Wahlsieg der Opposition in Polen: Polen und die EU sollen diese Chance ergreifen
Nach der Wahl in Polen rückt das Ende des PiS-Regimes näher. Die EU sollte jetzt schnell die politische und wirtschaftliche Nähe zu Warschau suchen.
E s wurde als historische Wahl angekündigt und die Rekordzahl von 73 Prozent Wahlbeteiligung bestätigt das. Zwar konnte die seit acht Jahren in Polen regierende rechtskonservative PiS-Partei ihre Stammwähler mobilisieren. Ausschlaggebend aber war: Die Parteien der Bürgerkoalition, unter anderem mit der PO-Partei des ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten und Ex-Präsidenten des Europäischen Rates Donald Tusk, haben es geschafft, die Mehrheit der unentschiedenen Wähler*innen zu den Wahlurnen zu bewegen.
Selbst wenn die PiS laut ersten Prognosen die meistgewählte Kraft bleibt, hat Jarosław Kaczyński seine absolute Mehrheit verfehlt. Und das allein ist bereits ein Erfolg. Nun rückt das Ende des PiS-Regimes näher, und sowohl Polen als auch die Europäische Union (EU) müssen diese Chance ergreifen.
Die PiS verdankte ihre Macht zum größten Teil ihren Desinformationskampagnen, die sie aufgrund ihres Monopols bei den größten Massenmedienkanälen und ihrer Nähe zur Kirche fahren konnten. Dass ein Pastor oder Priester im Dorf für die PiS gepredigt hat, war in Polen lange Alltag.
Auch da haben die Oppositionsparteien auf dem Land ihren kleinen Spielraum gegenüber der PiS im Wahlkampf genutzt. Fälle von PO-Wähler*innen, die sich in den letzten Monaten in kleineren Städten oder Kommunen gemeldet haben, um dort ihre Wahlstimme abgeben zu dürfen, gab es viele. Denn in Polen werden die Wahlen auf dem Land gewonnen.
Polen spielt bereits eine zentrale Rolle in Europa – dank seiner geostrategischen Lage und seiner boomenden Wirtschaft: Der Krieg in der Ukraine hat das gezeigt und das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner hat sich seit 1989 sogar versiebenfacht. Übrigens hat sich in Polen auch in den letzten Jahren viel bewegt in Bereichen wie erneuerbare Energien.
Polen ist mehr als PiS
Die europäische Öffentlichkeit bekam indes oft nur den Rechtsruck Polens mit und die böse Allianz zwischen Warschau und Budapest. Polen ist viel mehr als das, und wenn die oppositionelle Bürgerplattform ihren Sieg bestätigt, sind das gute Nachrichten für alle.
Denn dann wird hoffentlich endlich diese positive Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft an die polnische und europäische Oberfläche kommen können. Über mögliche progressive und soziale Reformen, wie eine Legalisierung des im Land stark umstrittenen Abtreibungsrechts, soll Polen auch für europäische Investoren wieder attraktiv werden.
Das müsste auch dringend geschehen, sonst wird Europa den Zug im EU-Land bald verpasst haben. So haben südkoreanische und US-Investoren längst die besten Gebote abgegeben, etwa für neue Atomkraftwerke, in Polen einvernehmliche Allheilmittel für den Kohleausstieg, und einen großen Flughafen zwischen Warschau und Łódź.
Im Gegensatz zur penetranten Anti-EU-Rhetorik der PiS haben die Pol*innen sich bei der Wahl vor allem für eher pragmatische Dinge interessiert: für Rechtsstaatlichkeit, für ein Ende der hohen Lebenshaltungskosten, für eine gute Gesundheitsversorgung. Die EU war ein Thema im Hintergrund des Wahlkampfs. Deswegen darf auch Brüssel die Chance nach dieser Parlamentswahl nicht verpassen und muss die Nähe zu Polen wieder suchen, bevor es zu spät ist.
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