufzwingen, was sie selbst erst kürzlich entdeckt haben. Plus die deutsche Aussen- und Wirtschaftspolitik, die über die östlichen Verbündeten hinweg mit dem Vorbild-Demokraten Putin paktieren musste. Also: nicht nur über andere lästern, sondern selbst auch mal was richtig machen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    • @moonwatcher:

      Sehr wichtig, Ihre Hinweise! Viele Rechtsrucks in Europa sind in hohem Maße durch egoistische deutsche Politik mit verursacht.

    • @moonwatcher:

      Wir bauen das auf! Schaffen und Schaffen, ohne Unterlass! Noch ist P. nicht verloren!"